„Der Theodor im Kirchenchor“ – was es zu einem Bleiglasfenster der St.-Anna-Kapelle in Ahrweiler-Bachem zu erzählen gibt
„Der Theodor im Kirchenchor“
was es zu einem Bleiglasfenster der St.-Anna-Kapelle in Ahrweiler-Bachem zu erzählen gibt …
Ortwin Wildeman
In unserer Jugendzeit wurde bei Familien-Ausflügen mit meinen Eltern und sechs Geschwistern von Bonn an die Ahr meist zunächst in Ahrweiler die Bahnfahrt unterbrochen und zur „Kirche in Bachern“ gepilgert: wir besuchten den „heiligen Theodor“, und das hatte seinen ganz besonderen Grund.
Zur Vorgeschichte
„Der Ersatz der schon längst zu klein gewordenen St.-Anna-Kapelle durch einen Erweiterungsoder Neubau wurde zuerst im Sommer 1909 akut, als die St.-Leonardus-Kapelle wegen Baufälligkeit geschlossen und in der St.-Anna-Kapelle wegen gefahrdrohenden Zustandes des Dachreiters nicht mehr geläutet werden durfte.“ So steht es zu lesen im Jahrbuch der rheinischen Denkmalpflege – II. Jahrgang 1926 unter der Rubrik: 3. Einige Kirchenerweiterungen aus den letzten Jahren, a) Bachern (Kreis Ahrweiler), Erweiterung der St.-Anna-Kapelle; Entwurf:
Landesbaurneister Wildernan, Bonn. Weiter heißt es dort: „ …Die ersten generellen Vorschläge der Denkmalpflege auf Erweiterung fanden bei der Bevölkerung wenig Gegenliebe; man wünschte einen Neubau. …Erst im Frühjahr 1921, nachdem die schon gesammelten Mittel verloren gegangen waren, griff man unter gänzlich veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen die Bauabsichtwiederauf. Von der Denkmalpflege der Rheinprovinz (sie erstreckte sich von Emmerich bis Saarbrücken!) wurde ein neues, wesentlich vereinfachtes Erweiterungsprojekt … durch Queranbau nach Norden … mit der Länge des Altbaues als neue Breite … gewählt. …“ Es folgt dann die Schilderung der Schwierigkeiten vor und während des Bauablaufes: „…Die Leitung der Interessen der Kapellengemeinde hatte während der Erkrankung des Dechanten Kollmann der damalige Kaplan Pees in die Hand genommen, der manche schweren Widerstände mit Energie und Geschick im Sinne der Bauvorschläge des Architekten zu überwinden hatte. … Die Gemeinde brachte Opfer auf Opfer, obgleich sich jetzt schon der gute 1921er Wein, mit dem man den Bau großenteils finanziert hatte, nicht mehr so gut verkaufte wie früher. … Das Frühjahr 1925 brachte schließlich … die … Lösung des Innenraumes. namentlich der… Decke, der farbigen Fenster, des … Schieferplattenbodens und der übrigen Ausstattung. …“ gez. Th. Wildeman.
Die Bleiglasfenster
Wochen vor der Einweihung besuchte der zur Herstellung der farbigen Blei-Glas-Fenster beauftragte Glasmaler meinen Vater – Theodor Wildeman, Architekt und stellvertretender Pro-vinzialkonservator – im Amt für Denkmalpflege in der Bonner Bachstraße. Um die noch zu klärenden Einzelheiten zur Herstellung der neuen Kirchenfenster „aufzuschreiben“, brachte er einen recht „großformatigen Notizblock“ mit und „schrieb“ die notwendigen Angaben seltsamerweise auf seinem Schoß unter dem Tisch mit. Später stellte es sich heraus: er hatte u.a. eine Skizze vom Kopf-Profil meines Vaters gemacht. Es kam die Einweihung; auch das neue Glasfenster wurde feierlich enthüllt. Großes Erstaunen allerseits, denn nur der Dechant und der Glasmaler wußten Bescheid: wie heute noch gut zu erkennen ist, trägt der im Bild linke Ministrant die Gesichtszüge meines Vaters. Auf die spontane Reaktion meines Vaters zum Dechanten: „er habe da aber ein reudiges Schaf in seiner Herde“, meinte der Angesprochene: „Och Herr Baurat, wissen Sie, wir kommen doch alle in einen Himmel!“
Bleiglasfenster der Bachemer St.-Anna-Kapelle: links als Ministrant Theodor Wildemann.
Zum Kapellenbau
Ja, – und damit komme ich wieder zum Ausgangspunkt – dieses Fenster durften wir Kinder immer wieder aufs neue bestaunen! Unser Vater nutzte die Gelegenheiten zur eingehenden Erklärung seiner wohldurchdachten Architektur. Er erläuterte die baubedingten Probleme, z.B. wurde die zwischen Alt- und Erweiterungsbau vorgesehene große Durchbruchöffnung mit Rücksicht auf die Last des Daches und des Dachreiters noch während der Ausführung durch zwei eisenarmierte Stützen entlastet. Der Altbau erhielt als Ersatz für die marode Flachdecke eine Sternmusterstuckdecke. Für den Erweiterungsbau wurde ein – in den Dachraum hochgezogenes – modernes Faltengewölbe in Rabitzbauweise entwickelt. Fensterumrahmungen wurden aus Weiberner Tuffstein in den dortigen Werkstätten hergestellt. Mendiger Basalt und Mayener Schiefer wurden in guter Zusammenarbeit mit den Steinmetz- und Schieferbau-Fachschulen in Mayen zu wichtigen Baugliedern verarbeitet. Uns Kinder interessierten damals hauptsächlich die farbenfrohen Glasscheiben, denn: den Vater als Ministrant im Kirchenfenster verewigt – in der einen Hand die Zeichnungsrolle, die andere Hand am Chormantel des Dechanten – wer hatte das schon aufzuweisen. Die fachlichen Hinweise wurden mir erst richtig klar, als ich mich beruflich mit dieser Materie befaßte; dann aber waren sie mir – aus seiner langjährigen Erfahrung heraus – Leitlinien für das Berufsleben.
Heute, in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Brohltalbahn im Vulkanpark Brohltal-Laacher See, sehe ich mich täglich mit den Namen, Einrichtungen und z.B. geologischen Abläufen dieser Region konfrontiert, die mir aus den vielen väterlichen Hinweisen und Ratgebungen geläufig sind; ich kann darauf aufbauen, sie vielfach auswerten und weitergeben.
Eins noch: Im Sommer 1946 – die Mitschüler waren so nach und nach aus Krieg und Gefangenschaft wieder zurückgekehrt – machten wir wieder mal eine Wanderung von Bonn an die Ahr; diesmal jedoch im großen Kreis mit Freunden und -innen; auch unsere Eltern waren mit von der Partie. Wieder wurde in Ahrweiler unterbrochen. Wir fanden die St.-Anna-Kapelle in Bachern unzerstört und „das“ Glasfenster in gutem Zustand. – Damals war gerade das Lied mit dem „Theodor im Fußballtor“ in Mode. Unterwegs zum Steinerberg wurde spontan und mit viel Eifer umgereimt; das konstruierte Ergebnis scholl aus frohgemuten Kehlen von Bergeshöhe überdasAhrtal hinweg: „Der Theodor, der Theodor, im Bachem-Fenster-Kirchenchor (!)…“- Unser Vater, selbst „Teilnehmer“ an den beiden Weltkriegen, schmunzelte über den wohl sehr befreienden (und wieder jugendlichen) Übermut von uns, den dem Kriegsinferno Noch-Einmal-Davongekommenen.
Blick in die Bachemer Kapelle mit ihrer Sternmusterdecke und dem Faltengewölbe 1996.