Der ewige Hof
VON SCHRÖNHAMMER – HEIMDALL |
„DER HOF STEHT IN DER EWIGKEIT.“
Dieser Satz ließ mich staunend anhalten und ließ mich nicht mehr los. Denn er steht als eine Urwahrheit in der Ewigkeit. So tief, ernst und wahr weiß ich kein Dichterwort, keinen Sinnspruch. Wie der Kehrreim eines Bauernhochgesangs, zu dauerndem Gedächtnis geprägt, senkt sich diese Inschrift in die Seele und behauptet dort als Weisheit über allem sein ewiges Heimatrecht:
„Der Hof steht in der Ewigkeit!“
Wahrhaftig! Es ist so! Fest wie ein Felsblock steht dieses Wort und der Hof. Sein Ort ist in der Ewigkeit: in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, im ewigen Leben des Volkes, solange es besteht.
Wie wahr das Wort ist, erkennen wir erst, wenn, wir Umschau halten in dem vielverzweigten Menschenwerk, das wohl auch in der Ewigkeit stehen möchte, da es sich meist so erhaben dünkt über den Hof, den niemand achtet. Was steht denn von diesem Menschenwerk in der Ewigkeit? eine Kaufmannsfirma? ein Fabrikunternehmen? eine technische Einrichtung? ein Staatswesen?
Alles Menschenwerk vergeht, nur der „Hof steht in der Ewigkeit“.
Dieser Hof — hundert Höfe, tausend Höfe, zehntausend Höfe, hunderttausend Höfe stehen in der Ewigkeit; die Höfe des Volkes.
Wenn ein wirtschaftliches Unternehmen fünfzig oder hundert Jahre des Bestehens hinter sich hat, so wird diese Tatsache als besonderes Ereignis herausgestellt, daß es der Strudel der Zeit noch nicht verschlungen hat.
Aber der Hof, die hundert, die tausend, die zehntausend, die hunderttausend Höfe im Land schreiben nichts in die Zeitungen, obwohl sie auf tausendjährigen Grundmauern stehen. Zeitung ist Zeitgeschehen und fährt dahin; aber der Hof steht und bleibt in der Ewigkeit.
Was ist auch der Einzelmensch im Verhältnis zum Ewigkeitshof?
Wenn ein Mensch siebzig, achtzig oder gar einmal hundert Jahre auf dem gebeugten Rücken hat, so wird von diesem Ereignis in der Zeitung Notiz genommen.
Wer aber wundert sich über den Ewigkeitshof? Niemand. Weil er nicht in die Zeitung kommt, obwohl er mit tausend Jahren noch ungebeugt dasteht und noch eine Ewigkeit bestehen wird.
Der Hof schweigt und wird totgeschwiegen — Schicksal alles Ewigen . . .
Es ist notwendig, den Bann des Schweigens um den Ewigkeitswert des Hofes einmal zu brechen und sein Wesen ins Helle zu rücken.
Was ist es nun eigentlich um den Hof, von dem der Hochgesang rühmt, daß er in der Ewigkeit steht?
Die Antwort raunt aus Wiesengründen und Feldbreiten, die ihn umhegen: aus Korn, Brot, Milch, Flachs, Lein. Und der Wald hinter dem Ewigkeitshof schauert auf: Span zum Licht, Scheit zum Feuer, Stämme für Stuben …
Der homo prosaicus versteht das Raunen und Rauschen und übersetzt sich’s auf seine Weise: Wohnung, Nahrung, Kleidung. Alles, was der Mensch zum Leben braucht, gibt der Hof.
„Der Hof ist viel mehr“, er ist einfach alles: Wiege und Heimat des Volkes, Lehrmeister alles Menschlichen, Hortwahrer der Väterart, von Lied und Liebe, Heldensinn und Märchengemüt, Lebenstreue und Todesverachtung. Alles, was das Leben lebenswert und das Sterben tröstlich macht, wurzelt im Ewigkeitshof.
Wenn in den großen Städten des Landes die Kaufleute, die Staatsmänner, die Gelehrten, die Künstler in der Reihe ihrer Ahnen zurückforschen, so münden sie letzten Endes auf einem Ewigkeitshof, der ihren Ahnherrn Wiege war.
Der Kern aller Kunst, die Würze aller Weisheit, die Tiefe jeden Lebenstrostes hat Heimat im Ewigkeitshof.
Die Fürsten wußten noch, ihres Ursprunges und Stammbaums eingedenk, daß der Hof ihnen alles war: Hof und Volk, Gleiche unter Gleichen. Erst als sie den Hof in die Stadt versetzten, wo kein Platz für Höfe ist, untergruben sie seine Ewigkeit. — Verhängnis: Sie hielten noch Hof, aber diese Höfe hielten sie nicht mehr. Auf dem Asphalt geht jede Eiche ein.
Der Ewigkeitshof steht draußen im Freien. O wundervolles Wort! Es ist Freiheit, Freude, Freuen. Alles eins. Wir gehen ins Freie — zum Ewigkeitshof. Dort wächst er aus dem Boden wie Baum und Fels, dort steht er in der Landschaft wie etwas Selbstverständliches. Alles Ewige ist selbstverständlich.
Nur versteht man es nicht, weil es so selbstverständlich ist, so, wie man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht.
Was gilt ein einzelner, ein Mensch, ein Geschlecht, im Verhältnis zum Hof? Wenn er nicht in der Ewigkeit steht, fällt mit ihm das Volk und ist nicht mehr. Alles ist Frucht des Hofes. Er allein muß bleiben, wenn alles wankt.
Hier halten sie Hochzeit, damit der Hof wieder Erben und Betreuer habe; sie tragen das Kindlein zur Taufe und stellen sich schon vor, wie es auf dem Hof einmal werken wird; sie legen sich so leicht in den Tod, wenn sie Gewähr haben, daß der Hof nicht gefährdet ist. Der Hof muß sein, damit die Sippe sei. „Der Hof steht in der Ewigkeit.“
Tausend Jahre steht er schon und mehr. Krieg hat ihn verheert; Not hat ihn verzehrt; Brand hat ihn vernichtet; Pest hat ihn entvölkert. Wie durch ein Wunder wuchs er immer wieder aus den alten Grundmauern zur Giebelhöhe und dem alten Wetterkreuz. Des Volkes Heimstatt ist und bleibt der Hof. Wenn alles andere vergeht, hier ist ewiges Geborgensein.
Die Wanduhr in der alten Bauernstube weiß es. Sie tickt und takt es über der Wiege des Stammhalters in die Stille der Stube.
Tröstlich, unvergeßlich dröhnt mir in den Ohren der Dreschtakt aus der Scheune her:
„DER HOF STEHT IN DER EWIGKEIT!“ AMEN!