Der Luftwaffenübungsplatz Ahrbrück – Vor 60 Jahren begann die Räumung von zwölf Dörfer
Der Luftwaffenübungsplatz Ahrbrück
Vor 60 Jahren begann die Räumung von zwölf Dörfer
Rudolf Leisen
Im April 1937 wurden die Bewohner des für den Luftwaffenübungsplatzes „Ahrbrück“ vorgesehenen Gebietes vom Regierungspräsidenten in Koblenz offiziell über die Räumung ihrer Dörfer informiert. Die schon länger andauernden Gerüchte wurden leider zur Gewißheit, als dann im Auftrag des Reichsministers der Luftfahrt (Hermann Göring) am 27. November 1937 auch die vorgesehenen Räumungstermine bekannt gegeben wurden. Danach sollten 12 Dörfer geräumt werden und zwar: Denn bis zum 1. März 1938; Weidenbach, Herschbach, Fronrath, Cas-sel und Watzel bis zum 1. Juli 1938; Nieder- und Oberheckenbach sowie Lederbach bis zum 1. November 1938 und das Restgebiet mit Blasweiler, Beilstein und Kaltenborn bis zum 1. Mai 19391). Aus diesen 12 Dörfern waren 400 Familien mit über 2.200 Personen von der Maßnahme betroffen. In das friedliche, nach den heutigen Begriffen sogar arme und einsame, aber zufriedene Leben der Dorfbewohner, schlugen die Räumungsbefehle wie eine Bombe ein. Die Bewohner waren fassungslos und darüber empört, daß die gewachsenen Dortgemeinschaften mit einer Jahrhunderte alten Geschichte und Tradition aufgelöst werden sollten.
Es stellt sich die Frage: Wie es zu diesem Plan kam, hier ein militärisches Übungsgebiet einzurichten?
Von der Segelflugschule zum Luftwaffen-Übungsplatz
Der Gedanke, einen Luftwaffenübungsplatz einzurichten, dürfte bereits Jahre vorher aufgekommen sein. Unter der Überschrift: „Eine Segelflugschule in der Vordereifel“ berichtete die Presse am 21. August 1934 folgendes:
Fronrath (Kr. Ahrweiler), 21. August. Wandert man von Brück im Ahrtal durch das Kesselinger Tal am bekannten Wacholderschutzgebiet vorbei, durch Niederheckenbach, so gelangt man nach kaum 40 Minuten zum höchstgelegenen Ort des Kreises Ahrweiler, nach Fronrath. Dort tagten am Sonntag im Gasthaus Klapperich Vertreter des Luftfahrzeugunterverbandes 8 der Ortsgruppe Bonn-Siegburg und Troisdorf. Nach eingehender Besichtigung des in Frage kommenden Geländes, worüber Gewerbeoberlehrer Schmitz von der Stadt. Berufsschule Bonn berichtete, einigte man sich dahin, hier in Fronrath eine Segelflugschule zu errichten. Bereits im vorigen Jahr hatten Flugversuche stattgefunden. Es ist geplant, 50 Flugschüler unterzubringen. Dank dem Entgegenkommen, des seit 1. August nach hier versetzten Lehrers Kill, wurde für diese auf dem Speicher der geräumigen Schule Unterkunftsmöglichkeit geschaffen. Ortsvorsteher Jakob Groß sagte weitgehende Unterstützung des Unternehmens zu. Man hofft hierdurch der notleidenden Eifelbevölkerung Arbeitsmöglichkeit durch den Ausbau der Straße Watzel-Fronrath zu verschaffen, eine Strecke des Weges, die bei dem ausgezeichneten Wegenetz des Kreises bisher stiefmütterlich behandelt wurde. Dank sei gesagt der tatkräftigen und bereitwilligen Unterstützung dem Oberland-Jägermeister von Ahrweiler und Oberlandjäger Volkmar-Ramersbach. Am 20. August weilte Dr. Hollerbrock-Bonn, Teilnehmeram Deutschlandflug hier, nachdem er gestern mittels Flugzeug das Gelände besichtigt hatte, um die letzten Vorkehrungen zu treffen. Er wird in den nächsten Tagen dem Führer des gesamten deutschen Luftfluges, Ministerpräsidenten Göring, Bericht erstatten. So ist zu hoffen, daß die Sache bald in Angriff genommen wird. Dadurch wird der wirtschaftlichen Not der Eifelbevölkerung gesteuert, und vor allen Dingen werden dadurch Männer herangebildet voll Mut und Unerschrockenheit im Geiste unseres Führers Adolf Hitler. Den Führern des Unterverbandes Bonn, an erster Stelle Reichskommissar Breit, herzlichen Dank für ihre Opfer und ihr großes Interesse an der schönen Eitel.2) J. Kill
Räumung von Denn im Jahre 1938.
Nachdem das Gelände um Fronrath nun mehrfach durch Fachleute eingehend besichtigt und auch genügend Reklame für eine solche Segelflugschule gemacht worden war, fand plötzlich auch das Militär Interesse an diesem wirtschaftlich wenig ertragreichen Gebiet. Zurückblickend kann man heute wohl sagen, daß bereits mit dem Vorhaben, in Fronrath eine Segelflugschule einzurichten, die Katastrophe für die 12 Dörfer eingeleitet wurde.
Die Räumung der Dörfer und die Anlage des Luftwaffenübungsplatzes Ahrbrück
Die umlaufenden Gerüchte in bezug auf die Räumung der Dörfer für den Luftwaffenübungs-platz und die Hinweise, sich nach einer neuen Existenz umzusehen, verdichteten sich Anfang 1937 zusehends. Der damalige Bischof von Trier, Dr. Franz Rudolf Bornewasser (1922 bis 1951), der vom Ortspfarrer von der Maßnahme unterrichtet wurde, wollte die Realisierung dieses Vorhabends verhindern, oder zumindest erreichen, daß die Bewohner in einer neuen geschlossenen Siedlung angesiedelt würden. Er richtete ein entsprechendes Bittschreiben an die Reichsregierung in Berlin. Die wenig erfreuliche Antwort kam von Hermann Göring und lautete:
„Auf Ihr, an den Herrn Oberbefehlshaber des Heeres gerichtetes, und an mich weitergeleitetes Schreiben vom 12.5.1937 teile ich Ihnen ergebenst folgendes mit: Es läßt sich leider nicht vermeiden, daß die Bewohner des für den Luftwaffenübungsplatz benötigten Geländes umgesiedelt werden, weil ihr Verbleiben wegen der Gefährdung durch den Übungsbetrieb nicht möglich ist. Mit der Durchführung der Umsiedlung habe ich die Reichsumsiedlungsgesellschaft beauftragt.“3)
Die in diesem Schreiben erwähnte Reichsumsiedlungsgesellschaft, in Kurzform RUGes bezeichnet, hatte Mitte 1937 in Ahrweiler eine Zweigstelle eingerichtet und begann damit, von hier aus den Ankauf der Grundstücke und die Räumung der Dörfer zu organisieren. Auch von den umliegenden, nicht zur Räumung vorgesehenen Gemeinden, wurden zur Arrondierung noch Grundstücke angekauft. Für den gesamten Ankauf der Ländereien (ca. 10.000 ha Gesamtfläche) undderGebäude, mußten fast 3.000 Kaufverträge im Gesamtwert von 13.000.000 Reichsmark abgeschlossen werden.4) Als Eigentümer wurde das Deutsche Reich (Reichsfiskus Luftfahrt) in den Grundbüchern eingetragen.
Das Schicksal der Bewohner nahm seinen Lauf. Die einzelnen Familien mußten sich eine neue Heimat suchen und neuen Gemeinwesen anschließen. Denn (heute Ahrbrück) wurde als erstes Dorf geräumt und am 1. März 1938 wie vorgesehen an die Luftwaffe übergeben. Hier wurde auch die Kommandantur des „Luftwaffen-Übungsplatzes Ahrbrück“ eingerichtet, der diesen Namen aufgrund der nahen Lage zum Dorf Brück an der Ahr erhielt.
Die Räumungen von Fronrath und Cassel waren zum 11. November und die von Watzel zum 11. November 1938 abgeschlossen, was dem Reichsminister der Luftfahrt in einem Schreiben vom 17. November 1938 mitgeteilt wurde. DieRäumungstermine der übrigen Dörfer wurden mehrfach verschoben. Als letztes Dorf konnte am 23. Dezember 1939 die Räumung von Blasweiler nach Berlin gemeldet werden.5) Die Bewohner waren schweren Herzens fortgezogen. Ihre Häuser, welche teilweise schon seit Generationen von ihren Familien bewohnt waren, in denen sie geboren waren, wo sie ihre Kindheit und Jugend verlebt hatten, einfach alles, was ihnen Lebensinhalt gegeben hatte, was ihnen lieb und teuer war, blieben zurück. Nur 36 % der Aussiedlerfandeninden Kreisen Ahrweiler und Mayen eine neue Heimat. Die übrigen Familien, soweit diese nicht bei Verwandten unterkamen, zogen zum Teil in Industriegebiete.
Ankunft von 65 ermländischen Familien mit ihrer Habe in Ahrbrück am 13. April 1950.
Es gab sogar Pläne, den Übungsplatz durch Einbeziehung von weiteren Dörfern noch zu vergrößern. So ging bereits am 23. Mai 1940 bei der Kommandantur des Luftwaffenübungsplatzes in Ahrbrück ein Schreiben der Reichsumsiedlungsgesellschaft in bezug auf die Platzerweiterung ein, in dem folgendes vermerkt war:
„… bestätigen wir Ihnen hiermit, daß der Auftrag über die Einbeziehung von Kesseling und Staffel sowie eines Teils von Ramersbach in den Luftwaffenübungsplatz Ahrbrück am 18.5. bei uns eingegangen ist. Mit den Arbeiten ist von uns begonnen worden.“6)
Um nun die Bewohner der Orte in Schrecken zu versetzen, wurden – sicherlich mit Absicht -einige Granaten der Flak auf die Orte gerichtet, um die Notwendigkeit der Räumung zu untermauern und der Sache Nachdruck zu verleihen, mit der Begründung:
„… damit mit schweren Waffen auf dem hiesigen Platz geübt werden kann…“
Wenn die Räumung dieser Orte auch nicht sofort in Angriff genommen wurde, so wurde der Gedanke, den Übungsplatz zu erweitern, noch lange aufrecht erhalten.
Die Räumung von Kesseling und Staffel war sicherlich auch durch die ständigen Eingaben und Beschwerden vom Ortsbürgermeister Josef Gies aus Staffel und dem Besitzer des Gutes Sonnhardt, Prof. Dr. Erwin Moos, solange verzögert worden, bis die Kriegslage die Räumung vereitelte. Obschon Ortsbürgermeister Gies in Staffel bereits am 18. November 1941 vom Reichsmarschall der Luftwaffe (Göring) davon informiert wurde, daß die beiden Orte Staffel und Kesseling für die Räumung vorgesehen seien, hat Gies Unterschriften gegen die Einbeziehung der beiden Dörfer bei der Bevölkerung eingeholt und sich damit den Zorn der Militärs eingehandelt. Die Mappen mit den Unterschriften wurden anschließend in beiden Orten von der Gendarmerie beschlagnahmt. In einem Schreiben vom 27. Januar 1942 wurde dem Reichsminister der Luftfahrt sogar mitgeteilt, daß der Platzkommandant über die Herren Moos und Gies geäußert habe „Leute, die sich kriegswichtigen Entscheidungen entgegenstellen, müßten erschossen werden. „An einer anderen Stelle ist vermerkt: „solche Leute sind unschäd-lich zu machen“. Hier ist deutlich zu erkennen, in welcher Gefahr sich die beiden befanden.7)
Die Wiederbesiedlung des Luftwaffen-Übungsplatzes
Nach Kriegsende wurde das Gebiet, welches als Staatseigentum dem Sieger zufiel, zunächst von Generalgouverneur von Rheinland-Nassau, Mr. Hettier du Boislambert, als Jagdrevier in Anspruch genommen. Auf Bemühen des Kulturamtes Adenau wurde der Luftwaffenübungsplatz aber am 13. November 1946 zur Wiederbesiedlung freigegeben.8‚ Es entstand der „Sied-lungsverband Ahrbrück“ und anschließend erfolgte die Gründung der „Landsiedlung Rheinland-Pfalz G.m.b.H.“, welche mit der Wiederbesiedlung beauftragt wurde. Da sich bis Anfang 1947 von den ehemaligen Bewohnern jedoch nur wenige Familien für eine Rücksiedlung gemeldet hatten, mußten andere Siedler gesucht werden. Es fanden sich zu 80 % ermländische Bauernfamilien, die sich entschlossen, nach der Flucht über Pommern und Mecklenburg bis Schleswig-Holstein, im ehemaligen Luftwaffenübungsgebiet einen Neuanfang zu wagen. Am 13. April 1950 trafen die ersten 65 ermländi-schen Familien mit der Bahn in Brück ein. Ihre ganze Habe war auf 22 Waggons untergebracht. Sie begannen damit, das Land wieder urbar zu machen, Siedlungshöfe zu errichten und sich hier eine neue Existenz zu schaffen. Inzwischen lebt hier schon die zweite und dritte Generation der Neusiedler. Das Gebiet ist ihre Heimat geworden. Im Laufe der Jahre haben sich freundschaftliche Beziehungen zwischen ehemaligen Bewohnern und Neusiedlern entwickelt. Insbesondere beim traditionellen Erntedankfest der Ermländer in Niederheckenbach kommt es alljährlich zu Begegnungen.
Zum Wappen der Gemeinde Heckenbach
Die 1960 gegründete Gemeinde Heckenbach, bestehend aus den Orten Nieder- und Oberheckenbach, Blasweiler, Beilstein, Cassel, Fronrath und Watzel, führt seit 1992 ein eigenes Gemeindewappen. Das Wappen trägt links in rot ein Mühlrad und rechts in schwarz eine Elchschaufel. Das Mühlrad deutet auf die ehemals im Blasweiler-Heckenbachtal gelegenen Mühlen hin. Die Elchschaufel verweist auf die Herkunft der Siedler aus Ostpreußen und symbolisiert die Lage im ehemaligen Wildbanngebiet (Blasweiler war im Jahre 992 einer der Grenzorte).Anmerkungen:
- Bundesarchiv/Militärarchiv Freiburg Best. RW 52/Rep 328.
- Kreisarchiv Ahrweiler
- Schug Bd. IV S. 184.
- Ulrich Tolksdorf, Volksleben in den Ermländersiedlungen der Eifel Marburg 1967
- Bundesarchiv ‚Militärarcriiv Freiburg Besl. RW 52‘ Rep 328
- ebenda.
- ebenda.
- Rudolf Leisen. Chronik von Ramersbach und der Gemeinde Heckenbach. Ramersbach 1992. S. 270.