Der Tradition verbunden – Junggesellen-Schützengesellschaft „St. Lambertus“, Lantershofen, feiert 500jähriges Jubiläum
Der Tradition verbunden
Junggesellen-Schützengesellschaft »St. Lambertus« Lantershofen, feiert 500jähriges Jubiläum
Peter Josef Schütz
Die Wurzeln der Junggesellen-Schützengesellschaft »St. Lambertus« Lantershofen gehen auf eine der Bürgerwehren zurück, die im 15. Jahrhundert in vielen Orten unserer Heimat zu finden waren. Die Bürgerwehren entstanden Anfang des 14. Jahrhunderts, um die einzelnen Orte vor einfallenden Angreifern zu schützen. Die genauen Gründungsjahre der Bürgerwehren sind leider nicht überliefert, so daß man ihre Entstehung auf die älteste schriftliche Erwähnung zurückführen muß.
Für die Lantershofener Schützen ist dies ein Dokument aus dem Jahre 1492. In den Belegen der Ahrweiler Stadtrechnungen, die aus den Jahren von 1487 bis 1502 erhalten sind, werden 1492 die Schützen von Lantershofen bei der Begleitung der Fronleichnamsprozession in Ahrweiler zum ersten Mal erwähnt. Dieses Jahr wurde von je her als Gründungsjahr der Gesellschaft genannt.
Fest verwurzelt in der Treue zur Heimat und zur katholischen Kirche war die Gesellschaft für ihr Heimatdorf stets ein fester Rückhalt. In der Festschrift zu r 2 000-JahrfeiervonLantershofen steht u.a. über sie geschrieben: »Von treuer Pflichterfüllung und mannhaftem Einstehen im Augenblick der Gefahr weiß die mündliche Überlieferung zu erzählen.«
Da jedoch durch Krieg und Brandschatzung viele Urkunden, Aufzeichnungen und andere Beweisstücke verloren gingen, geht die erste Quelle nach 1492 erst auf das Jahr 1835 zurück. Aus diesem Jahr ist ein Verzeichnis erhalten, im dem drei neu eingetretene Mitglieder aufgezählt sind. Auch sind aus dem selben Jahr Statuten der Gesellschaft erhalten, in denen die Mitglieder dazu angehalten werden „… treu die alten Sitten und Gebräuche zu bewahren und auszuüben«.
Viele Bräuche aus den früheren Zeiten sind überliefert: Wenn ein junges Paar heiratete, so mußte der Bräutigam der Dorfgemeinschaft einen neuen Ledereimer zu Löschzwecken stiften. War der Bräutigam nicht aus Lantershofen, so mußte er die Braut den Junggesellen abkaufen und dafür eine Abgabe, genannt Jura, entrichten, die nach den Verhältnissen des jungen Paares bemessen wurde. Der Brauch der Jura hat immer noch festen Bestand in der Gesellschaft, so wird bis heute bei der Heirat eines Lantershofener Mädchens mit einem auswärtigen jungen Mann eine Jura eingeholt.
Ein weiterer alter Brauch ist lebendig geblieben und erfreut besonders die Kinder des Ortes: Nach der kirchlichen Trauung werfen die Brautleute vor dem Haus der Braut oder des Bräutigams Brötchen und Süßigkeiten für die dort versammelten Dorfbewohner.
Besonders zu Ahrweiler hatten und haben auch heute noch die Junggesellen-Schützen immer die besten Beziehungen. So waren auch drei Lantershofener Bürger Schützenkönige der Ahrweiler Schützengesellschaft:
1748 Johannes Bender, 1834 Wilhelm Harff, und 1850 Christian Schütz.
1898 traf die Gesellschaft ein schwerer Schlag:
Durch den Neubau des Winzervereins wurde den Junggesellen die Möglichkeit zum Abhalten der Tanzmusik an den Kirmestagen und damit die wichtigste Einnahmequelle genommen, da der Winzerverein die Tanzmusik von nun an selbst abhielt. Dies hatte zur Folge, daß die Junggesellen die Paraden undAufzüge einstellten.
Der Ausbruch des I.Weltkrieges bedeutete einen weiteren Rückschlag: Jegliche Vereinstätigkeiten wurden eingestellt, da die jungen Leute zum Kriegsdienst einberufen wurden. 16 Junggesellen ließen in diesem Krieg ihr Leben. Bereits ein Jahr nach Beendigung des Krieges lebte die Gesellschaft mit ihrer Begeisterung für die alten Bräuche und Sitten wieder auf. Doch sollte diese Begeisterung nicht lange anhalten. Sehr schnell glich man sich den in den umliegenden Orten entstandenen »Junggesellenvereinen« an. Man besuchte sich gegenseitig bei den Tanzveranstaltungen und Junggesellenfesten und war in den Sommermonaten fast jeden Sonntag woanders zu Gast. Die uralte Tradition und die Liebe zur engeren Heimat gerieten in Vergessenheit. Aus der Junggesellen-Schützengesellschaft war ein Junggesellenverein entstanden.
Im Jahre 1927 wurde dann dieser »Verein« grundlegend reformiert. Unter der Leitung des neuen Hauptmannes Eduard Schütz wandelte man den Junggesellenverein wieder in eine Junggesellen-Schützengemeinschaft um. Heimatliebe, der Wunsch nach einer lebendigen Dorfgemeinschaft, sowie der Wille, die alte Tradition nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. waren die Hauptmotive zu diesem entscheidenden Schritt.
Im gleichen Jahr noch wurde ein Tambourcorps aufgestellt, das bereits anläßlich der Lamber-tus-Kirmes im September zum ersten Mal und zur Freude aller Dorfbewohner aufspielte. Auch wurde bei dieser Kirmes erstmalig wieder die Parade abgenommen.
Der Frühschoppen am Montagmorgen wurde jedoch jäh unterbrochen: Die französische Gendarmerie, als Polizei der damaligen französischen Besatzungsmacht, erschien, um den Hauptmann wegen des Auftretens des Tambourcorps und den damit verbundenen Umzügen und Paraden, festzunehmen. Erwurde protokollarischvernommen, konnte sich aber durch viel Glück der sofortigen Verhaftung entziehen. Trotz dieses Zwischenfalles wurde dann am Montagabend, nach 19jähriger Unterbrechung zum ersten Mal wieder der traditionelle Gesellschaftsball abgehalten.
Junggesellen-Schützen-Gesellschaft Lantershofen im Jahr ihrer Wiedergründung 1928
Im Oktober stand der Hauptmann wegen der ihm von der Besatzungsmacht vorgeworfenen Vergehen vor dem Kriegsgericht in Koblenz. Nachdem sich das Gericht zweimal zurückgezogen hatte, erging folgendes Urteil: In Anbetracht der Jugend des Angeklagten (er war 22 Jahre alt) wurde von einer Freiheitsstrafe abgesehen und nur eine Buße von 50 RM verhängt. Bereits am I.Mai 1928 konnten derGeneralver-sammlung der Gesellschaft die neuen Statuten vorgestellt, und die Junggesellen-Schützengesellschaft »St. Lambertus« damit offiziell wieder ins Leben gerufen werden.
Beim Schützenfest 1928 errang Franz Mom-bauer die Königswürde und wurde damit erster König der Gesellschaft. Mit ihm wurde dann zum ersten Mal im September 1928 die Lamber-tus-Kirmes in dem Rahmen gefeiert, wie sie bis heute noch Bestand hat.
1935 feierte man das 2 OOOjährige Bestehen des Heimatortes Lantershofen. Aus diesem Anlaß erschien die Festschrift „Meine Heimat«. Das Fest selbst wurde in einem Rahmen gefeiert, wie es bisher noch nicht dagewesen war. Neben den zahlreichen Aktivitäten war der Höhepunkt der historische Festzug, bei dem die verschiedensten Gruppen die einzelnen „Etappen“ der Lantershofen Geschichte darstellten:
Angefangen mit Herolden und Fanfarenbläsern zu Pferd, über die Kelten, römische Streitwagen mit einem Vierergespann, die Erzbischöfe von Bamberg, Lüttich und Köln, die Grafen von Nürburg, Neuenahr, Saffenburg, Zweybrücken und Blankart, alle umgeben mit Landsknechten und Leibeigenen, der Junggesellen-Schützengesellschaft von 1492 und 1835, bis hin zu der Gesellschaft von damals.
Es war ein begeisterndes Fest, wie die Presse am 30. Juli 1935 berichtet:“… Die Bevölkerung von Lantershofen kann mit stolzer Freude auf das nun zurückliegende Fest blicken. Die Nachwelt wird einst noch davon berichten, wie man Lantershofens 2 OOOjährige Geschichte festlich beging.«
Doch die blühenden Jahre des Vereinslebens sollten 1937 durch die Nationalsozialisten jäh unterbrochen werden, als sie verlangten, die Gesellschaft in einen NS-Schießsportverein umzuwandeln. Der Vorstand beschloß, in dem Bewußtsein die christlich verwurzelte Tradition zu erhalten, die Gesellschaft aufzulösen, damit ihre Ideale den Nazis nicht preisgegeben und umfunktioniert würden. Vielen Mitgliedern der Gesellschaft wurde der grauenhafte Wahn der Nazis schließlich zum Verhängnis. Es sollte ihnen nicht vergönnt sein, aus dem 2.Weltkrieg heimzukehren.
Hauptmann und König beim Abschreiten der Front vor der Parade, Kirmes 1949 in Lantershofen
Nachdem die Schrecken des NS-Regimes und des 2. Weltkrieges vorüber waren, wurde am 1. Mai 1947 die Gesellschaft wieder neu ins Leben gerufen. Da aufgrund der Bestimmungen der Besatzungsmächte kein Vogelschießen abgehalten werden konnte, zeigte man sich erfinderisch und holte beim Schützenfest 1947 den Vogel einfach mittels eines Speerwerfens von der Stange. Erster König nach dem Krieg wurde auf diese Weise Heinz Bach. Wie groß die Freude der Lantershofener Bewohner und ihre Dankbarkeit für den überstandenen Krieg war, zeigt ein Auszug aus der Pfarrchronik: „Auf Antrag der Gemeindevertretung und des Vorstandes der Junggesellen-Schützen wurden am Kirmesmontag 1947, also am 14. September, in der um 16.30 Uhr in der Nachmittagsandacht zu Ehren des hl. Lambertus, der der Patron der Kapelle in Lantershofen ist, die Gemeinde und die Junggesellen-Schützen dem heiligsten Herzen Maria geweiht. Die Beteiligung an der Feier war so groß, daß das Kirchlein bis zum letzten Platz besetzt war.«
Nach dem Abzug der Besatzungsmächte war es 1951 zum ersten Mal wieder möglich, das Schützenfest so durchzuführen, daß der Vogel wieder mittels eines Gewehres von der Stange geschossen werden konnte. Die Kirmesfeierlichkeiten konnten auch wieder so abgehalten werden wie vor dem Krieg und wie sie bis heute Bestand haben.
1968 wurde unter dem damaligen Hauptmann Bruno Winand das erste Maubichfest gefeiert. Maubich, eine Lantershofener Spezialität, ist ein Hefekuchen, der mit einem aus herzhaft gewürztem Mus, das aus getrockneten Birnen gewonnen wird, bestrichen ist.
1978 feierte die Gesellschaft ihre 50jährige Wiedergründung. Aus diesem Anlaß wurde eine Festschrift erstellt, die die 50 Jahre der wiedergegründeten Gesellschaft, sowie einen Rückblick über die Ortsgeschichte zum Inhalt hat und in ihrem Anhang alle bis dahin der Gesellschaft gestifteten Königsschilder zeigt.
Und was ist mit der Junggesellen-Schützengesellschaft heute? Die Junggesellen-Schützengesellschaft ist heute noch ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens in Lantershofen. Dies drückt sich unter anderem in den verschiedensten öffentlichen Tätigkeiten aus, die die Junggesellen im Laufe derzeit übernommen haben.
Hierzu gehören unter anderem das Aufstellen des Maibaumes, die Begleitung der Fronleichnamsprozession mit einer Fahnenabordnung, die Organisation und die Ausrichtung der Fastnacht, die sie gemeinsam mit dem Gesangverein Lantershofen veranstaltet, das Ausrichten des Maubichfestes und der Umgang von »St. Nikolaus«, der am Abend des 5. Dezembers die Kinder besucht. Sie richtet natürlich ihr Hauptfest aus: das Schützenfest am zweiten Sonntag im September sowie die Kirmes mit der neuen Majestät an dem darauf folgenden Wochenende.
»Eintracht und Liebe, Religion und Tugend, Arbeitsamkeit und Fleiß, Frohsinn und Scherz«, die Ideale, die sich die Junggesellen-Schützen auf ihre Traditionsfahne geschrieben haben, sind wohl mit dem heutigen Zeitgeist kaum zu vereinbaren. Trotzdem (oder gerade deshalb?) erfreut sich die Gesellschaft bis zum heutigen Tag eines so starken Mitgliederzuwachses, daß man feststellen kann: fast jeder Lantershofener Junggeselle, der sein 17. Lebensjahr vollendet hat, ist Mitglied der Junggesellen-Schützengesellschaft.
Auf dem Hintergrund dieserTatsache kann man wohl sagen, daß auch in der heutigen Zeit die Junggesellen-Schützengesellschaft eine Art »Bürgerwehr« ist: Eine „Bürgerwehr«, die die jungen Menschen vor der Anonymität und der Einsamkeit der modernen Gesellschaft schützt. Eine »Bürgerwehr«, die so unpopulär gewordene Werte wie Heimatliebe und Verantwortung füreinander vermittelt. Eine »Bürgerwehr«, die zeigt, daß Gemeinschaft, richtig verstandene Tradition und Kameradschaft Werte sind, die viele Generationen vor uns mit Leben erfüllt und an uns weitergegeben haben, damit wir sie weitergeben können.