Der Wehrer Kessel
Horst Happe
3 km nordwestlich vom Laacher See liegt der „Wehrer Kessel“, über den im Heimat-Jahrbuch 1972 kurz berichtet wurde. Man erreicht ihn, wenn man von Niederzissen nach Wehr oder von Qlees über Wehr nach Westen fährt.
Der an der Oberkante 2 km lange und 1,7 km breite „Wehrer Kessel“ liegt in seiner Maximalausdehnung quer zum Streichen des Rheinischen Schiefergebirges, also SO-NW. Sein Einzugsgebiet wird oberflächlich durch den Wirrbach entwässert, der sich unterhalb der „Welschwiesenmühle“ in einem Kerbtal tief eingeschnitten hat und in Niederzissen in den Brohlbach mündet. Der Kesselrand ist im Osten steil und geschlossen und ohne Seitental; nur an der Gleeser Straße befindet sich eine kleine Einsattelung. Im Süden mündet ein kleines, bachbettloses Tal, auf dessen Schuttkegel Wehr liegt. Im Südwesten zieht vom Beller Wald ein Trockehtal hinab, im Westen vom Meirother Kopf bzw. Tiefenstein und Stelnbergerhof je ein wasserreiches Wiesental.
Der tiefste Punkt des nahezu 670 Morgen großen Sprengtrichters liegt im Bereich der sog. Sauerquellen, nahe am Nordostrand des flachwelligen Kesselbodens in 279 m ü. NN. Die hier vorhandenen Tone und ein Niedermoor lassen die Vermutung zu, daß hier früher einmal ein kleiner Weiher gewesen ist, der dann durch Abzugsgräben im Rahmen einer Entwässerung der „Welschwiesen“ leergelaufen ist. Ob man diesen Weiher mit Recht als Maar bezeichnen kann, soll hier nicht entschieden werden. Wie der benachbarte Laacher See ist der „Wehrer Kessel“ nach W. Ahrens vulkanotektonischen Ursprungs, d. h. durch vulkanische Tätigkeit in das unterdevonische Gestein eingesprengt worden. Die voraufgegangene oder nachträglich erfolgte Absenkung des Kessels steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit dem Einbruch des Neuwieder Beckens.
Im SW sitzen dem „Wehrer Kessel“ — ähnlich wie am Laacher See — die Schlackenvulkane Tiefenstein (Difelderstein) und Meirother Kopf (516 m) dem Devon auf. Beide bilden wahrscheinlich nur einen einzigen Vulkan, der nur durch die Erosion eines Tälchens getrennt wurde. Der Meirother Kopf besteht hauptsächlich aus Lava, die in Blöcken und Felsen dicht an der Straße nach Weibern ansteht. Am Tiefenstein, auch an der Straße, sieht man vor allem Schweißschlackenfelsen und Tuffe. Sie sind gut verfestigt und enthalten Mineralien wie Augit und Glimmer und devonische Schieferbrocken. Es wechseln weiße und braune Tuffbänder. Sie sind wahrscheinlich älter als die Schlacken und Lavamassen. Ihre Ausbruchsstelle ist nicht bekannt. Die Ausbrüche erfolgten wohl schon im Altquartär. Die Schlackenkegel auf der Ostseite des „Wehrer Kessels“ sind ohne Lavaströme. Das Innere des durch die neue Autobahn zerstörten „Dachsbusches“ war an seiner Westseite aufgeschlossen. Der Vulkan besteht aus blasigen, porösen schwarzen und braunen Schlacken, welche die Mineralien Augit, Olivin und Sandin wie auch Schieferbrocken und rotgebrannten Ton enthalten, als Zeichen durchbrochener Tonschichten. Der benachbarte Hüttenberg ist sicherlich ähnlich aufgebaut. Beide Vulkane werden von Tuff und Bims bedeckt. Die Bimseruptionen begannen vor etwa 50 000 bis 60 000 Jahren und wiederholten sich wenigstens viermal bis in die Zeit vor 25000 Jahren. Sie sind also älter als die Laacher Bimse. Gleichzeitig mit diesen oder unwesentlich früher (12000 bis 20000 Jahre) wurde ein jüngerer Tuff — der Hüttenbergtuff — abgelagert.
Die mutmaßliche Ausbruchsstelle dieser Bimse und Tuffe liegt im Gebiet der noch heute sprudelnden, eisenhaltigen Sauerquellen am Nordostrand des Kessels. Ein Feldweg zwischen Wehr und der Autobahn führt uns dorthin. Schon von weitem sehen wir das Großseggenried. Es wird umgeben von einem Röhricht, eingestreut sind Erlen und Weiden.
Das Großseggenried des Wehrer Kessels beheimatet eine Reihe von seltenen Pflanzen. Wie am Laacher Seeufer überwiegt die Schnabelsegge (carex rostrata), der sich noch die Kammsegge (carex distioha), hohe Bulte bildend, hinzugesellt.
An den feuchtesten Stellen unmittelbar an den Eisenocker abscheidenden Sauerquellen oder den Abzugsgräben gelangen Wollgras (eriophorum angustifolium), Wiesenschaumkraut (cardamine pratensis ssp. palustris) und teilweise Knabenkraut (orchis latifolia) zur Vorherrschaft. Auf den trockeneren Standorten greifen Arten wie die Wäldsimse (scirpus silvaticus), Kratzdistel (cirsium palustre) u. a. über. Da die kohle-säurehaltigen Quellen der „Welschwiesen“ nur zum Teil Industriell genutzt werden, und diese kleine Naturlandschaft weitgehend unberührt geblieben ist, lohnt es sich, sie in ihrem jetzigen Zustand für die Nachwelt zu erhalten, zumal auch noch einige seltene Vogelarten hier anzutreffen sind.
Im Gegensatz zur Laacher-See-Umwallung tragen die Hänge des „Wehrer Kessels“ kein geschlossenes, natürliches Waldkleid mehr. Der größte Teil ist gerodet oder in geschlossene Fichtenreinbestände umgewandelt worden.
Die östliche Hälfte des Wehrer Kraters Ist mit Ausnahme von kleinen Niederwaldstreifen an seinen Hängen fast ganz waldfrei. Die kleinen Buchenwaldreste auf dem Dachsbusch und dem Hüttenberg sind der neuen Autobahn zum Opfer gefallen. Wir finden ansonsten ausschließlich Äcker, denn der Boden ist fruchtbar. Im Süden, Westen und Norden erhebt sich infolge des Reliefs eine geschlossene Waldkulisse, die in den prächtigen Buchen-Hallenwäldern des Mei-rother Kopfs und Tiefensteins gipfelt und weiter im Norden in Eichen-Hainbuchenwälder übergeht.
Im Wehrer Kessel
Foto: Kreisbildstelle
Die Andersartigkeit des Waldkleids erklärt sich hier aus den- geologischen und pedologischen (Boden-)Verhältnissen. Interessant ist, daß Vegetations- und Gesteinsgrenze annähernd zusammenfallen: auf den vulkanischen Gesteinsböden ausschließlich Buchen-Hochwald, auf den sauren devonischen Braunerden Eichen-Hainbuchenwald. Letzterer vorwiegend als Mittel- und Niederwald. Das gleiche können wir im Laacher-See-Gebiet beobachten.
Daß Wehr zu einem beliebten Wohn- und Erholungsort geworden ist, verdankt es der Nähe des Laacher Sees und nicht zuletzt seinen Wäldern inmitten einer vulkanischen Landschaft.