Der Fronhof des Bonner St.-Cassius-Stifts in Leimersdorf

VON OTTMAR PROTHMANN

Foto: Kreisarchiv.
Freigegeben unter Nr. 445-3, Bezirksregierung für Rheinhessen Leimersdorf

Als man im Mai 1972 mit dem Abbruch der Gebäude des ehemaligen Cassiushofes in Leimersdorf begann, endete die Geschichte eines über 800 Jahre alten Hofes. In einer Urkunde vom 31. März 1131 bestätigte Papst Innocenz II. dem Bonner St.-Cassius-Stift (heute Münsterkirche) alle seine Besitzungen, unter anderem den Besitz eines Hofes und der Kirche mit dem ganzen Zehnten in Leimersdorf (Limerstorp). Mit dieser übrigens ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes Leimersdorf wird ein bereits bestehender Hof genannt, doch wann er erbaut wurde und seit wann er zu den Besitzungen des in dieser Gegend reich begüterten St.-Cassius-Stifts gehörte, läßt sich wegen der spärlichen Überlieferung nicht mehr sagen. Der Einfluß des Stiftes reichte schon im 9. Jahrhundert über Leimersdorf hinaus bis nach Altenahr, Heimersheim und Oberwinter. Es werden um Leimersdorf herum im Jahre 830 Besitzungen in Eckendorf, 840 ein Hof in Ringen sowie 852 Weingärten bei Ehlingen, Gimmigen, Pissenheim (Werthoven), Einezfelde (Wüstung bei Oberwintcr) und Unkelbach erwähnt.

Die Verwaltung der zum St.-Cassius-Stift gehörenden Besitzungen und Einkünfte geschah in sogenannten Fronhofsverbänden. Da die entfernter liegenden Güter in Boppard (?), Braubach, Koblenz, Metternich und Wiesbaum schon frühzeitig vom Stift abgestoßen waren oder ihm entfremdet wurden, lag der südlichste Besitz des Stiftes um Leimersdorf und Wadenheim (heute Stadtteil Bad Neuenahr). In diesen beiden Orten standen Fronhöfe, von denen aus der umliegende Streubesitz, Höfe, Ländereien, Weinberge und Einkünfte, verwaltet wurden. Die mit einem solchen Gut belehnten Bauern waren nicht nur zu Lehnsabgaben und Frondiensten verpflichtet, sondern unterstanden auch rechtlich dem Gericht des Fronhofes.

Der Hof Leimersdorf dürfte, nach dem Stephanuspatrozinium der Kirche und der Ortsnamenendung „dorf“ zu schließen, im 6. bis 7. Jahrhundert entstanden sein.

Leider liegt das Schicksal des Hofes bis zum Ende des Mittelalters im Dunkeln, abgesehen von den Namen mehrerer Hofinhaber und einiger Pachtabgaben. Anfangs gehörte der Hof zum Eigentum des Propstes (Vorsteher des Stiftes), der ihn von einem Hofschultheißen verwalten ließ. Im 12. Jahrhundert ging er in das Gemeinschaftseigentum aller Stiftsmitglieder über, und seit dieser Zeit übernahm ein Angehöriger des Stifts, ein Kanoniker, die Verwaltung des Hofes auf Lebenszeit bzw. später auf neun oder zwölf Jahre. Allerdings bewirtschaftete er den Hof nicht selbst, sondern überließ das einem Halbwinner, auch Halbpächter genannt, weil dieser ursprünglich die Hälfte des Ertrages als Pacht abführen mußte. In Leimersdorf beginnt kurz vor dem Jahre 1484 mit Heinrich Vynck die Reihe der namentlich bekannten Halbpächter.

Die Hofverpachtung

Am 10. September 1492 traten die Kanoniker Johann Berwinck und Johann von Adenau für neun Jahre die Führung des Hofes an. Sie mußten dem Stift jährlich je 90 Malter Weizen (rd. 234 Zentner), Roggen (rd. 216 Zentner), Hafer (rd. 180 Zentner) sowie 2 Malter Erbsen und 5 Malter Bohnen liefern. Diese brachten sie auf durch die Einnahmen aus dem großen Zehnten im Kirchspiel Leimersdorf, der zu den Einkünften des Hofes zählte, und eine Weiterverpachtung des Hofes an den Halbpächter Johann Lutzert für jährlich 15 Malter Weizen, 36 Malter Roggen, 50 Malter Hafer und l Malter Erbsen (Bonner Maß). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts blieben diese Pachtabgaben in etwa konstant.

In einem für zwölf Jahre gültigen Pachtvertrag aus dem Jahre 1526 werden die zu dieser Zeit üblichen und in den folgenden Jahrhunderten immer wiederkehrenden Bedingungen der Hofverpachtung genannt. Der Halbpächter wurde darin u. a. verpflichtet, dem Pastor in Karweiler jährlich acht Bonner sowie vier Remagener Malter Roggen zu liefern, einen Stier für die Gemeinde Leimersdorf zu halten, bestimmte Wachsabgaben an die Pfarrkirche zu entrichten, zwei Sester Brot den Armen zu spenden, zwei Fuhren Wein für das St.-Cassius-Stift zu fahren und alle sonstigen auf dem Hof liegenden Lasten und Steuern zu tragen. Vor dem Dingtag (Gerichtstag) am 6. Januar sollte er das Haus am Kirchhof räumen, damit nach alter Gewohnheit an diesem Tag der Pachtweizen eingebracht werden konnte, den er nach Bonn zu schaff en hatte. Der Halbpächter sollte den Hof selbst bewohnen und bearbeiten, auf keinen Fall weiterverpachten, Haus, Ställe, Zäune und das Land in gutem Zustand halten, die Felder zur rechten Zeit bestellen, keine Veränderungen vornehmen, Wiesen nicht in Äcker, Gärten nicht in Wiesen und umgekehrt verwandeln sowie das Ackerland nach abgelaufener Pachtzeit „gestürzt“ (gepflügt) an das Stift übergeben.

Das Hofgericht

Im Leimersdorfer Fronhofbestand ein Hofgericht, das nach Aussage des Weistums von 1559 sechsmal jährlich tagte. Ihm unterstanden alle lehnspflichtigen Bauern. In dem genannten Weistum werden ihre Rechte und Pflichten, wie auch die des St.-Cassius-Stiftes genau festgelegt. Die Stiftsherren verpflichteten sich, auf dem Hof für die ganze Gemeinde zwei Ochsen, einen Eber (byrren), ein Fohlen und einen Gänserich zu halten sowie eine Arrestzelle einzurichten. Die lehnsrührigen Bauern waren verpflichtet, ihre Abgaben spätestens bis zum zweiten Gerichtstag Mitte Januar auf den Fronhof zu bringen. Starb ein lehnspflichtiger Bauer, so mußten seine Erben nach der ersten Nacht, wohnten sie weiter entfernt, binnen der nächsten sieben Tage auf dem Fronhof einen neuen Lehnsmann vorführen, andernfalls fiel das Lehen an das Stift zurück. Auf dem Hof wurde der Bauer durch die vom Schultheißen vorgenommene Belehnung in die Gemeinschaft der Geschworenen (= Lehnsbauern) aufgenommen. Ferner war nach dem Tode eines Geschworenen das Besthaupt auf dem Fronhof abzuliefern, das heißt, das beste Pferd oder die beste Kuh, je nachdem womit das Lehen bearbeitet wurde. Besaß ein Bauer solche nicht, mußte als Ersatz das beste Kleid oder ein silberner Pflug (= 5 Mark) gebracht werden.

Der Leimersdorfer Hof war ganz frei und besaß Asylrecht, das besagte, wenn einer der Hofgeschworenen wegen Totschlags flüchten mußte und er auf den Hof kam, genoß er dort sechs Wochen und drei Tage sicheren Schutz. Gelang es ihm, während oder nach dieser Zeit drei Fuß vom Hof zu entweichen und zurückzukehren, so begann die gleiche Schonzeit von neuem. Der Missetäter mußte sich aber selbst beköstigen, während die Stiftsherren sich bemühten, den Streit zu schlichten und die Parteien zu ver-

söhnen. Gelang ihnen das nicht, so brachten sie den Totschläger nach Ablauf der Freizeit „uff die Roidtbach bey Wichterich“, wiesen ihm drei Straßen, speisten ihn mit einem Dreipfennigsbrot und ließen ihn laufen. Wieso der Übeltäter bis zum 50 km entfernten Wichterich gebracht wurde – tatsächlich gibt es dort einen Rothbach – bleibt ungewiß.

Die Pächter

Wenig bekannt ist über die Pächterfamilien, die in den verschiedenen Jahrhunderten den Fronhof bewirtschafteten. Wir kennen jedoch seit Ende des 15. Jahrhunderts fast alle Namen. Es werden unter anderem die Familien Faßbender, Rieck, Münch, Schütz, Üben, Zorn und Schäfer genannt. Im 17. Jahrhundert, in der Zeit des 30jährigen Krieges, der großen Pest, der Hexenverfolgung und der Raubkriege Ludwigs XIV., hatten die Halbpächter mit der Bewirtschaftung des Hofes große Schwierigkeiten. So wollte Apollinaris Rieck 1644 vorzeitig von seinem Vertrag gelöst werden, da er die auf dem Hof liegende Schuld nicht mehr tragen konnte. Daraufhin übernahm sein Schwager Peter Vaßbender die Leitung des Hofes. Von 1702 bis 1706 lebte Erwin Schutz mit seiner Frau, einer Tochter, einem Knecht und einer Magd auf dem Fronhof. An Vieh besaß er 1704 zwei Pferde, drei Kühe, sieben Rinder und vier Schweine. Im Jahre 1706 verließ er den Hof und noch 1713 bemühte sich das St.-Cassius-Stift um nicht eingegangene Pachtabgaben.

Ihm folgte 1707 Franz Üben (Oepen), der jedoch völlig überraschend ein Jahr später starb. Jetzt nahm das St.-Cassius-Stift den Sohn seines gerade verstorbenen Halbpächters aus Kürrighoven in Vertrag. Heinrich Zorn, der kurz vorher Guddula Giersberg geheiratet hatte, zog 1708 mit seiner Mutter und seinen Geschwistern nach Leimersdorf. Er brachte den Hof wieder in die Höhe und begann die 1692 zerstörten Hofgebäude wiederaufzurichten. Als Zorn 1731 starb, hinterließ er zehn Kinder, von denen der am 2. Juli 1719 getaufte Bartholomaeus Florgntinus – sein Taufpate war der Bonner Kanoniker Bartholomaeus Kleinholtz – in Köln Theologie studierte, am 29. Februar 1744 die Subdiakonatsweihe erhielt und seither als Vikar in Pech wirkte. Heinrich Zorns älteste Tochter, Katharina, heiratete einen Christian Schaf er und führte den Fronhof weiter. Katharina starb bald und Christian Schäfer heiratete Maria Nettekoven aus Niederich, die ihm neun Kinder gebar. Das jüngste Kind, Apollinar, wurde zum Priester geweiht und war später in Leimersdorf als Frühmesser tätig. Heinrich, das zweitjüngste Kind, übernahm 1781, nach dem Tode seines Vaters, den Hof und führte ihn bis zur Versteigerung im Jahre 1811 weiter. Noch heute ist das Grabkreuz von Christian Schäfer und seiner Frau Maria Nettekoven auf dem alten Friedhof um die Pfarrkirche in Leimersdorf zu sehen.

Im 18. Jahrhundert gelangten die Halbpächterfamilien zu einem gewissen Wohlstand. Der Fronhof war wie alle geistlichen Güter schatzfrei und wurde nur nach „Gewinn und Gewerbe“ an den Umlagen der Gemeinde beteiligt. Auch waren die an das St.-Cassius-Stift zu zahlenden Pachtabgaben mäßig und wurden sogar bei einer Mißernte oder in Notzeiten gesenkt. 1733 hatte Christian Schäfer drei Pferde und acht Kühe und später fünf Pferde, zehn Kühe, sechs Schweine und neunzig Schafe, die von zwei Schafhirten gehütet wurden.

Die Hofgebäude

Die erste Nachricht über die Gebäude des Fronhofes stammt aus dem Jahre 1484. Damals bauten die Kanoniker Peter Euskirchen und Johannes Berwinck, sodann der Halbpächter Lutzert, der Nierendorfer Schultheiß und „viele gute Freunde“ die Stallungen des Hofes mit dem vom St.-Cassius-Stift gestellten Holze wieder auf. Das Stallgebäude hatte eine Länge von 17 m. Neun Jahre später werden an Hofgebäuden eine Scheune, Ställe, Torbau, Backhaus und ein Wohnhaus genannt, die an genau der-

selben Stelle lagen, wo sich die letzten Hofgebäude befanden. Damit lag der Hof an der Kreuzung der von Oeverich nach Nierendorf sowie der von Ahrweiler über Bengen nach Remagen führenden Wege. Der Pfad von Bengen überquerte etwa 1000 Meter vor dem Cassiushof die in einer Mulde verlaufende Sinzig-Aachener Landstraße (Krönungsstraße). Die beiden letztgenannten Wege sind durch die Flurbereinigung weggefallen.

In den kriegerischen Auseinandersetzungen der folgenden Jahrhunderte wurden die Hofgebäude häufig in Mitleidenschaft gezogen. Nachweislich brannten sie im Kölnischen Krieg um 1589 nieder, wahrscheinlich angezündet von spanischen Truppen, die sich von der Belagerung Bonns abgesondert hatten und auf der Grafschaft plünderten, raubten und brandschatzten. Auch im 30-jährigen Krieg kamen die Gebäude nicht unbeschadet davon.

Am 9. Januar 1690, als fünf Kompanien Franzosen die meisten Ortschaften auf der Grafschaft, darunter auch Leimersdorf, nach vorheriger Plünderung einäscherten, brannten die Hofgebäude nicht nieder. Zwei Jahre später jedoch wurden sie wieder eingeäschert. Da auch im Krieg um die spanische Thronfolge von 1701 bis 1714 das Ahrgebiet von den Kriegswirren nicht verschont blieb, verzögerten sich die Aufbauarbeiten, so daß nach Ausweis einer undatierten Karte aus der Zeit nach 1732 nur ein Gebäude stand. Mit dem Jahre 1778/79 tritt uns jedoch der Hof nach seinem Grundriß in der geschlossenen Bauweise entgegen, die er bei seinem Abbruch zeigte. Die im Jahre 1972 stehenden Gebäude waren, außer dem Wohnhaus und einem Teil des Kuhstalles, in den 1850er Jahren aus Feldbrandziegeln errichtet worden. Nach Aussage von Josef Frings aus Leimersdorf, der 22 Jahre auf dem Hof gearbeitet hatte, soll auf einem Balken am Wohnhaus die Jahreszahl 16?98 und auf einem Balken des vorerwähnten Stalles 1742 oder 1743 gestanden haben.

Die Hofländereien

Mit 144 Morgen (alte Morgen zu 0,32 ha) Ackerland im Jahre 1484 gehörte Leimersdorf zu den größeren Höfen des St.-Cassius-Stifts. Dieses Salland, das heißt das vom Fronhof bearbeitete Land, lag in größeren und kleineren Parzellen über die Flur verteilt, vermengt mit den von den grundhörigen Bauern bearbeiteten Äckern und fremden Ländereien. Die Tatsache, daß die Äcker nur westlich des Hofes mit anderem Besitz durchsetzt waren, während östlich das Hofland in einem großen Halbkreis den Hof umgab, zeigt das Alter und die Ursprünglichkeit des Besitzes. Nach der 1548 bereits vollzogenen Ausbildung von Gewannen, die nach der bis zum 19. Jahrhundert geltenden Dreifelderwirtschaft in einem jährlichen Wechsel mit Winter- oder Sommerfrucht bestellt wurden bzw. brach lagen, ergab sich für das Salland folgendes Bild, das, bei nur geringen Veränderungen der Grundstückssubstanz, bis ins 19. Jahrhundert Gültigkeit besaß, zumal auch die Flurnamen fast ausnahmslos gleich blieben.

Erstes Gewann

Am Drenkpütz   40 Morgen
Auf dem Heckweg   7 Morgen
Auf der Mohlen   1 Morgen
In der Mohlen drei getrennte Felder  5 1/2 Morgen

Zweites Gewann

Hinter dem Bongart   28 Morgen
Oben am Kreuz   7 Morgen
An den sieben Morgen   2 Morgen
In der Mohlen   7 Morgen
Auf der Mohlen zwei getrennte Felder   8 1/2 Morgen

Drittes Gewann

Unter Leimersdorf
zwei getrennte Felder  
 22 Morgen
An der Bach   ein kleiner Splyß
Auf der Wenck   9 Viertel
Im Niemannsfeld   2 Morgen
An der dürren Wiese   2 Morgen
In der Dellen   5 Morgen
Am Kolmansgartun   7 Morgen
An den Linden   1/2 Morgen

Wiesen

Bongart hinter der Fronscheune vom Drenkpütz bis zum Gemeindeweg mehr als   6 Morgen
In der langen Wiese  1/2Morgen

Wald

In der Höhe ungefähr   2 1/2 Viertel

Im Pachtvertrag von 1576 werden 146 Morgen Ackerland, 1752 ungefähr 138 Morgen Wiesen und Ackerland und 1794 147 Morgen Ackerland und Wiesen erwähnt. Im 19. Jahrhundert gehörten 171 Morgen (= neue oder preußische Morgen zu 0,25 ha) zum Hof.

Die Zehnteinnahmen

Zu den wichtigsten Abgaben im Alten Reich gehörte der Zehnt, der seinen Namen von der Höhe bestimmter Naturalabgaben herleitete. Man unterschied den großen und den kleinen Zehnt. Der große oder harte Zehnt wurde von Weizen, Roggen, Gerste, Hafer und anderen Halmfrüchten, der kleine oder weiche Zehnt von Rüben, Mohrrüben, Kartoffeln, Gras usw. eingezogen. Im Jahre 1131 stand der ganze Zehnt im Kirchspiel Leimersdorf dem St.-Cassius-Stift zu, doch konnte das Stift seinen Anspruch auf diese recht ansehnlichen Zehnteinnahmen seit dem Spätmittelalter nicht mehr voll behaupten. Zwar gelang es ihm, die Rechtsansprüche der Abtei Steinfeld und des Grafen von Neuenahr abzuwehren, doch besaßen im 18. Jahrhundert das Kloster Rolandswerth in der 2 500 alte Morgen großen Gemarkung der Pfarrei Leimersdorf (außer Nierendorf) einen Zehntanteil von 189 Morgen und das Stift St. Gereon zu Köln einen Zehntsplitter von 15 Morgen. Der Rottzehnt vom neugerodeten Land, und zwar von 137 Morgen, stand dem Herzog von Jülich-Berg zu, war aber an das St.-Cassius-Stift verpachtet.

Zeichnung: Herbert Weffer
Besitzungen und Einkünfte des Fronhofes in Leimersdorf (O = Grundbesitz, l = Zehntrechte und Grundbesitz)

Früh hatten sich die anfangs in enger Verbindung zur Pfarrkirche stehenden Zehnteinnahmen von ihr gelöst und standen dem Inhaber des Fronhofes zu. Dieser zog die Einnahmen jedoch nicht selbst ein, sondern verpachtete sie gegen eine bestimmte Abgabe an mehrere Leute. Doch nicht nur in Leimersdorf, sondern auch in mehreren Dörfern der Umgebung standen dem Stift Zehnteinnahmen zu, die vom Inhaber des Leimersdorfer Hofes eingezogen wurden. So werden noch im 16. Jahrhundert Zehnten von Äckern in Bengen, Karweiler, Westum und Lantershofen sowie Weinzehnten bei Lantershofen, Unkelbach und Westum genannt, die später nicht mehr zu den Einkünften des Hofes zählten.

In Leimersdorf war der große Zehnt, wie damals üblich, mit der Kirchenbaupflicht verbunden. Die Pfarrkirche in Leimersdorf war ursprünglich eine Eigenkirche des St.-Cassius-Stifts, was zur Folge hatte, daß das Stift alle Einkünfte der Kirche einzog und die Pfarrstelle besetzte. Dafür verpflichtete es sich aber, bei den Bauarbeiten oder Reparaturen an der Kirche zu helfen. Es war alter Brauch, daß die Gemeinde den Turm, der Pfarrer das Chor und das St.-Cassius-Stift das Schiff erbauen mußte. So geschah es auch 1789, als das Schiff der Pfarrkirche für 600 Personen erweitert und der Turm neu aufgebaut wurde. Zu allen Arbeiten mußte die Gemeinde Hand- und Spanndienste leisten.

Abhängige Lehnsgüter und sonstige Einkünfte

Wie schon oben erwähnt, hingen vom Fronhof in Leimersdorf eine ganze Reihe von Höfen, Ländereien und Weingärten ab, die auf ein Gebiet verstreut waren, das von Berkum im Norden bis nach Franken im Süden und westöstlich von Gelsdorf bis Oberwinter reichte. Lehnshöfe standen in Leimersdorf (mit 115 Morgen Land), Niederich (157 Morgen), Ringen, Fritzdorf (14 Morgen), Berkum (über 100 Morgen), Werthoven (über 100 Morgen) und schließlich in Oeve-rich (51 Morgen). Bis ins 15. Jahrhundert gehörten noch ein Hof in Adendorf, zwei Höfe in Birresdorf und der Hof Zweibrücken (Sweynbruycken) bei Lantershofen dazu. Wie groß die Ländereien in fast allen Dörfern der Grafschaft waren, die von lehnspflichtigen Bauern bearbeitet wurden, läßt sich nicht genau sagen. Die vorher bei den Zehntabgaben zu beobachtende Entwicklung, daß die Einnahmen des Hofes und sein Einfluß im Spätmittelalter stark zurückgingen, läßt sich auch bei den Ländereien feststellen. Viele Lehen gingen verloren, neue kamen jedoch nicht hinzu und diejenigen, von denen bis Ende des 18. Jahrhunderts Abgaben gezahlt wurden, waren durch die innere Aushöhlung des Fronhofsystems praktisch in Privathand übergegangen. Sie wurden vererbt und verkauft. Als Zeichen der Abhängigkeit blieb fast nur die äußerst geringe jährliche Abgabe. So wurden 1556 etwa 525 Liter Wein, 14 Kapaune (verschnittene Masthähne), 3 Hühner, 61 Zentner Weizen, 12 Zentner Hafer und etwa 3 Albus an Geld zum Fronhof geliefert. Davon zahlte der 157 Morgen große Lehnshof in Niederich, mit dem die Herren von der Leyen belehnt waren, zwei Malter drei Sester Hafer (= 375 Pfund) und vier Kapaune. Von einer 4’/2 Morgen großen Ackerparzelle bei Beller – 1477 waren es noch 10 Morgen gewesen – gab der Lehnsbauer jetzt 4 Sester (= 180 Pfund) Weizen und 12 Denar.

Eine besondere Rolle unter den Leimersdorfer Stiftsbesitzungen spielten die „Lucae Vinckschen“ Güter, bestehend aus einem Hof zu Niederich und fünf Feldern am Oevericher Wald sowie einer ebenfalls dort gelegenen kleineren Buschparzelle, die zusammen 23 alte Morgen und l Viertel groß waren. In einem Verzeichnis von 1739/40 wird dieser Hof, der an Verwandte des Fronhofpächters verlehnt war, „Hohhalfen“ genannt. Er dürfte mit dem Hof in Niederich, Landskroner Straße 55, der noch heute den Dorfnamen „Oberhalfen“ trägt, identisch sein. Auf dem Sturzbalken über der Eingangstür ist folgende Inschrift zu lesen: HENRICUS SCHAEFFER UND ANNA MARIA KOHLHAAS. Wahrscheinlich wurden die Gebäude vom Leimersdorfer Halbpächter Heinrich Schäfer und seiner Frau, die 1796 im Kindbett starb, neu aufgebaut.

Der Hof in Privateigentum

Nachdem durch ein Konsular-Dekret Napoleons I. im Jahre 1802 alle rheinischen Klöster und Stifte aufgehoben und ihr Vermögen eingezogen worden war, begannen die Franzosen bald mit der Veräußerung dieser geistlichen Güter. Der Leimersdorfer Hof wurde am 3. Oktober 1811 für 41000 Franken an den Makler Adolf Huesgens aus Kreuznach verkauft; übrigens am selben Tag wie der Bentgerhof bei Birresdorf. Im Jahre 1826 war der evangelische Pfarrer von Oberwinter Johann Heinrich Lauffs Eigentümer und Wilhelm Koerper Pächter. Aus den beim Abbruch aufgefundenen Papieren geht hervor, daß der älteste Sohn, Gustav Lauffs, der in Oberwinter eine Weinhandlung führte, den Hof 1838 übernahm. Als Pächter erscheint 1835 Joseph Pütz und 1842 dessen Sohn Bernhard, der den Hof bis in die 1870er Jahre bewirtschaftete. Als der Junggeselle Bernhard Pütz 1880 starb, hatte bereits Heinrich Mager, der mit dessen Nichte Anna Schneider verheiratet war, die Pachtung des Hofes übernommen. Bei einer öffentlichen Versteigerung des gesamten Anwesens am 8. Februar 189ügelang es Heinrich Mager nur, den Hof und 40 Morgen Land zu erwerben. Sein Sohn Jakob war der letzte Bewirtschafter des Hofes, denn nach dessen Tod im Jahre 1940 wurde die Landwirtschaft nicht mehr weitergeführt. Die Gebäude zerfielen und im Mai 1972 begann man mit dem Abbruch der Hofgebäude, die im Volksmund als „Pötzehoff“ oder „Magershoff“ bekannt waren, wahrend nur wenige den jahrhundertelangen Eigentümer, das Bonner St.-Cassius-Stift, kennen.

Der an weiteren Einzelheiten interessierte Leser sei auf den ausführlichen Aufsatz des Verfassers in „Aus Geschichte und Volkskunde von Stadt und Raum Bonn. Festschrift Josef Dietz“, Bonn 1973, S. 43-78 hingewiesen. Dort finden sich neben den Quellenangaben auch die aus Platzmangel hier nicht berücksichtigten leistender Eigentümer, Pächter, Hofschultheißen und Hofbediensteten.