Der Winter wird verbrannt

VON LEO STAUSBERG

„Werft den Winter ins Feuer hinein! Heißa, welch ein heller Schein!“

Abend. Freier Platz im Walde. Knaben schichten den Holzstoß für das Maifeuer.

1. Knabe

Wir gingen im Dorf von Haus zu Haus
und baten: Gebt uns die Besen heraus,
die abgekehrten, die stumpfen,
die schon zu nichts mehr nütze sind! —
Und gebt uns ein Stücklein Holz geschwind!
Holt aus dem Keller, dem dumpfen,
die alten zerfallenen Tonnen herfür,
die brauchen zum Maienfeuer wir:
seine Flammen sollen verscheuchen
böse Geister, Unheil und Seuchen!

2. Knabe

Der erste Bauer an der Brück‘,
der gab uns dies Holz, ein gutes Stück.
Der zweite ließ sich erbitten
und gab uns den Baum in der Mitten.

3. Knabe

Und jedes Häuslein weit und breit
trug bei zum Holzstoß eine Klobe, ein Scheit.
Drum ist er so wohl geraten,
man könnt‘ einen Ochsen drin braten.

4. Knabe

Und über eine kleine Weil‘,
dann kommen die Burschen herbei in Eil‘
und auch die Dirnen, die feinen.
Dann wird der Holzstoß schnell entfacht,
der leuchtet und lodert so hell in der Nacht,
tut weit ins Tal hin scheinen.

Sie arbeiten emsig weiter: schleppen Tannenzapfen und dune Äste herbei usw. — Von rechts her nahen die Burschen. Sie tragen auf einer Bahre (zwei Stangen) den tqten Winter (eine Strohpuppe) herbei. Die Burschen (singen);

Der Kuckuck hat sich zu Tod gefall’n
von einer hohlen Weiden.
Wer soll uns nun den Sommer lang
die Zeit und Weil“ vertreiben?

Die Mädchen sind von links herbeigekommen; sie antworten singend:

Ei, das soll tun Frau Nachtigall!
Die sitzt auf grünen Zweigen,
sie singt und springt, ist allzeit froh,
wenn andre Waldvögelein schweigen.

1. Bursche

Nun, Buben, habt ihr den Holzstoß geschieht‘?

1. Knabe

Da seht! So schön war er Vorjahrs nicht!

2. Bursche (ihn anzündend)

Ei Wetter! Da wird eine Freude sein!
Gen Himmel soll lodern der helle Schein!

1. Mädchen

Was bracht‘ ihr da auf der Bahre getragen?

1. Bursche

Wir fanden den Winter im Tale erschlagen.

4. Bursche

Wir luden ihn auf und brachten ihn her.
Sein Grab find‘ in den Flammen er!

2. dchen

Herbei, ihr Gespielinnen, all herbei!
Da seht, was vollbracht hat der kühne Mai!

Die Mädchen fassen einander bei der Hand und umtanzen singend die Bahre:

Stäup aus, stäup aus!
Dem Winter gehn die Augen aus!
Veilchen, Rosenblumen,
der Sommer, der ist kommen!
Werft den Winter ins Feuer hinein!
Heißa, woll’n wir lustig sein!

Die Burschen durchbrechen den Kreis, ergreifen die Strohpuppe und werfen sie ins Feuer. Sie singen:

Werft den Winter ins Feuer hinein!
Heißa, welch ein heller Schein!

Die Strohpuppe lodert hell auf. — Burschen und Mädchen fassen einander bei der Hand und um tanzen jubelnd das Feuer. Dann springen sie paarweise durch die Flammen.