Der waldreiche Kreis Ahrweiler – Stand und Perspektiven der Forst- und Holzwirtschaft

Der waldreiche Kreis Ahrweiler

Stand und Perspektiven der Forst- und Holzwirt^6haft

Hannsjörg Pohlmeier

Zur Forstgeschichte

Der Kreis Ahrweiler gehört zu den Regionen mit besonders hohem Waldanteil: 40.352 ha oder 51,3% sind mit Wald bedeckt, mit langsam aber stetig steigender Tendenz. Das war nicht immer so. Heute zeugen nur noch wenige Relikte der Wacholderheiden – inzwischen aus Naturschutzsicht von höchster Schutzwürdigkeit – von einer einstmals weit verbreiteten Ubernutzung der natürlichen Grundlagen mit der Folge radikal zurückgedrängter Waldbestände. Holz war teilweise regional so knapp, daß eine Trierer Instruktion vom 3. März 1785 verlangte, daß bei Neubauten das unterste Stockwerk in Stein zu errichten sei. Holz-wände in Häusern waren grundsätzlich untersagt. Beginnend mit der Zeit der preußischen Verwaltung setzte eine nunmehr fast 200jährige Aufbauphase der heimischen Wälder ein.

Das Forsteinrichtungswerk für die Waldungen der Fürstlich Arenbergischen Oberforsterei, Majoratsgut Saffenburg zu Mayschoß, aus dem Jahre 1861 illustriert die Probleme der hiesigen Wälderderdamaligen Zeit anschaulich. Es schildert die kahlen exponierten Hochlagen der Ahr-eifel, insbesondere mit den häufigen Stürmen und führt dazu aus: „Der einzige Schutz gegen diesen schädlichen Einfluß ist mit dem Verschwinden der ausgedehnten Waldungen, welche früher diese Eifelplateaus bedeckten, verlorengegangen/und mit dem Verschwinden der Waldungen an deren Stelle Öde oder elendes Gestrüpp getreten, ging die Verschlechterung des KlimasHand in Hand, so daß gegenwärtig hier das Ahrgebirge buchstäblich ein Steppenklima hat und immer mehr verarmen muß…“ Nun, so weit ist es nicht gekommen, wie die aktuelle Flächenbilanz zeigt. Bedingt durch die Flächenstillegungsprogramme der Europäi-schen Union ist sogar mit weiteren Aufforstungen von landwirtschaftlichen Flächen und damit steigenden Waldanteilen zu rechnen.

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Holzkonstruktion der Römervilla Ahrweiler, 1994.

Früher hätte man spontan von Waldreichtum gesprochen. Noch nach dem zweiten Weltkrieg wurde beispielsweise bei der Wiederbesiedlung des Luftwaffenübungsplatzes Ahrbrück dafür Sorge getragen, daß die neuen Gemeinden so ausreichend mit Waldbesitz ausgestattet wurden, daß sie ihre kommunalen Aufgaben wahrnehmen, sprich finanzieren konnten. Wer allerdings heutzutage aufmerksam die Presseberichte und manche politische Stellungnahme zu den Defiziten der kommunalen Forstbetriebe im Kreis verfolgt hat, wird die Frage stellen, ob dies noch seine Berechtigung hat.

Der baden-württembergische Landesforstchef Oft hat es provozierend formuliert: „Unsere Vorfahren hatten es mit den Problemen eines reichen Waldes in einem armen Land zu tun. Heute haben wir einen armen Wald, eine arme Forstwirtschaft in einem reichen Land.“

Wirtschaftliche Aspekte

Im Kreis Ahrweiler wird man dem Slogan vom Bäder-, Wein- und Wanderland unter dem Aspekt der Gesundheits- und Fitneßregion sicher gerne den Begriff von der waldreichen Region hinzufügen und feststellen, daß ein Fundament der touristischen Attraktivität des Kreises auf den Wäldern ruht.

Wie sieht es jedoch mit den wirtschaftlichen Perspektiven aus. Auch wenn etwa der Waldexperte von Greenpeace C. Wiedemer prognostiziert, wir hätten ein Jahrhundert des Holzes vor uns und jüngste Möbeltrends eine Hinwendung zum Massivholzinterieursignalisieren, kann man feststellen, daß Holz ein Weltmarktrohstoff geworden ist, wie jeder andere. Das bedeutet in aller Regel stagnierende Erlöse bei steigenden Kosten. Wer würde vermuten, daß man noch. 1950 mit der Erlös eines Festmeters Holz 30 Waldarbeiterstunden bezahlen konnte und heute nur noch zwei? Dabei macht es im Kaufpreis keinen Unterscheid, ob das Holz aus einem ausgeplünderten Urwald stammt oder aus naturnaher einheimischer Forstwirtschaft.

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Holz als Bautoff moderner Architektur: Kindergarten Ramersbach, 1995.

Dem mitunter eher achtlosen Umgang mit dem Rohstoff scheint der Stellenwert der gesamten Forst- und Holzwirtschaft im öffentlichen Bewußtsein zu entsprechen. Hier klaffen tatsächlich wirtschaftliche Bedeutung und Einschätzung weit auseinander.

Bis in das Zeitalter der Industriellen Revolution hat das universell einsetzbare Holz die Lebens-umstände so geprägt, daß man von einem „hölzernen Zeitalter“ sprechen kann. Die Mehrzahl der Maschinen dieser Zeit hatten ihren Ursprung in hölzernen Konstruktionen. Die Technisierung hat Änderungen in der Holzverwendung bewirkt, jedoch keine Verdrängung oder Verringerung des Verbrauchs. Dennoch würde kaum jemand vermuten, daß, bezogen auf den Anteil am Bruttosozialprodukt und von der Zahl der Arbeitsplätze her „der Sektor Holz/Papier/Druck den gleichen Rang, wie die Eisen- und Metall-branche behauptet und sogar ganz erheblich vor dem traditionsreichen Textil- und Bekleidungsgewerbe liegt. Bei den Holzbearbeitungsmaschinen nimmt Deutschland sogar innerhalb Europas und noch weit über Europa hinaus eine Spitzenposition ein.“ Berücksichtigt man, daß die deutsche Forst- und Holzwirtschaft direkt und indirekt etwa 1 Million Menschen Beschäftigung bietet, wird nicht nur die wirtschaftliche Dimension deutlich, sondern klar, daß Diskussionen um den Wirtschaftsstandort Deutschland auch diesen Bereich einbeziehen und ins Bewußtsein rücken müssen. Obwohl bei uns selbst nur zwei Drittel der in den Wäldern jährlich nachwachsenden Holzsubstanz genutzt werden, ist dieser Rohstoff nach wie vor zweitwichtigster Posten in unserer Importbilanz.

Man kann sagen, daß wohl kaum ein Bereich so erheblich unterschätzt wird. Dies mag zum einem am Image des Holzes liegen, das als „bereits erfunden“ gilt, obwohl es nach heutigen Erkenntnissen als „Hochleistungs-Verbundwerk Stoff“ kategorisiert werden könnte. Zum anderen hat die mittelständisch und überwiegend handwerklich orientierte Branche nie so etwas wie ein eigenes Selbst- und Geschichtsbewußt-sein entwickelt. Über andere Werkstoffe wurden ganze Bibliotheken geschrieben. Die Literatur über Holz füllt nur wenige Regale. Holzoder forsttechnische Museen sind rare Exoten in der reichhaltigen deutschen Museumslandschaft. Ein Gegenstück zum imposanten und zum Weltkulturerbe erklärten Völklinger Stahlwerk existiert ebenfalls als bescheidenes Modell im Rosenheimer holztechnischen Museum^ Dort erst kann etwa der staunende Weinfreund von der Ahr erfahren, welch umfassendes Know-how in der Herstellung seines Barrioque-Fasses steckt. Auch früher schon waren zur Herstellung eines 300-Liter-Fasses 50 Arbeitsgänge, z. T. mit äußerster Präzision, und zwei Arbeitstage eines Küfers erforderlich.

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Holzhäuser im Hüttendorf Weibern, 1995.

In einer markt- und marketingorientierten Zeit ist mangelnde Präses im öffentlichen Bewußtsein gefährlich und kann Marktanteilsverluste zur Folge haben. Der Stellenwert der Information nimmt so indirekt Einfluß auf Arbeitsplätze. Dies mag in besonderem Maße für Rheinland-Pfalz und für den Kreis Ahrweiler gelten. In unserem Bundesland wurden in den letzten Jahren große Kapazitäten in der Sägeindustrie aufgebaut, die inzwischen rechnerisch nur noch die Hälfte des Rohstoffbedarfs für ihre Produktion im eigenen Bundesland decken können.

Holzverarbeitung

Im Kreis Ahrweiler sind nach einer Untersuchung der Strukturförderungsgesellschaft 11,37% der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe im Bereich der Holzverarbeitung tätig. Hier gibt es neben dem bodenständigen Schreinerbetrieb eine ganze Reihe von mittelständischen Firmen, die technologische Spitzenleistung erbringen. Ihre Standbeine haben hier, neben der Papierbranche, ein bedeutender Dienstleister mit EDV für den Fensterbau, ein großer Polstermöbelhersteller sowie eine Firma, die sich auf Holzbearbeitungsmaschinen und Zubehör für den Heimwerkerbereich spezialisiert hat.

Traut man den angesprochenen Firmen eher „industrielle Dimensionen“ zu, vernachlässigt man die Möglichkeiten des Handwerks. Eine ganze Reihe von Holzbauprojekten sprechen für die beeindruckenden Fähigkeiten heimischer Betriebe, von denen zwei mit je über 100 Arbeitskräften im ganzen Bundesgebiet tätig sind.

Die Römervilla in Ahrweiler, das Rennsportmuseum am Nürburgring sowie die Ahrthermen sind nicht nur herausragende Beispiele modernen Ingenieurholzbaus, sondern gleichzeitig touristische Kristallisationspunkte ersten Ranges. Die Siedlung „Auf den Steinen“ in Bad Neuen-ahr-Ahrweiler, wurde als wegweisendes Modellvorhaben preisgekrönt und steht für die handwerklichen Fähigkeiten im zimmermannsmäßi-gen Holzbau. Auch eher unscheinbare Objekte zeigen die Möglichkeiten, die in den spezifischen Eigenschaften des Holzes stecken: geringes Gewicht bei hoher Tragfähigkeit. Die Aufstockung des Lydiaturms am Laacher See war aus statischen Gründen nur mit einer Holzkonstruktion möglich, die komplett vorgefertigt und mit einem Kran an Ort und Stelle plaziert wurde. Der Kindergarten in Ramersbach belegt, daß mit Holz nicht zwangsläufig „Jodlerarchitektur“ entstehen muß, sondern daß auch eigenwillige moderne Gebäude realisierbar sind. Überhaupt könnte man zur Schlußfolgerung kommen, daß die Gesundheits- und Fitnessce-gion ohne Holz nicht auskommt: die Mehrzähl der Fahrradbrücken über die Ahr sind ebenso Holzkonstruktionen wie das kürzlich eingeweihte Feriendorf des Landessportbundes in Kempenich. 

Die Vielzahl beispielhafter Holzbauten in der Region hat den Forstabsatzfonds veranlaßt, eine Tafel seiner bundesweit gazeigten Wanderausstellung unter das Motto zu stellen: „Bad Neuenahr-Ahrweiler: eine Kommune setzt auf Holz“. 

Angesichts der Vielzahl verführerischer Botschaften vom recyclebarer „Öko“-PVC-Fenster oder dem grün angestrichenen Beton, bei dem es darauf ankommt, was man daraus macht, scheint solche Bewußtseinsbildung dringend notwendig. Hier in der Region gibt es sie noch:

die Möglichkeit, einen eigenen, nachgewachsenen Rohstoff umweltgerecht zu produzieren, ohne energiefressende Transporte vor Ort schonend zu verarbeiten und anschließend menschengerecht, d. h. ohne gesundheitliche Belastungen zu verbauen. Daß es dabei auch ohne tonnenweise verbrauchte Holzschutzmittel geht, zeigt das Museum Römervilla: Die komplette Außenfassade ist völlig unbehandelt. Möglich wurde dies durch eine sinnvolle Holzartenwahl und eine kluge, materialgerechte Planung. Daß dies kein Holzweg ist, zeigen jahrhundertealte norwegische Stabkirchen ebenso wie die einheimischen Fachwerkhäuser, bei denen die gleichen Prinzipien angewandt wurden. Man könnte sagen, daß in Ahrweiler der erste Öko-Muse-umsbau errichtet wurde.

Der Kreis schließt sich, wenn man den Bogen vom heimischen zum Weltklima spannt. Die günstige Ökobilanz von Holz und seinen Produkten zeigt, daß hier viele Lösungen für Probleme vorhanden sind, die anderenorts erst erkannt werden. Holz ersetzt nicht nur andere energieaufwendige und damit Kohlendioxyd-produzierende Stoffe, sondern hat gleichzeitig die Eigenschaft, Kohlendioxyd in sich selbst festzulegen. Folgerichtig hat deshalb die UN-Konferenz zum Schutz unserer Erdatmosphäre in Rio de Janeiro der Forst- und Holzwirtschaft eine zentrale Rolle zuerkannt. Dies gilt wohlgemerkt für eine Wirtschaftsweise, die die Waldökosysteme nutzt und nicht zerstört. Auch hier könnten wir mit unseren Erfahrungen – aus dem deutschen Sprachraum stammen alle Wurzeln moderner, naturnaher Forstwirtschaft – einen wichtigen Beitrag leisten. Der renommierte Waldbauexperte Prof. Burschel folgert daher. „In der Summe ergibt sich unausweichlich: Forstwirtschaft ist das Gebot der Stunde. Im eigenen Land sowie weltweit.“

Aus wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Gründen liegt eine leistungs- und überlebensfähige Holzwirtschaft im Interesse unserer örtlichen Gemeinden als Waldbesitzer ebenso wie der mehrerer tausend privaten Waldeigentümer im Kreise Ahrweiler. Alle sind darauf angewiesen, daß unsere Betriebe mit ihren Produkten im Wettbewerb bestehen können. Das Engagement für den Neubau der geplanten Fachhochschule in Remagen als Holzkonstruktion ist logische Konsequenz dieser Tatsache.

Wir sind mittlerweile in einem Stadium angelangt, wo viele mühsam getätigte Investitionen unserer gewiß ärmeren Vorfahren in Gestalt eines reichen Waldes ihre Früchte tragen. Deshalb gilt es nicht nur, dieses wertvolle Gut sorgsam zu pflegen und mit Mitteln der Umweltpolitik, wie auch Investitionen in naturnahem Waldbau zu erhalten. Daneben sollten wir auch dem Produkt Holz seine Chance am Markt und in unserem Bewußtsein geben. Die Vielzahl derhier nur kurz umrissenen Vorzüge des Waldes und des Holzes sollte allein aus Vernunftgründen die ernsthafte Prüfung des Baustoffes Holz nahelegen.

Wer will, mag es auch literarisch sehen: „Das ist etwas Geheimnisvolles. Kommt es daher, daß Holz, ob auch noch so behauen, gestutzt und gehobelt, irgendwie lebendig bleibt? Es hat gelebt, wie ein heimliches Etwas in uns immer noch lebt. Und man beachte, wie selten man bei Menschen, die mit Holz zu schaffen haben, einem unglücklichen, verbitterten Gesicht begegnet.“ (J..B. Priestley).

Literatur:

Hachenberg. F.. ..2000 Jahre Waldwirtschaft am Mittelrhein“. Landesmuseum Koblenz, 1992.
J. Radkau ..Holz auf dem Weg zum Grundstoff des ökologischen Zeitalters? in „Kultur und Technik“ – 120 Jahre Holz-Zentralblatt, 1994. S. 2 f. 
J. Radkau „Holz. ein Werkstoff in der Technikgeschichte“, Rowohlt Verlag} Hamburg, 1985.
“Strukturförderungsgesellschaft Bonn;Rhein-Sieg, Ahrweiler,.Branchenanalyse der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler, 1994, unveröffentlicht. Forstabsatzfonds, Hrsg. „Ich, der Wald. bin mehr als Sie denken“. 1994, Ministerium für Umwelt, Landesamt für Umweltschutz und Gewerbeaufsicht, Hrsg. „Planung vernetzter Biotopsysteme – Bereich Landkreis Ahrweiler“. Mainz 1994.
Stadt Rosenheim, Verein holztechnisches Museum s. V., Hrsg. „Holz-technisches Museum Rosenheim“, Museumsführer, Rosenheim 1993. Schwind, W „Der Eifelwald im Wandel der Jahrhunderte ausgehend von Untersuchungen in der Vulkaneifel.“ Eifelverein (Hrsg.), Düren 1984.