Der Goldene Pflug von Neuenahr
Von Theodor Seidenfaden
Ein Bauer, der den Pflug trotz der dampfenden Ochsen manchmal mitten in der Furche stehen ließ, sich am Wegrain in das frische Gras streckte und dem blauen Himmel nach= träumte, auch wohl Scherze und Streiche ersann und sich am Tanz der Mücken freute, ging in einer Frühlingsnacht von seinem Hofe fort, dem Neuenahrer Burgberge zu. Wie er trübsinnig dahinschritt — der große Acker, den er am nächsten Morgen zu pflügen hatte, lag ihm gleich einem Alb auf der Seele — und eben laut in die Stille sprach, nur den Reichen blühe das Glück, trat aus dem Fels, der längs des Weges lief, ein Zwerg auf ihn zu. Er wollte schon, zur Seite springen, da fühlte er, wie ihn der Zwerg, dessen flächserner Bart zur Erde reichte, beim Arme faßte, so daß er neben ihm schritt und seinen seltsamen Worte lauschte.
Wenn er ihm folge, solle er schon reich werden, dann brauche er keine Ochsen zu treiben, sondern könne gleich den Rittern auf Rappen reiten, meinte der Zwerg mit einer Stimme, die dem. Bauer wie Gesang in die Sinne fiel.
Da sie an den Burgberg kamen, führte ihn der Zwerg zu einem Hasel Strauche, der uralt in das sternige Dunkel tastete. An seiner Wurzel, sagte er, münde der Brunnen, der den goldenen Pflugberge; in der Johannisnacht solle er hier graben, den Stein und eine Angel in. die Tiefe senken, so würde er den Pflug, den schon mancher gesucht hätte, finden; allerdings dürfe er nicht einen Laut von sich geben, was ihm auch begegne. Wie der Bauer nachfragen wollte, um welche Stunde er mit dem Graben beginnen dürfe, war der Zwerg verschwunden, und ein. Gekicher lag in der Luft, als höhnten ihn die Geister der schwarzen Berge.
Da ging er wie im Rausche heim und grübelte die nächsten Wochen so sehr in den hellen Tag, daß die Bäuerin den Kopf schüttelte. Als er schließlich die Ochsen hinter den Wagen schirrte und einmal der Katze den ganzen Mittagsspeck hinwarf, fürchtete sie um seinen Verstand, lief zum Pfarrer und bestellte eine Messe, die ihn wieder ins rechte Fahrwasser bringen sollte.
In der Johannisnacht machte er sich jedoch frühzeitig auf den Weg und kam an den Haselnußstrauch, als eben der Mond sein Licht voll in die Eifelberge, die wie schlafende Riesen lagen, strömen ließ. Kaum, hatte er den Haselstrauch abgehauen und zu graben begonnen, so geriet er auf einen mächtigen Stein, schaufelte ihn, derweil sein Atem heißer ging und sein Herzblut fieberhaft klopfte, leer, raffte seine Kraft zusammen und hob ihn hoch, daß er donnernd den Abhang hinab in das Dunkel rollte.
Wie er sich über den Brunnenrand beugte, sah er in der Tiefe das Geleucht des goldenen Pfluges, darin die Mondstrahlen spielten, und senkte an einem neuen Strick die Angel hinab. Als sie aufstieß — es klang wie fernes Schellengetön —, ließ er sie so lange suchen und läuten, bis sie den Pflug faßte und es in der Tiefe wieder still war. Langsam zog er die kostbare Last herauf und blieb ruhig, obgleich sein Blut rauschte. Schon stand er selbst im Geleucht des Goldpfluges, der immer heller aus dem Brunnen stieg. Da jagte ein feu= riger Ritter den Berg herab, der sein Schwert wie riesige Blitze durch die Luft schwang und gerade auf ihn zusetzte.
Mit einem Schrei, der schaurig wiederhallte, sprang er auf, hielt den Strick zwar noch in der Hand, hörte aber, daß der Pflug aufschlug, wie wenn Glasglocken zerschellen. Worauf er entsetzten Blickes heimlief und seinem Weibe so wirr von dem goldenen Pfluge, dem feurigen Ritter und einem Zwerg erzählte, daß es den doppelten Riegel vor das Hoftor schlug und schließlich auch ein gespenstisches Gestampfe zu hören meinte.
Am nächsten Tage gingen Mann und Frau an die Stelle. Sie fanden die Hecke mit dem Stein. Sie hoben den Stein auf; da lag nur ein Zettel: „Bete und arbeite!“ Der Bauer be= folgte diesen Rat, daß ihm, auch ohne den goldenen Pflug, bald neben seinem Ochsen ein derber Ackergaul lief. Und der war ihm dienlicher als der ritterliche Rappe, den ihm der Zweig versprochen hatte.