der elendsbrunnen BEI REMAGEN
Nicht weit von Remagen, wo heute ein schöner Weg von der breiten Landstraße in die Mohl führt, liegt links am Wege ein kleiner Wald, den Stadtarchivar Langen in seinem Schriftchen „Flurnamen von Remagen“ Elendsbrunnen nennt. Hier stand im Mittelalter ein Elends- oder Siechenhaus. Ein solches Haus mußte immer an ein fließendes Wasser gebaut werden. Die Quelle, die damals in einem klaren Bächlein durchs Tal eilte, ist heute in einem kleinen Wasserhäuschen gefaßt.
Vor ein paar hundert Jahren wurde Remagen noch von einer schrecklichen Krankheit, die wir aus der Bibel als Aussatz kennen, heimgesucht. Wer die Anzeichen dieser Krankheit an sich trug, mußte die Stadt verlassen, weil die gesunden Menschen nicht angesteckt werden wollten. Bevor der Kranke aus der Stadt geführt wurde, ermahnte ihn der Priester, ein guter Christ zu bleiben. Alle Geräte, die er mitnahm, wurden gesegnet. Anverwandte und Freunde beschenkten den armen Kranken. Dann setzte sich ein trauriger Zug in Bewegung. Voran trug man das Kreuz wie bei einem Leichenbegängnis. Manche Träne wurde in dem schönen Tal hinter dem Appollinarisberg geweint. Wenn der Zug am Elendshause ankam, warf der Priester ein Stück Rasen vom Friedhof auf das Dach des Hauses mit den Worten: „Sei abgestorben der Welt und lebe für Gott.“ Dann wurde ein Opferstock für den Kranken aufgestellt. Dieser war nun aus Familien- und Stadtgemeinschaft ausgeschlossen. Er bekam ein langes Gewand. Die Hände mußte er verhüllt tragen. Sobald er in die Nähe von gesunden Menschen kam, mußte er ein Zeichen mit der Klapper geben. Mit dem Siechenkleide angetan und mit der Klapper in der Hand, durfte der Kranke auch betteln, aber er durfte keinen Gesunden berühren. Gütige und mitleidige Menschen stellten Speise und Trank in die Nähe des Siechenhauses. Die Aussätzigen durften auch Vieh halten, verkaufen durften sie es nicht. Edle Männer aus dem Lazaristenorden nahmen sich in besonderer Weise der armen Verlassenen an. Freiwillig verließen sie Elternhaus und Heimat und widmeten sich ganz der Pflege dieser armen Kranken. Allmählich trat die Krankheit immer seltener auf. Die Elendshäuser wurden leer und verfielen. Nur eine Ortsbezeichnung erinnert noch an das Leid und Elend, das jene furchtbare Krankheit in unsere Heimat brachte.
A. Euteneuer