Der Rhein und seine sieben Sachen

Zur Mitarbeit am Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler sind stets auch Kinder und Jugendliche herzlich eingeladen. David Feldhaus, Schüler der 6. Klasse am Rheingymnasium Sinzig, hat den nachfolgend abgedruckten Beitrag für das Heimatjahrbuch im Anschluss an ein Projekt seiner Schulklasse verfasst. (Die Redaktion)

Da war wieder einer: Er hatte sich in einem Strauch verfangen. Ich liebe die bunten Farben und ich hasse die Haken, aber fürchtete sie nicht. Es war ein riskantes Manöver, doch ich habe es wieder mal geschafft, „Der Tag heute hat sich gelohnt“, dachte ich mir, denn ich sammle Schwimmer und alles was der Rhein so bringt.

Ihr habt euch sicher schon gefragt wer ich bin: Ich bin Kapitän Cook, eine ehemalige Schiffsratte. Genauso wie mein berühmter Namensvetter, James Cook, bin auch ich ein großer Abenteurer und Entdecker. Ich bin also schon viel herum gekommen, habe die ganze Welt gesehen und so manches Abenteuer erlebt, aber am Rhein ist es am schönsten. Hier kann ich immer auf Schatzsuche gehen, immer Neues entdecken. Am Rhein ist jeder Tag ein Abenteuer.

Der Rhein fließt über 1320 km von der Schweiz bis in die Nordsee. Mein Revier beginnt bei Rheinkilometer 623 in Bad Breisig und endet in Brohl. Hier bin ich täglich auf der Jagd nach den geheimnisvollen Schätzen des Rheins.

Ich schlage vor, wir machen eine kleine Tour. Wir wandern jetzt bis zum Brohler Hafen. Unterwegs verrate ich euch etwas über die „sieben Sachen“ des Rheines und manche spannende Geschichte. Kommt mit!

Wenn jemand seine sieben Sachen packt, dann bedeutet es, dass er das Wichtigste mitnimmt. Wenn der Rhein mit seinen sieben Sachen kommt, bringt er etwas mit:

Müll

Am Rhein wohnen viele Menschen und viele Menschen bedeuten viel Müll. Das sieht nicht sehr schön aus und ist für Mensch und Tier bestimmt auch nicht gesund, aber für Schatzsucher wie mich gehört er zum Geschäft. Klopfenden Herzens laufe ich täglich dort entlang, wo der Strom die letzten Sachen angespült hat. In Wellenform, die Wellenform heißt übrigens Spülsaum, zieht sich die Spur das ganze Ufer entlang.

Jetzt sind wir genau bei Rheinkilometer 623. Hier beginnt mein Revier. Neben mir ist eine große Mauer, auf der anderen Seite ein Steinstrand, der eigentlich zum Flussbett gehört. Wir huschen langsam über den Weg, damit uns die neugierigen Menschen und vor allem ihre Hunde nicht entdecken.

So, geschafft. Jetzt liegt der Müll vor uns und wartet nur noch darauf, dass wir hinein kriechen. Am Fluss liegen unzählig viele Dosen und Flaschen. Man findet Müll jeder Art: Bälle, Autoteile, Straßenpfosten, Fahrräder, Matratzen, Plastiktüten und oft sogar Fernseher. Zum Glück für uns Ratten findet man auch jede Menge leckere Essensreste wie zum Beispiel am 11.2.2001 drei Gefrierbeutel gefüllt mit leckerem Rindfleisch. Kann gar nicht verstehen, wie die Menschen so etwas Leckeres wegwerfen können.

Einmal hab ich versucht, den Rhein zu überqueren, da hätte mich um ein Haar ein defekter Kühlschrank erschlagen! Dabei hatte ich eindeutig Vorfahrt. Es ist unglaublich, was die dummen Menschen so alles in diesen schönen Fluss werfen! Am schlimmsten jedoch wird es, wenn Gefahrengüter wie Öl, Düngemittel oder andere giftige Chemikalien ins Wasser gelangen. Mein Freund der Kormoran weiß dazu eine interessante, leider wahre Geschichte, die der Vater seines Vaters noch von seinem Vater kennt.

Da sitzt er auch schon! Hätten wir uns denken können, dass er hier ist, denn auf den Dalmen nahe der Autofähre sitzt er immer. Ich werd ihn gleich mal fragen. Oh, wir haben Glück, er ist bereit uns die Geschichte zu erzählen:

„Feueralarm! In der Nacht zum 1. November 1986 steht bei der Firma Sandoz in Schweizerhalle bei Basel ein Lager mit rund 1300 Tonnen Agrarchemikalien in Flammen. Das Löschwasser ergießt sich in den Rhein und das Wasser färbt sich blutrot. Von dem gleichzeitig miteingeschwemmten Chemiecocktail werden ca. 10 Tonnen Pflanzenschutzmittel mit fließender Welle rheinabwärts getragen. Die Folgen: Insektenlarven und Kleinkrebse sterben, Tonnen toter Fische, vor allem Aale, werden an die Ufer gespült. Die Gewässerlebewelt ist bis zu 100 Stromkilometer abwärts massiv geschädigt, Auswirkungen des Unglücks sind bis zur Loreley zu regis-trieren.“

Na, war das nicht eine spannende Geschichte? Applaus für den Kormoran. Aber nun müssen wir weiter wandern, denn es gibt am Rhein nicht nur Müll, Dreck und Gift sondern auch viele wunderschöne Dinge.

Tiere

Man findet so manches Tier am Rhein. Den Kormoran habt ihr ja schon kennen gelernt. Am Rhein gibt es nicht nur viele Wasservögel, sondern auch andere Tiere.

Zum Beispiel die Wollhandkrabbe. Die kommt aus China! Nun fragt ihr euch bestimmt wie ein Tier aus China in den Rhein kommt. Das ist so: Dieser Krebs legt Eier, genauso wie andere Krustentiere. Die Wollhandkrabbe aber hat die Vorliebe, ihre Eier an Schiffsrümpfe zu legen. Stellt euch vor, ein Schiff an das ein Tier Eier gelegt hat, fährt zufällig den Rhein rauf. Die kleinen Krebschen werden größer und lassen das Schiff los. So kommt die Wollhandkrabbe in den Rhein. Zum Laichen, (zum Eier legen) wandern sie jedes Jahr zu Tausenden zurück ins Meer. Die Wollhandkrabbe lebt ursprünglich nicht am Rhein, sie gehört zu den Zuwanderern (Neozoen).

Bei Rheinkilometer 623 in Bad Breisig beginnt das Revier von Kapitän Cook.

Strukturelle Veränderungen erfährt besonders die Kleintierwelt des Rheins durch diese Neueinwanderer. 13% aller im Rhein lebenden Makrozoen (Kleintiere) gehören dieser Gruppe an. Diese aus biogeographisch oft weitentfernten Regionen stammenden Arten erweitern seit dem 18. Jahrhundert das Artenspektrum der Lebensgemeinschaften. Sie können sich z.B. ausbreiten durch:

– passive Verschleppung durch Schiffe und Vögel,

– aktive Einwanderung über Küsten und Kanalsysteme

– Aussetzung durch den Menschen

– Treibgut.

Wie man an den Zahlen sieht, ist der Rhein ein bekanntes Ausflugsziel für „Touristen“ aus aller Herren Ländern. Insgesamt hat sich seit der Jahrhundertwende die Zahl der Neozoen etwa vervierfacht.

Es gibt nicht nur Einwanderer am Rhein, sondern natürlich auch heimische Tierarten. Ich habe sogar den Schädel von einem ertrunkenen Wildschwein in meinem Nest. Eines morgens, nach dem Hochwasser, sah ich ein totes Wildschwein am Strand liegen. Einige Wochen danach hatte jemand den Kadaver vergraben. Lange später hat ein Kaninchen an besagter Stelle einen Bau angelegt. Als Ratte bin ich ja ziemlich neugierig und besuchte diese Stelle abermals. Ich kam näher und erschrak: Plötzlich grinste mich aus dem Loch ein Schädel an! Ich grub ihn aus und nahm ihn mit, denn das war wirklich etwas Besonderes. Ich finde oft tote Tiere am Rhein, normalerweise vor allem Fische und Krabben. Daneben Schwäne, Hasen, die verschiedensten Vögel, einmal sogar einen Fuchs und leider auch tote Ratten.

Ich träume schon lange davon, einmal etwas Prähistorisches zu finden. Zum Beispiel die Backenzähne eines Waldelefanten oder gar versteinerten Nilpferdkot. Das wäre was! Ihr glaubt nicht, dass es hier Nilpferde und Elefanten gab? Oh doch, die gab es hier! Sogar Tapire, Nashörner, Krokodile und dreizehige Pferde.

Jetzt gibt es hauptsächlich Fische. Seit einiger Zeit sogar wieder Lachse. Zu den ganz großen Rheinfischen gehören die Graskarpfen und Welse. Da werden auch Angler angelockt. Gut 28000 frönen derzeit am Rhein dieser Leidenschaft. Merkwürdig find ich nur, dass an den Angelplätzen recht häufig das Papier von gefrorenem Lachsfilet liegt. Vielleicht dient es ja für den Notfall, wenn der Angler mal wieder gar kein Glück hatte?

Oh, ich sehe da kommt gerade ein riesengroßes Tier angeschwommen. Ist das ein Fisch? Ich finde das sieht eher aus wie ein Wal. „Hey, du da, bist du etwa ein Wal?“

„Oh, nein ich bin kein Wal, nur ein uralter Karpfen. Aber es gab tatsächlich einen Wal im Rhein, einen weißen Wal! Er kam aus der Nordsee und ist bis hinauf zum Mittelrhein geschwommen. Sogar bei uns wurde er gesichtet. Wäre er weiter rheinaufwärts geschwommen, so hätte dies seinen sicheren Tod bedeutet. Zum Glück kam ihm plötzlich der rettende Gedanke und er schwamm schließlich wieder zurück in Richtung Meer.“

Also ein richtiger kleiner Moby Dick! Was du alles weißt! War das nicht klasse? Schade, dass der Karpfen schon wieder weiter musste.

Jetzt mal zu den kleinen Fischen: Wenn die Schiffe mächtige Wellen machen, kommt es oft vor, dass welche von den kleineren Fischen an Land geschleudert werden. Ein paar hab ich schon gerettet, denn ich kann es nicht mit ansehen wie die hilflosen kleinen Fischchen da liegen und zappeln und entweder vertrocknen oder einem Vogel zum Opfer fallen.

Auch Insekten gibt es am Rhein. Sie hatten beträchtliche Einbußen festzustellen. Von Anfang des Jahrhunderts über 100 nachgewiesenen Insektenarten blieben 1971 nur noch 5 übrig. Heute gibt es zum Glück wieder mehr! Besonders erfreulich ist, dass einige der in den „Roten Listen“ lange Zeit als „verschollen“ geglaubten typischen „Rhein-Arten“ inzwischen erfolgreich zurück gekehrt sind. Ein Anfang der 90er Jahre recht überraschendes doch nicht weniger positives Beispiel hierfür ist die „Augustfliege“ Ephron virgo.

In der Geschichte mit dem Wildschwein ist euch bestimmt aufgefallen, dass das Tier, um das es sich dreht, bei einem Hochwasser ums Leben gekommen ist. Wisst ihr, was bei einem richtigen Hochwasser noch alles passiert? Nein? Dann spitzt die Ohren, denn jetzt wird’s interessant.

Hochwasser

Das Hochwasser! Schon beim Gedanken daran freue ich mich. Dann kommen mich nämlich meine Verwandten, die Kanalratten besuchen. Sie kriechen aus allen Ecken und Winkeln und von überall her. Da machen wir jedes Jahr ein großes Familientreffen und schwimmen gemütlich in die überfluteten Keller der Häuser, die zu nah am Ufer gebaut worden sind.

Das Beste am Hochwasser ist, dass die Sachen am Rhein einmal gründlich durchgemischt werden.

Außerdem bringt das Wasser nun viele neue Dinge und nimmt Alte mit. Jetzt macht das Suchen erst richtig Spaß!

Das höchste Hochwasser war 1993 am 23. Dezember beim Pegel Andernach mit 10,51 Metern. Die B9 war damals etwa 80 Zentimeter überflutet. Die Feuerwehr brachte manche Menschen in kleinen Booten aus ihren Häusern zum Einkaufen oder wo sie sonst hin mussten. Besonders schlecht sieht es dann auch immer für die Leute aus, die ihre Lokale am Ufer haben. Da heißt es: Leer räumen! „Der Strom macht viel Arbeit. Vor allem bei Hochwasser, denn wir sind auch für die Ufer zuständig“, so Erich Melcher vom Wasser- und Schiff-fahrtsamt in Bingen (kurz WSA).

Das WSA sorgt dafür, dass der Fluss das ganze Jahr über schiffbar ist. Mit den zwei Einsatzschiffen und auf vier Rädern werden der Rhein und seine Ufer von Urmitz bis Nonnenwerth mit den dazu gehörenden Inseln betreut. Ob angeschwemmtes Treibgut oder umgestürzte Bäume an Land, abgerissene Tonnen und Bojen oder in der Fahrrinne verloren gegangene Anker – die Aufgabenpalette ist groß.

Übrigens, nach dem Hochwasser kann man gut Flaschen-posten finden!

Flaschenposten

Geheime Nachrichten, Hilferufe oder Abschiedsgrüße – kaum zu glauben, was schon alles in einer Flasche geschwommen ist. Doch niemand weiß, wann, wo und bei wem die Botschaft ankommt.

Das ist eben das Spannende an einer Flaschenpost: Man weiß vorher nie, ob und wann, wo und vom wem sie gefunden wird. „Eine Flaschenpost kann theoretisch zehnmal die Erde umrunden, ohne entdeckt zu werden“, sagt der Hamburger Meteorologe Günter Heise. An seinem Arbeitsplatz im Bundesamt für Seeschifffahrt finden sich über 600 Flaschenbriefe! Wahrscheinlich ist das die größte Sammlung der Welt. Diese Flaschenposten wurden zwischen 1864 und 1936 im Auftrag der Deutschen Seewarte von Schiffen auf allen Weltmeeren ausgesetzt. So wollten die Forscher etwas über den Verlauf von Meeres-Strömungen erfahren.

Inhalt einer Flaschenpost aus dem Rhein

Hättet ihr gedacht, dass es jede Menge Menschen gibt, die Flaschenposten in die Strömung des Rheins werfen?

Und ich finde sie dann! Ganz so viele wie das Bundesamt für Seeschifffahrt hab ich zwar noch nicht, aber doch schon einige. Ich schätze, es sind mindestens hundert. Ich lese euch ein wenig daraus vor:

1. Hilfe, wir sind in eine große, alte Werkstatt verschleppt worden!

2. Bis in 2 Jahren!

3. Hallo ihr, wir waren hier!! Du nicht!! So bis bald.

4. Hallo, Ich bin eine Flaschenpost. Mein Startpunkt: xxxxxx

5. Lieber XXX, Ich liebe dich. Liebst du mich auch?

Ja Nein

Holz

Treibholz in jeder Größe – vom Ästchen bis zum ausgewachsenen Baum – wird vom Rhein transportiert, in unterschiedlichstem Zustand und oft in vielen Etappen. Es bietet einer Fülle kleiner Tiere Zuflucht, Nahrung und Lebensraum.

Habt ihr eigentlich gemerkt, wie lange wir schon unterwegs sind? Da schwimmt ein Stück Holz vorbei. Ich schlage vor, dass wir uns einfach ein bisschen treiben lassen. Manchmal ist es eben ganz gut ein Brett vor dem Kopf zu haben.

Man findet nicht nur Bretter und Balken, sondern jede Menge Holzsachen. Vier Vogelhäuser hab ich schon aus dem Rhein. Das Holz sieht oft wunderschön aus, weil es durch das Wasser wunderbar glatt geworden ist. Manches sieht aus wie merkwürdige Figuren aus einem Zauberwald.

Ich habe auch Ruder im Rhein gefunden. – Bum, Krach! Plötzlich lieg ich im Wasser! Was ist passiert? Ich bin mit irgend etwas zusammen gestoßen. Jetzt sehe ich es auch: Mein Holzbrett ist gegen ein riesiges Fass gefahren. Oder das Fass gegen das Holzbrett? Na egal, auf jeden Fall stinkt dieses Fass ganz ekelhaft nach Benzin. Schade, dass kein Wein drin ist. Da ist nämlich einmal etwas Lustiges passiert:

Selbst ein Fernseher landete im Rhein.

Schiffsunfälle infolge Sturm, Kollision, Strandung, Feuer oder menschlichen Versagens forderten in der Mehrzahl Menschenleben. Ein Unglück auf dem Rhein aber, hatte einen guten Ausgang:

Es war der 5. Juli 1926. An diesem Tag wurde der Moselkahn IN NOMINE DEI mit einer Ladung Moselwein von etwa hundert Fässern und zahlreichen Kisten mit Flaschenwein von Koblenz nach Köln auf die Reise geschickt. Oberhalb der Südbrücke ließ der Kahnführer den Anker fallen, die Ankerkette riss, der Kahn trieb quer vor einen Brückenpfeiler. Er brach in der Mitte, kenterte und übergab seine wertvolle Ladung dem Rhein. Jetzt ging es los: Jeder, der einen Kahn zur Verfügung hatte, ruderte um Weinkisten zu fischen. Die großen Fässer, die nicht untergehen konnten, wurden mit Gewalt an Land gebracht, geöffnet und gleich an Ort und Stelle Weinschenken eingerichtet. Die Menschen versammelten sich schnell. Sie feierten und tranken so viel sie nur konnten.

Wollt ihr mehr über Schiffe erfahren?

Schifffahrt

Die Schlepper damals waren ja ganz schön, aber was heute alles über den Rhein durch die Gegend schippert ist auch nicht ohne. Die Fähre, die auf unserer Strecke die Autos über den Rhein bringt, ist zum Beispiel super modern ausgestattet: Sie besitzt keine Schraube, sondern vier Düsen. An jeder Ecke eine. Mit denen saugt das Schiff das Wasser an, um es gleich wieder mit einem Düsenstrahl abzustoßen. Wenn ihr genau hinschaut, könnt ihr sehen, dass es, wenn die Fähre startet, immer blubbert.

Die meisten Schiffe allerdings haben noch ganz normale Schrauben. Bevor eine völlig neue Antriebsart für Schiffe in Gebrauch kam, war die Schiff-fahrt auf Wind, Strömung sowie menschliche und tierische Kraft angewiesen.

In der Binnenschifffahrt ließ man die Schiffe stromabwärts mit der Strömung treiben, während auf der Bergfahrt auf Menschenkraft und Zugtiere zurück gegriffen werden musste. Hierbei wurden die Schiffe mittels eines am Mast befestigten Seiles flussaufwärts geschleppt. Das erste Dampfschiff auf dem Rhein wurde 1816 in Köln registriert. Auf dem Rhein entwickelte sich die Dampfschifffahrt nur zögerlich. Trotzdem behielt die Schifffahrt auf dem Rhein wegen der günstigen Bedingungen auch nach dem Aufkommen der Eisenbahn im 19. Jahrhundert ihre Bedeutung und bestreitet heute einen nicht wegzudenkenden Anteil am Transportgeschehen. Ein moderner Schubverband kann zum Beispiel 150000 Tonnen transportieren, wozu sonst 600 Eisenbahnwaggons nötig wären.

Heute ist der Rhein die verkehrsreichste Binnenschifffahrtsstraße Europas! Etwa 65000 Güterschiffe fahren jährlich an meinem Revier vorbei. Dazu kommt im Sommer der rege Fahrgastschiffsverkehr. Unter einem Kiel müssen nur 20 bis 30 Zentimeter Flottwasser liegen. – Oh, was ist denn da vorne los? Dort stehen ganz viele Leute und gucken auf den Rhein. Ein Mann zeigt auf einen großen Umriss im Wasser. Schnell, da laufen wir hin! Leider ist es noch vor der Autofähre, d.h, wir müssen ein Stück zurück. Puh, geschafft. Aber wo fährt denn die Fähre hin? Und was kommt da Fieses aus dem Rhein gekrochen? Ob das ein Seeungeheuer ist? Oder gar „Vater Rhein“ persönlich? Mal vorsichtig nähern, um festzustellen, ob es feindselige Absichten hat oder nicht. Aber, dass ist ja ein Junge, ungefähr 15 Jahre alt. Und da, da kommt noch einer angeschwommen! Was machen zwei Jungen angezogen mitten im Rhein? Da kommt die Fähre wieder. Sie treibt ein großes Ruderboot vor sich her. Das Boot scheint umgekippt zu sein. Noch eins landet gerade am Strand. Ein Junge steigt aus und ich höre, wie er einem Mann sagt: „Unser Boot ist umgekippt. Wir wollten auf die andere Seite fahren, plötzlich kam eine Riesenwelle. Die ist dann in unser Boot geschwappt und das ist dann umgekippt!“ Die haben aber noch mal Glück gehabt! Zwar sind viele schöne Sachen weg, doch wenigstens ist niemand ernsthaft verletzt.

Da war es früher gefährlicher: Seht ihr die Burg, die dort oben auf dem Berg steht? Da hat vor 700 Jahren ein gefährlicher Kerl, Johann IV., Schrecken der Landstraße und des Rheinstromes, gehaust. Mancher Reisende und Kaufmann schmachtete im Verlies der Burg Rheineck. Hier kam kein Schiff durch, wenn die lange Eisenkette durch die Fahrrinne gespannt war.

Das ist natürlich etwas ganz Besonderes. Und es gibt noch einige Besonderheiten am Rhein zu entdecken:

Besonderheiten

An der Fähre sind wir jetzt lange genug gewesen. Auf zum Brohler Hafen!

Platsch! – Ein erfrischendes Bad am Nachmittag tut richtig gut. Das kleine Bächlein hier, der Vinxtbach, fließt auch in den Rhein. Könnt ihr euch vorstellen, dass er mal Grenze zwischen Ober- und Niedergermanien gewesen ist? – Einmal kräftig schütteln und es kann weitergehen. Ich muss nur immer aufpassen, dass mich keine freche Krabbe in den Schwanz zwickt. Davon wimmelt es hier nämlich.

Vor allem wimmelt es auf unserem ganzen Weg von Treibgut. Wusstet ihr, dass das Strandgut aber nicht nur spannend zu durchforschen ist, sondern auch Lebensraum für die verschiedensten Tiere? Ich spreche von „Genist“. Genist ist nestartig verflochtenes Material. Mitunter wird bei Hochwasser besonders viel Genist an die Ufer getrieben. Aber die Entstehung von Genist hängt nicht unbedingt mit Hochwasser zusammen. „Genist“ hört sich ähnlich an wie „Nest“. Es hört sich nicht nur so an, in ihm können wirklich kleine Vögel, z.B. Finken oder Meisen nisten. Geniste bestehen aus Samen und Früchten, Blättern, Halmen, Totholz, Müll, Wurzeln, Ästen und ganzen Stämmen von entwurzelten oder zusammengebrochenen Bäumen, lebenden und toten Pflanzen, Bakterien und Pilzen in den verschiedensten Entwicklungsstadien. Treibgut und Genist werden meist gedankenlos oder mangels Hintergrundwissen beseitigt, verbrannt oder als „Müll“ abgefahren – Millionen von Lebewesen mit ihnen!

Oh, da drüben kommt schon der Brohler Hafen in Sicht. Nur noch über den schmalen Weg gehen, dann sind wir auch schon da. Schaut euch mal diese riesigen Anker an! Ob ihrs glaubt oder nicht, aber die sind alle hier im Rhein gefunden.

Oh, was liegt denn da vorne? Das muss ich mir näher ansehen.

Tschüüüüüüüüüs!

Literatur/Quellen

– General-Anzeiger (GA) vom 27.3.2000, S.6.

– Der Rhein gestern, heute, morgen 1947 bis 1997, hrsg. v. Ministerium für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz, Mainz 1997.

– Broschüre „Wasser- u. Schifffahrtsamt Bingen“ (s. Anhang).

– Interview mit Herrn Erich Melcher (bis vor kurzem Leiter des WSA), selbst geführt am 21.2.2001.

– Josef Dollhoff, Rheinschifffahrt : Ausflüge in die Geschichte des großem Stromes, Hamburg: Koehler 1999.

– GA vom 2.7. / 28.11.1997, S.49.

– GA vom 14.11.2000, S. 15.

– GA vom 27.10. 1997, S. 9.

– Erdgeschichte im Rheinland: Fossilien und Gesteine aus 400 Millionen Jahren, hrsg. v. Wighart v. Koenigswald u. Wilhelm Meyer, München: Pfeil, 1994.

– 1. Engelhardt, „Weißer Wal am Rolandsbogen“, in: Das Tier Nr. 3, März 1978, S.68- 70.

– 0. Feldhaus, „Flaschenpost – wenn das Meer zum Briefträger wird“, in: GEOlino Nr.3 Juni/ Juli 1999 S.64-66.

– Heino Möhring, Sagen und Geschichten rund um die Burg Rheineck, Berlin: Möhring 1994.

– B. Gerken, H. Böttcher, F. Böwingloh, K. Dörfer, C. Leushacke-Schneider, A. Robinson u. M. Wienhöfer: „Treibgut und Genist – Landschaftsmüll oder Quelle und Antrieb dynamischer Lebensvorgänge in Auen?“,

http://www.hx.uni-paderborn.de/fb7/weser/Genist.htm, Uni Paderborn, März 1999.