Der Raum Holzweiler in vor- und frühgeschichtlicher Zeit
Der Raum Holzweiler in vor- und frühgeschichtlicher Zeit
Eine Anregung für eingehende wissenschaftlich-archäologische Untersuchungen
VON KARL HEINZ ALBRECHT
Eine Untersuchung über die vor- und frühgeschichtlichc Besiedlung in dem Quellgebiet des Swistbaches und der benachbarten Gemarkungen hat sich durch zahlreiche vor- und frühgeschichtliche Funde in diesem Gebiet angeboten. Immerhin wird es interessant sein, den Prozeß des Verschmelzen s von einheimischer Kultur und römischer Provinzialkultur an einigen Funden der frühen Kaiserzeit in unserem Gebiet zu beobachten. Aus den Fundsituationen lassen sich mancherlei Schlüsse ziehen. Auffallend ist bei den Fundberichten die Tatsache, daß sie aus Siedlungsfunden stammen, während sie aus Gräberfunden verhältnismäßig gering herrühren.
Bei dem Versuch den Ablauf des Siedlungsvorganges darzustellen, erscheint es erforderlich, zunächst die natürlichen Grundlagen der Landschaft zu betrachten.
Wir wissen, daß die „Grafschaft“ zu den fruchtbarsten Gebieten des Ahrkreises gehört. Unser Beobachtungsraum weist im ostwärtigen Teil sehr gute bis gute Lößlehmböden auf, während im westlichen Teil schon ein erheblicher Anteil an wohl z. T. tiefgründigen fossilen Verwitterungsböden des Unterdevons — Siegener Stufe — nachweisbar ist.
Geologische Übersichtskarte
Foto: Hans-Jürgen Vollrath
Das rezente Verwitterungsmaterial gewinnt in Richtung Kalenborner Höhe mehr und mehr an Bedeutung, Eine geologische Übersichtskarte wird gewiß zum Verständnis des Beobachtungsgebietes der vor- und frühgeschichtlichen Besiedlung beitragen.
Neben einer geologischen Übersichtskarte ist es von besonderer Bedeutung auch die Verteilung der Nutzungsarten (Holzung, Wiese und Acker, sowie geringwertiges Hutungsland) „optisch“ zu erfassen. Diese Übersichtskarte soll auch gleichzeitig die ,,Funddichte“ erkennen lassen. Neben den im allgemeinen günstigen Bodenverhältnissen sind auch fraglos die klimatischen Bedingungen (Höhenlage, Temperatur, sowie Niederschlagsverhältnisse) ausschlaggebend für den Anreiz einer dauerhaften Besiedlung im 1. Jahrtausend v. Chr. gewesen. Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte ist unser Beobachtungsgebiet als durchaus günstig bis gut zu bezeichnen. Dank der günstigen klimatischen Verhältnisse hat man in unserem Gebiet die damals bekannten Kulturpflanzen wie zwei- und mehrzellige Gerste, Emmer, Einkorn, Dinkel, Zwergweizen, Hafer sowie Flachs und Buchweizen angebaut. Leider läßt sich nach den bisherigen Funden nichts über die Art und Weise des Ackerbaues aussagen. Es ist durchaus möglich, daß auch die Kultivierung von Apfel, Birne und Pflaume in den Anfängen bekannt waren. Gleichzeitig ist anzunehmen, daß Viehzucht betrieben wurde, doch sind die möglichen Formen der Weidewirtschaft unbekannt.
Aus dieser Sicht heraus sind die geringen sporadischen Funde aus neolithisch-bronzezeitlicher Epoche kein Hinweis darauf — oder nicht beweiskräftig genug — um. daraus auf eine Dauerbesiedlung schließen zu können. Gleichzeitig scheinen auch im Quellgebiet der Swist industrielle Ausbeutungen von Erzvorkommen unbekannt gewesen zu sein, während die Randgebiete der „Grafschaft“, die Gemarkungen Dernau, Altenahr und Nierendorf, wohl nachweisbare Schürfstellen von Erz (Blei, Zink und Eisen) aufweisen. So dürften in Nierendorf die sehr alten Erzstollen mit den bekanntlich auffallenden Schürfstollen im Gehölz oberhalb des Schachteinganges „Im Ariet“ schon einen Erzabbau in vorgeschichtlicher — zumindest in römischer Zeit gehabt haben. Bedeutungsvoll können für eine frühe Besiedlung die Tonvorkommen in Ringen, Lantershofen sowie Leimersdorf gewesen sein.
Doch hierfür liegen keine „greifbaren“ Beweise vor. Aus dem Fund großer Mengen von römischen Dachziegeln und Mauersteinen in einem eng begrenzten Raum bei Överich, läßt sich kein eindeutiger Schluß ziehen, daß hier eine Produktionsstätte — Ziegelei — bestanden hat. Eine weitere ähnliche Fundstelle in der Gemarkung Vettelhoven erlaubt ebenfalls keinen eindeutigen Schluß zu, daß hier „Ziegeleien“ in römischer Zeit gewesen sind. Die Vermutung liegt allerdings sehr nahe. Es darf natürlich nicht ausgeschlossen werden, daß in diesen westwärtigen Teilen des Beobachtungsgebietes — die waldreichen Gebiete — die Gewinnung der Holzkohle ein Industriefaktor gewesen ist. Beweise liegen für diese Annahme nicht vor.
Das Gerüst jeder Siedlungstätigkeit ist die Erschließung des Gebietes durch ein Straßen- und Verkehrsnetz. Das Relief der Landschaft ist dabei ausschlaggebend. Nach den Beobachtungen lassen die in der Übersichtskarte — die aus der Zeit der französischen Landvermessung 1808 bis 1820 stammt (sog. Tranchotkarten) —mit durchgehenden Strichen eingezeichneten Verbindungswege recht interessante Aufschlüsse zu. Diese Verbindungswege sollen eine Vorstellung davon geben, wie etwa eine Wege- und Straßenführung in der frühgeschichtlichen Zeit gewesen sein könnte. Absichtlich ist diese alte Übersichtskarte zur Anschauung gewählt.
Im Norden des Kartenausschnittes ist die große Heerstraße — Kaiserstraße — die von Jülich über Rheinbach an Eckendorf vorbei zur Ahr führt, die Hauptverbindung durch den Swistgau, die wohl in nachrömischer Zeit aus handelspolitischen und militärischen Gesichtspunkten ausgebaut worden ist. Dennoch ist es auffallend, daß die „Nebenstraßen“ von nicht geringerer Bedeutung für die Besiedlung des Swistgaues sind. Es darf schon jetzt erwähnt werden, daß gerade an zwei „Straßen“ auffallend zahlreiche neuere Siedlungsspuren entdeckt -werden konnten. Diese Straßen sind mit einer gestrichelten Linie versehen.
Foto: Hans-Jürgen Vollrath
Tranchote Karte
So hat eine Höhenstraße — aus dem Ahrtal kommend — oberhalb von Dernau die Bedeutung als Gemarkungsgrenze zwischen Holzweiler und den südlichen Gemarkungen Mayschoß und Altenahr.
Noch heute führt diese „Straße“ die Bezeichnung im Kataster „Römerstraße“. Dieser Straßenzug führt weiter über die Kalenborner Höhe in Richtung zur großen Heerstraße und ostwärts durch die Vettelhovener, Ringener und Ahrweiler Holzungen in das Ahrtal. Inwieweit diese ,,Höhenstraße“ schon in vorgeschichtlicher Zeit — also vorrömisch — von Bedeutung gewesen ist, läßt sich wohl vermuten, aber nach dem augenblicklichen Stand der Fundbeobachtungen nicht beweisen. Zumindest läßt die Fundstelle in der Nähe der Straße „Kreuznück Nr. 3″, in einem Hutungsgelände darauf schließen, daß dieser „Römerweg“ eine sehr alte Straße ist. In jüngster Zeit sind hier Bronzefragmente (Nägel bzw. Teil eines Beschlag-Stückes) gefunden worden. Ein fester Unterbau ist bei diesem Höhenweg bisher nicht erkannt. Vielleicht kann man hier der Ansicht sein, daß die Verkehrsverbindungen der Vorzeit im allgemeinen in Ausnützung der natürlichen Gegebenheiten angelegt sind. Diese Auffassung hat sich allgemein durchgesetzt. Eine weitere Straße, die von Nord nach Süd zur Ahr führt, kommt etwa aus dem Gelsdorfer Gehölz, überquert den heutigen Verbindungsweg Oberesch—Oberholzwciler und führt — schon allein aus der Geländeform heraus erkennbar — in Richtung Süden über den Bachlauf der Swist und findet Anschluß an die „Römerstraße“, die wir soeben näher beschrieben haben. Nach den jüngsten Beobachtungen ist an einer Stelle dieses Straßenzuges in einer Tiefe von 1,20 m unter der heutigen Oberfläche ein fester Unterbau aus regelmäßig verlegten Grauwackensteinen in einer Breite von 4,20 m erkannt. Durch fortlaufende Beobachtungen der vor- und frühgeschichtlichen Besiedlung dieses Gebietes an Hand der Funde — die ersten Beobachtungen konnten während der Bodenschätzung der Gemarkung Holzweiler im Jahre 1956 gemacht werden — lag es nahe, diese Siedlungsspuren in einem größeren Zusammenhang zu betrachten. Wesentliche Unterstützung in. dieser Hinsicht erfuhren die sehr klaren und eindeutigen Fundnachrichten, die Herr Werner Langen aus Niederesch während der Drainagearbeiten (1961) in der Gemarkung Holzweiler machen konnte.
Wenn es gerade in der letzten Zeit (1971/72) zu bemerkenswerten Fundnachrichten aus dem Kreisgebiet gekommen ist, so haben fraglos die Funde in Lohrsdorf eine recht bedeutende Stellung in der Gesamtbeurteilung der vor- und frühgeschichtlichen Besiedlung im Ahrgau erhalten. Gerade diese Beobachtungen haben die Veranlassung dazu gegeben, den bisher erkannten und neuen Siedlungsspuren im Raum Holzweiler eine besondere Studie zu widmen. Vielleicht sind aus der räumlichen Sicht heraus Rückschlüsse auf die „ersten Siedler“ und die Besiedlungsform zu ziehen. Die offiziellen Fundnachrichten aus dem Beobachtungsgebiet sind in dem Inventar der vor- und frühgeschichtlichen Denkmäler und Funde des Kreises Ahrweiler von Herrn Prof. Dr. Kleemann, Bonn entnommen. Die Funde sind inventarisiert. DieAufbewahrungsorte — soweit bekannt — vermerkt, so daß die bisher erfaßten Funde einwandfreie Zeugen der vor- und frühgeschichtlichen Besiedlung unseres Raumes sind. Wie schon erwähnt, lassen die geringen sporadischen Funde aus der jüngsten Steinzeit und älteren Bronzezeit (etwa 4000 v. Chr.) keine einwandfreien Hinweise auf eine seßhafte Besiedlung im Swistgau zu. Vielleicht läßt sich aus dem früheisenzeitlichen Gräberfeld bei Gelsdorf und den jüngsten bronzezeitlichen Funden aus dem Raum Holzweiler doch auf eine vorgeschichtliche Besiedlungsperiode des Swistgaues schließen. Im Gegensatz zu den einwandfreien Fundnachrichten aus der endneolithischen-frühbronzezeitlichen Siedlung in Bad Neuenahr (Steckenberg) oder aus Ahrweiler „Nördliches Heidloch“ und „An den Maaren“ — Eisenschmelzersiedlung — sind diese Nachrichten immerhin bedeutungsvoll für das Gebiet. Bei der Eisenschmelzersiedlung handelt es sich um zur Klärung bestimmter technischer und wirtschaftlicher Fragen der römerzeitlichen „Industriebestätigung“ zu kommen, während auf dem „Steckenberg“ ein Wohnplatz — ein Grabfeld Hegt hier in unmittelbarer Nähe — auf eine gewisse Dauerbesiedlung schließen läßt.
Die jüngere Bronzezeit und die vorrömische Eisenzeit lassen wenigstens an einigen markanten Fundstellen (Gräberfeld der jüngeren Urnenfelderkultur (9. bis 7. Jh. v. Chr.) in Reifferscheid erkennen, daß auch der gebirgige Teil besiedelt war. Die Hunsrück-Eifel-Kultur (4. bis 2./1. Jh. v. Chr.) läßt sich im Kreisgebiet wenigstens in dem recht unerforschten Platz Barweiler und in dem schon erwähnten Gräberfeld aus Gelsdorf nachweisen. Dieses Hallstatt-Latenezeitliche Gräberfeld wurde bei der Bodenschätzung 1956 entdeckt. Eine sehr gut restaurierte Urne von diesem Gräberfeld befindet sich im Ahrgaumuseum,Nachweise der jüngeren Hunsrück-Eifel-Kultur lassen sich in unserem Gebiet kaum nachweisen. Vielleicht weisen einige Keramikstücke aus Vettelhoven und die schon erwähnten jüngsten Bronzefunde aus dem Raum Holzweiler auf diesen Zeitabschnitt des Swistgaues hin. Es dürfte in diesem Zusammenhang noch zu erwähnen sein, daß in dem gebirgigen Teil (Dümpelfeld) vier römische Brandgräber der jüngeren Latenezeit (100 v. Chr. bis 20 n. Chr.) gefunden sind. So sind auch hier Siedlungsspuren aus vorgeschichtlicher Zeit erkannt. Die wesentliche Bedeutung unserer Betrachtung bezieht sich auf Funde, die bereits „offiziell“ bekannt sind. Eine Übersicht über die Funde ist, wie schon erwähnt, dem Inventarverzeichnis entnommen (Stand 1968).
Foto: Kreisbildstelle
Frühsteinzeitliche Urne
Die mit arabischen Zahlen versehenen Fundstellen sind identisch mit der Fundübersicht nach dem Katalog von Herrn Prof. Dr. Kleemann, Bonn.
Holzweiler
1. Beim Hausbau am NO-Ende des Dorfes wurde 1954 ein quarzitisches Feuersteinbeil gefunden (Auszug).
2. Beim Abbruch der alten Pfarrkirche im Jahre 1898 wurden nach hartnäckiger Überlieferung römische Funde gemacht. Zusatz: ,,Beim Neubau der Pfarrkirche um die Jahrhundertwende, sowie beim Festigen der Fundamente der Kirche in den Jahren 1965/66 wurden Funde aus römischer Zeit gemacht.“ (Langen)
3. Kreuznück: In einem Walde in der SW-Ecke der Gemarkung wurden 1891 in einem Hügel 7 römische Gräber, Steinplatten- und Ziegelkisten sowie einfache Erdgräber entdeckt. (Fundaufbewahrung: Landesmuseum Bonn.)
4. SW vom Dorfausgang wurden 1960 Mauerzüge entdeckt.
5. Schild: Am Wege nach Dernau liegen Fundamentreste eines früheren Hofes, der im März 1969 auf das 17. bis 18. Jahrhundert zu datieren war. Neuere Beobachtungen haben einwandfrei römische Funde gebracht (siehe Aufnahme!).
6. Auf dem Hang O von heutiger Ortsmitte und dem Swistbach, 100 S der alten Kapelle und weiter S wurde um 1900 ein fränkisches Gräberfeld entdeckt und dabei „Töpfe, Knochen und eiserne Warfen, besonders Speere“ herausgeholt.
7. Knapp 1 km NW vom Ort wurde 1961 bei Drainagearbeiten ein römisches Ziegelgrab entdeckt. Vom Inhalt sind Scherben, der Rest eines beineren Messergriffes, verkohlte Getreidekömer erhalten. Ergänzung: größere Gefäßscherben (siehe Aufnahme).
8. S des Ortsteils Niederesch wurden im Februar 1968 am Kopf des Bachlaufes einige römische Altsachen: Randscherb eines Doliums, Rest eines vergoldeten Beschlagstückes gefunden.
Vettelhoven
Fundort unbekannt: ein graues, schön geglättetes Steinbeil mit Hohlschliff.
Ringen
1. (Nur Auszug.) Hambachhof — hier wird irrtümlich Ringen als Fundgemarkung angegeben. Der Hambacher Hof befindet sich in der Gemarkung Vettelhoven.
2. (Nur Auszug.) Römische Siedlung und Bronzefigur — am SW-Rande des Dorfteiles Bölingen.
3. (Nur Auszug.) In der Nähe des geplanten Bahnhofes der Liblarer demontierten Bahnstrecke: Teile eines großen römischen Doliums und zwei Feuersteinabschläge.
Gelsdorf
1. 1 km vom Ort liegt auf und an der alten Eisenbahnstrecke ein großes hallsteinzeitliches Urnengräberfeld. 1956 bei der Boden Schätzung weitere Gräber gefunden. (Funde im Ahrgaumuseum.)
2. (Nur Auszug.) 1863 wurden am SW-Ausgang des Dorfes zwei geformte Steinsarkophage aus Tuffstein gefunden.
3. Im Vogelsang — im S-Teil der Gemarkung wurden in den 30er Jahren Scherben und Ziegel gefunden.
4. Im Rothenbusch — SW-Teil der Gemarkung — wurden 1925 Mauern entdeckt.
5. Liegewiese — SW vom Ort an der Grenze wurden 1870 Mauerreste, Ziegel und Scherben ausgegraben.
Dernau
Tempelchen (nur Auszug) in unmittelbarer Nähe des HP 272 liegt ein römisches Gräberfeld.
Kalenborn
Keine Fundmeldung.
Die aufgeführten offiziellen Fundnachrichten sind im Vergleich zu den tatsächlichen nachweisbaren Siedlungsspuren im Swistgau gering. Zunächst stellen wir fest:
In end-neolithischer Zeit (um 4000 v. Chr.) haben sich Spuren einer Besiedlung im Swistgau — wenn auch nur sporadisch — gezeigt. Die jüngere Hunsrück-Eifel-Kultur (Hallstatt-Latänezeit 480 bis 150 v, Chr.) wird durch das Gräberfeld in Gelsdorf erstmals in unserem Beobachtungsgebiet „greifbar“. Die römische Zeit weist eine Reihe von Furidbeobachtungen auf.
Die fränkische Zeit — merowingisch bis spätfränkisch -— ist bisher im Swistgau spärlich nachweisbar. Vermutlich lassen sich aus spät-fränkischer Zeit noch bei genauerer Fundbeobachtung ,,Beweise“ für diese Siedlungsperiode bringen.
Unbeachtet der vor- und frühgeschichtlichen Funde, die bisher bekannt waren, lassen neuere Fundbeobachtungen einen weit größeren Fundreichtum — besonders aus römischer Zeit erkennen, als zu vermuten war. Fast alle wirklich aussagekräftigen Funde, wenn auch nur Fragmente von Randscherben oder größere zusammenhängende Teilstücke (Bodenstück mit aufstehenden Wandungen) sowie mehr oder minder größere Ziegelreste (Dachziegel) sind von fachlicher Seite her als stichhaltige Beweise einer sehr lebhaften Siedlungstätigkeit im Swistgau beurteilt worden.
Es muß besonders erwähnt werden, daß es sich bei den Beobachtungen nicht um „Streufunde“ handelt, die durch gelegentliche Feldarbeiten auf den Acker gekommen sind, sondern die Fundstellen sind nur im Zusammenhang mit erkannten Fundamentresten — also Siedlungen — zu werten.
Die Übersichtskarte mit sinnvollen, groben Vereinfachungen ist nach der Tranchotkarte von 1808 bis 1820 gezeichnet (Maßstab l : 20 000) und erlaubt durch die eingezeichneten Siedlungsstellen schon rein optisch den Eindruck, daß der Swistgau sehr stark besiedelt war. Auf eine weitere Nummerierung der Siedlungsplätze ist wegen der Übersichtlichkeit der Karte verzichtet worden.
So haben sich seit der letzten offiziellen Fundübersicht von 1968 in Holzweiler 14, in Gelsdorf 3, in Ringen l und in Vettelhoven 8 neuere Fundstellen feststellen lassen. Eine auffallende Tatsache läßt sich aus der Übersichtskarte erkennen. Besonders in den als bodenmäßig geringwertig zu beurteilenden Gemarkungsteilen von Holzweiler häufen sich, gerade hier die Fundbeobachtungen, während in den heutigen „offenen.“ Fluren mit hervorragenden Lößlehmgebieten verhältnismäßig weniger neuere Siedlungsspuren nachzuweisen sind. Als „neue Fundstellen“ sind z. T. in dem Lößgebiet die leider durch den Autobahnbau A 14 zerstörte größere römische Hofanlage (No. II) in der Gemarkung Ringen zu erwähnen, die mit einer bisher ebenfalls nicht bekannten Fundstelle in Zusammenhang stehen könnte. In der Nähe des ,,Heiligen-Häuschens“ sind Keramikreste sowie Ziegelbruchstücke und eine Münze (Kaiser Konstantin) in etwa 60 cm Tiefe entdeckt. Hier wurden auch Knochenreste und Brandspuren beobachtet. Vermutliches Gräberfeld.
Eine sehr aufschlußreiche Beobachtung konnte im Herbst 1971 beiderseits der Straße Vettelhoven—Hekendorf (No. III) gemacht werden. Die vielseitige Keramik u. a. aus Terra Sigillata — Randstücke aus sehr hart gebranntem bräunlichen Ton — läßt vermuten, daß wir es hier evtl. mit Keramik aus der Hallstatt-Latenezeit zu tun haben.
Diese Hofstelle weist zahlreiche Fundamentreste aus Bruchsteinen auf. Auch ist hier ein Brunnen vorhanden. Die genaue Fundbeobachtung verspricht für die Zukunft noch interessante Einzelheiten von dieser Anlage. Weiterhin ist in der Gemarkung Vettelhoven eine größere Fundstelle von Ziegeln- und Keramikresten. „An der Stenistraße“ erkannt. Leider ist auch diese Fundstelle dem Neubau der Autobahn A 14 z. T. zum Opfer gefallen.
Wichtig erscheint mir aber jetzt die Deutung der „neuen“ Beobachtungen in der Gemarkung Holzweiler. Wie schon erwähnt, haben an zwei auffallenden „Straßen“ neuere Beobachtungen zu interessanten Feststellungen geführt, 15er Gräberfund — römisches Ziegelgrab — wurde 1961 bei den Drainagearbeiten entdeckt. Durch zahlreiche neuere Funde von Keramikbruchstücken (Randstücke zahlreicher verschiedener Gefäße, sowie größere Bruchstücke von Urnen und Scherben von terra sigillata) wird diese Fundstelle als ein römisches Gräberfeld zu werten sein. Nach den Beobachtungen von Herrn Langen sind hier zahlreiche Gräber bei den Drainagearbeiten zerstört.
Unweit dieses Gräberfeldes ist eine römische Hofstelle aufgrund der zahlreichen Oberflächenfunde und der immer wieder bei den Pflugarbeiten auftretenden Widerstände durch vorhandene Fundamente festzustellen. Hier scheint ein Zusammenhang mit dem erkannten Gräberfeld zu bestehen. Besonders bemerkenswert ist es, daß diese beiden Fundstellen in der Nähe einer größeren Straße liegen. Gerade diese Verbindungsstraße, die etwa 500 m südlich von der soeben beobachteten Hofstelle entfernt, ein „gepflastertes Straßenstück“ von 4,20 m Breite hat erkennen lassen, läßt vermuten, daß dieser Gemarkungsteil für die Anlage eines größeren Hofes eines römischen Gutshofes – aus der damaligen Sicht heraus — günstig lag. Bei einer genaueren Beobachtung der festgestellten Siedlungsspuren — gerade in diesem Raum an der Straße von Nord nach Süd — fallen die in fast regelmäßiger Entfernung angelegten Höfe auf. Fraglos hat es sich hier um römische Gutshöfe gehandelt. Immerhin wäre es interessant, sich die Anlage eines römischen Gutshofes zu veranschaulichen.
Es handelt sich um recht umfangreiche Wirtschaftseinheiten, deren Typus seit langem feststeht. Um ein Hauptgebäude, das Herrenhaus, gruppieren sich die Unterkünfte für das Gesinde, Ställe und Scheunen. Oft wird das Ganze durch eine Mauer eingefriedet, wie wir es bei der großen Anlage in Dedenbach erkannt haben. Die Anlage liegt meist an den der Sonnenseite zugewandten Hängen. Die Lage des Herrenhauses ist in der Regel in der Hanglage so angeordnet, daß man von ihm aus den übrigen Hofbereich und das umliegende Gelände überblicken kann. Das Hauptgebäude ist vom zweiten Drittel des 1. Jahrhunderts ausnahmslos, die Nebengebäude sind meist in der von den Römern ins Land gebrachten Steinbautechnik errichtet.
Foto: Kreisbildstelle
Römische Keramik
Die Dächer sind mit Ziegeln gedeckt. Es herrscht in diesen Gutshöfen schon eine beachtliche Wohnkultur — Warmluftheizung, Badeanlagen oder sogar schon Räume mit Mosaikfußböden sind keine Seltenheit. Die Herrn dieser ländlichen Bauernhöfe sind keineswegs ausgediente Militärs (Veteranen). Vielleicht sind es Neureiche gewesen, die die all gemeine Lage zu nutzen wußten. Jedenfalls tritt hier ein Wohlstand der einheimischen Bevölkerung auf — der germanischen Ubier oder vielleicht noch Eburonen, die ja bekanntlich einem unbarmherzigen Ausrottungsdrang Cäsars zum Opfer gefallen sind. So mögen auch mit den rechtsrheinischen Ubiern germanische Sitten und Gebräuche in unserem Lande vielleicht Fuß gefaßt haben. Derartige Gutshöfe sind nun in der Gemarkung Holzweiler an verschiedenen Stellen vorhanden. Die räumliche Entfernung der erkannten Hofstellen beträgt 400 bis 600 m voneinander, so daß auf eine Wirtschaftsfläche von 250 Morgen dieser Höfe zu schließen ist.
Ein weit anders gearteter Charakter der Siedlungsspuren läßt sich in dem Gebiet vermuten, das fraglos — ackerbaulich gesehen — weit ungünstigere Verhältnisse aufweist, als die soeben beschriebenen Siedlungsspuren an der Nord-Süd-Straße aufweisen konnten. Die schon erwähnte „Römerstraße“ oberhalb von Dernau-Mayschoß und Altenahr führt an auffallend kleinen Siedlungen vorbei, die nicht mehr den Charakter eines Gutshofes aufweisen. Allein schon die „Römerstraße“ die heute noch den Katasternamen Römerstraße führt, weist zunächst am Beginn den Charakter eines Hohlweges auf, der bereits schon Spuren von Ziegeln und Nägeln (römisch) auf weist. Aber unmittelbar neben diesem Wege sind — fast möchte man sagen villenartige — Anlagen zu erkennen, die schon einen beträchtlichen Wohlstand aufweisen. So scheint dieser „Höhenweg“ schon in vorgeschichtlicher Zeit eine nicht verkennbare Bedeutung gehabt zu haben. Dieser Straßenzug führt über die Kalenborner Höhe. Hier sind auch in jüngster Zeit bei Fundamentierungsarbeiten römische Ziegel geborgen worden.
Es muß auch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß die beiden Einzelhöfe Alteheck und Mönchscher Hof — römische Siedlungen gewesen sind, da bei beiden Höfen während der Drainagearbeiten römische Fundamente und Ziegel beobachtet worden sind. Gleichfalls ist ein Brunnen unweit der Siedlung Alteheck bekannt. Ebenso interessant ist eine „neue“ Fundstelle südlich des Hauses Schöneberg. Tn der Flur etwa 500 Meter südlich vorn Haus Schöneberg sind auffallend zahlreiche Ziegelreste römischen Ursprungs, sowie typische Keramik geborgen. Unweit dieser Siedlungsstelle ist ebenfalls ein Brunnen. Nach jüngsten Beobachtungen sind aus dem „Brunnen“ in l m Tiefe zahlreiche fast gleichmäßig dunkle grobe Keramikbruchstücke geborgen. Es sind aber fraglos Scherben aus verschiedenen Gefäßen gewesen.
Die zahlreichen Hinweise auf neuere Siedlungsspuren im Raum Holzweiler — ohne im einzelnen noch auf die neueren Siedlungsspuren in Gelsdorf und im Vettelhovener Holzrevier einzugehen — lassen die Vermutung aufkommen, daß eine gewisse Systematik in der Anlage der Siedlungsplätze zu erkennen ist.
So mögen diese Ausführungen den Zustand der Besiedlung und Bodennutzung in unserem Beobachtungsgebiet während der Zeit von 100 bis 250 n. Chr. recht gut verdeutlichen. Aus der ziemlich dichten Streuung der Hofstellen ist die Annahme durchaus berechtigt, daß eine abgeschlossene Land Vermessung und Landzuteilung im Swistgau durchgeführt war. Die Verdichtung der Besiedlung bezeugt am eindringlichsten den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes unter der römischen Herrschaft.