Der Glockengießer von Kempenich

Der Glockengießer von Kempenich

VON HEINZ MÜLLER

An der alten Heerstraße von Ahrweiler nach Mayen, zwischen Engeln, und Hannebach, lag früher ein kleiner See, den die Leute das Engeler Maar nannten. Bei der Regenzeit überschwemmte das Wasser oft die angrenzenden Felder. Darum beschlossen die Bauern, das Maar trockenzulegen, und hoben einen tiefen Graben ans, der das Wasser gen Kempenich in die Niederung leitete. Nun trieben die Schäfer und Sauhirten ihre Herden in das Sumpfland, und die wühlenden Schweine legten eines Tages eine Glocke frei, die wohl in unruhigen Zeiten dort versenkt und dann vergessen worden war. Ein Spruch, den die alten Leute hier noch kennen, erzählt von diesem Glockenfund:

Bim bam de Sau mech fand 
op de Buch on ön de Schoof.
Honbuch dof mech, 
Jagdklitsch höschen ech.

„Op de Buch“ wurde sie gefunden, und dort war die Grenze zwischen den Kirchspielen Kempenich und Zissen. Da sich nun beide Dörfer um den Besitz der Glocke stritten, sollte die Glücksprobe entscheiden. Die Glocke wurde auf einen Wagen geladen, davor junge, ungelernte Ochsen gespannt waren. Es ward ausgemacht, daß jene Kirche den Fund bekommen sollte, der sich die Tiere zuwandten. Als die Ochsen angetrieben wurden, liefen sie sogleich auf Zissener Gebiet. Also ward über den Verbleib der schönen alten Glocke entschieden. Die Kempenicher Bürger verdroß das nicht wenig. Jetzt wollten sie auch eine Glocke haben und begannen eifrig Gold, Silber und Kupfer zu sammeln. Was fehlte, wollten die Herren von Kempenich und Öl brück zusteuern. Als genug Metall beisammen war, wurde der Glockengießer bestellt, der die Glocke an Ort und Stelle fertigen sollte. Er kam mit seinem Gesellen und ging an die Arbeit. Lange schafften die beiden nun schon, doch es kam nicht zum Guß; denn immer weder fehlte es dem Meister an edlem Metall, an Gold oder Silber. Bereitwillig gaben die Kempenicher und Olbrücker Burgherren dem Glockengießer, der die Schätze in den eigenen Säckel schob. Am meisten trugen ihm die Gaben des freigebigen Olbrückers ein. Als der Meister wieder einmal auf einem Bittgang zur Burg war, drangen die Bürger Kempenichs auf den Gesellen ein, daß er selbst einmal den Guß versuchte. Er wehrte sich lange, aber die Kempenicher gaben nicht nach, bis der Bursche das Wagnis tat. Und sieh! Der Guß gelang. Eine wohl geformte Glocke von edlem Klang wurde aus dem Gehäuse geschält, und der Geselle freute sich über alle Maßen. Am Abend lief er dem Meister entgegen und jubelte fast, als er sagte: „Meister, die Glocke ist fertig!“ Aber der betrügerische Glockengießer bebte vor Zorn, als er diese Kunde vernahm. Wütend packte er seinen Gesellen und schlug auf ihn ein, bis der Unglückliche sein Leben aushauchte. Die Reiter des Olbrückers fingen den fliehenden Mörder ein; auf dem Rabenköpfchen bei Hannebach hingen sie ihn an den Galgen. In der Kempenicher Strut steht ein altes Basaltkreuz. Es soll an die grausige Tat des Glockengießers von Kempenich gemahnen.