Der Straßentunnel bei Altenahr

VON IGNAZ GÖRTZ

Von November 1969 bis Mai 1970 wurde der Straßentunnel bei Altenahr beträchtlich verbreitert, um diesen über hundertjährigen engen Felsdurchbruch den heutigen Verkehrsverhältnissen anzupassen. Die Verbreiterung des Tunnels ist dabei ein erster Schritt, den Verkehr durchs mittlere Ahrtal wieder zügiger fließen zu lassen, wie die Eröffnung des Felsdurchbruches im Jahre 1834 die Verkehrserschließung des mittleren Ahrtals erst ermöglichte.

Steile Felsen, enges Tal und große Flußwindungen hatten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts den Bau einer Fahrstraße durch das felsige Ahrtal verhindert. Der zwischenörtliche Verkehr führte auf steilem Pfad über die Berge oder längs der Ahr auf schmalem Fahrweg, wobei die Ahr häufig in Furten durchquert werden mußte.

Im Zuge der Baumaßnahmen für die Ahrtalstraße wurde im Frühjahr 1832 mit dem Bau des Tunnels bei Altenahr begonnen, um so den 3 km langen Umweg durch das Langfigtal bei Altenahr abzukürzen. Unter der Bauleitung des preußischen Wegebaumeisters, Hauptmann Schmülling, ging die Arbeit zügig voran. Der erste Felsdurchstich erfolgte am 19. November

Repr.: I. Görtz N. Ponsart: Tunnel zu Altenahr (1839)

1833. Der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm war bei der Öffnung anwesend und durchschritt als erster die erst enge Felsspalte. Seine Anwesenheit unterstrich die Bedeutung, die man diesem Tunnelbau und darüber hinaus dem Straßenbau im allgemeinen zumaß. Die feierliche Eröffnung fand am 25. November 1834 statt, nachdem in der Zwischenzeit auch die Fahrstraße von Ahrweiler bis zum Tunneleingang geschaffen war.

Über die Ausstrahlung dieses Bauwerkes berichtet Karl Schorn, der aus Essen stammende Geschichtsschreiber der „Eifflia Sacra“, in seinen 1898 erschienenen „Lebenserinnerungen“:„Es war im Jahre 1833, als ein staunenswertes Ereignis nicht nur das Rheinland, sondern auch weitere Kreise in Erregung brachte. Es war dies der sogenannte Durchbruch oder besser die Durchführung der Ahrtal-Fahrstraße durch den hohen Felsen der 192 Fuß langen Breitlei bei Altenahr, wie sie heute noch existiert. Eine solche vermeintliche, jetzt tausendfach überwundene Riesenarbeit war damals fast für unmöglich gehalten, und das nunmehr leichter zu erreichende Altenahr mit seiner großartigen Umgebung war das Ziel der Neugier für die gebildete Welt.“ Auch die einheimische Bevölkerung wußte den Bau des Tunnels zu schätzen. So berichtet die Altenahrer Chronik von der feierlichen Eröffnung: „Am 25. November 1834 war der Durchbruch fertig und fand an diesem Tage die feierliche Eröffnung der Passage statt durch den Oberpräsidenten der Rheinprovinz, Herrn von Bodelschwing, und in Anwesenheit der Baubehörde der Bezirksregierung.

Die Schuljugend der ganzen Bürgermeisterei Altenahr war diesseits und jenseits des Durchbruchs aufgestellt, und es hatten sich viele Leute aus der Umgegend eingefunden, so daß die Felskuppen über dem Durchbruch mit Zuschauern besetzt, welche mit Bewunderung und Staunen erfüllt waren. Die Böllerschüsse und Festgesänge verursachten einen ergreifenden Eindruck. Ein feierliches Mahl beim Gastwirt Caspari, dessen Wirtshaus im Thal den Namen .Gasthaus zum Durchbruch‘ erhielt, beschloß die Eröffnungsfeier.“

Über die Kosten des 16 Fuß hohen, 20 Fuß breiten und 192 Fuß langen Stollens berichtet der Chronist: „Die Kosten des Durchbruchs betrugen zusammen ungefähr 5000 Thaler, wobei Pulver und Schmiedearbeiten mitgerechnet sind.“ Bemerkenswert ist der Hinweis auf Pulver und Schmiedearbeiten, da hierdurch unterstrichen werden soll, daß in der genannten Summe auch wirklich alle Kosten erfaßt seien. Man muß sich vergegenwärtigen, daß der Felsdurchbruch in Handarbeit geschaffen wurde, so daß heben Lohn- und Fuhrkosten nur die Materialkosten für Pulver und Arbeitsgerät anfielen. Dabei erfolgte die Herstellung der Arbeitsgeräte — Hammer und Meißel — in handwerklicher Schmiedearbeit, wie auch durch den Schmied die Meißel laufend geschärft wurden. Der Straßentunnel und die Ahrtalstraße brachten damals nicht nur eine bessere Anbindung des Verkehrs an die große Verkehrsader des Rheins, sondern sie wurden zu einer großen Sehenswürdigkeit, die Besucher von nah und fern anzog. Auf allen Landschaftsdarstellungen der damaligen Zeit erscheint der Straßentunnel, der der erste in Preußen war und bis zum Jahre 1864 der einzige blieb. Ebenso beschreiben die Reiseführer durchs Ahrtal in überschwenglichen Worten dieses technische Wunderwerk, das „Kunstgewölbe von Altenahr“. Die Bedeutung des Tunnelbaues kommt auch darin zum Ausdruck, daß Karl Friedrich Schinkel, der Leiter des gesamten preußischen Bauwesens, einen Entwurf für den Felsdurchbruch schuf, und daß er, wie auch sein Schüler und Amtsnachfolger, August Stüler, Entwürfe für eine künstlerische Gestaltung der Tunnelportale anfertigte (vgl. hierzu Jahrbuch d. Kr. Ahrweiler 1938, S. 107 ff.). Die Entwürfe für die Portale kamen jedoch nicht zur Ausführung. Es blieb znächst beim reinen Felsstollen. Erst im Jahre 1867, als der Tunnel für den wachsenden Verkehr weiter ausgebaut und geringfügig verbreitert wurde, faßte man die Tunneleingänge in schlichte Bruchsteingewölbe, die in dieser Form bis zum Beginn der Bauarbeiten im November 1969 erhalten blieben. Der neue Straßentunnel, wie er in den Wintermonaten 1969/70 entstand, unterscheidet sich merklich von seinem Vorgänger. Geblieben ist zwar die gute Anpassung der Tunneleingänge an die felsige Umgebung, indem die Stützmauern und die Einfassungen der Portale durch den landschaftsgegebenen Bruchstein verblendet wurden.

Straßentunnel bei Altenahr
Foto: I. Görtz

Für den fließenden Verkehr steht aber jetzt im 11 m breiten Tunnel eine Fahrbahn von 7 m Breite zur Verfügung. Der Sicherheit der Fußgänger dient ein 2,50 m breiter Bürgersteig, der zusätzlich durch ein Geländer gegen die Fahrbahn abgesichert ist. Im neuen Tunnel ist aber nicht nur mehr Raum, er ist bedeutend heller geworden. Einmal ist dies eine Folge der größeren Öffnung, zum ändern bedingt durch die weiß gestrichene Betonwölbung. Der Verkehrssicherheit dient auch die Isolierung gegen Bergwasser, so daß die nassen und im „Winter eisglatten Gefahrenstellen auf der Fahrbahn im Tunnel der Vergangenheit angehören. Wenn auch die Verbreiterung des Tunnels nur als erster Schritt zur Verbesserung der Verkehrssituation im mittleren Ahrtal anzusehen ist, so haben die Erbauer doch ein gut in die Landschaft eingefügtes und dem modernen Verkehr entsprechendes Bauwerk errichtet. Dabei bleibt noch zu erwähnen, daß die Arbeiten unter ungünstigen Witterungsbedingungen während der Wintermonate und an einem schwierigen und unberechenbaren Fels so kurzfristig und termingerecht ausgeführt wurden. Blickt man zurück auf die rund 140 Jahre des Tunnels bei Altenahr, so scheint das Schicksal des Tunnels symptomatisch zu sein für den entscheidenden Wirtschaftsfaktor des Ahrtals, den Fremdenverkehr. Bei der Eröffnung des Tunnels im Jahre 1834 erkannte der Altenahrer Chronist schon richtig die Entwicklung, die sich für Altenahr aus der neu geschaffenen Verkehrsverbindung, zusammen mit der dem romantischen Zeitempfinden so verwandten Landschaft und dem Weinbau, abzeichnete, wenn er vermerkt: „Von diesem Jahr datiert sich in Altenahr der Fremdenverkehr.“

Wachsender Verkehr, vor allem der anwachsende Touristenstrom machten im Jahre 1867 den Ausbau des Tunnels notwendig, und auch im Jahre 1969 mußte der Tunnel den gestiegenen Anforderungen des Verkehrs angepaßt werden. Mögen weitere Verbesserungen für den Straßenverkehr folgen, damit sich auch der Fremdenverkehr weiterentwickeln kann und so die wirtschaftliche Lage der Bewohner des Ahrtals verbessert wird!