Der Dirigent Markus Stenz – ein Musiker von der Ahr auf den Podien der Welt
Die erste Begegnung mit Markus Stenz erlebte ich Anfang der achtziger Jahre. Im Künstlerbahnhof Rolandseck ließ Markus Stenz anläßlich der neugegründeten „Kreiskulturbörse“ eine der schwierigeren Klaviersonaten von Beethoven erklingen. Das pianistische Ergebnis war mehr als nur beeindruckend. Der damals Achtzehnjährige überzeugte mit hoher musikalischer Auffassungs- und Ausdrucksgabe, technischer Souveränität und vollendeter Spielkunst.
Die unvergessene Darbietung war nicht nur das Resultat eines gut vorbereiteten Klavierschülers der Kreismusikschule, sondern ließ durchaus ein besonderes musikalisches Talent erahnen.
Zur musikalischen Laufbahn
Markus Stenz ist innerhalb der letzten zehn Jahre in eine musikalische Laufbahn katapultiert, die weltweit nur einer Handvoll Künstlern beschieden bleibt. In internationalen Fachkreisen der Musik gilt er mittlerweile als feste Größe und hat sich auf den renommierten Musikpodien als erfolgreicher Dirigent etabliert. Die „Häuser“ seineropernproduktion und Gastspiele läßt man sich gerne auf der Zunge zergehen: Staatsopern München und Hamburg, Deutsche Oper Berlin, Mailänder Scala, San Francisco Opera.
Ebenso bedeutend sind die Orchester, mit denen er bereits auftrat, u. a.: die Radiosinfonieorchester Berlin, München, Köln und Turin; Sym-phony Orchestra BBC, Orchestre de Paris, Los Angeles Philharmonie Orchestra, Melbourne Symphony Orchestra. Dies sind nur einige der zahlreichen Höhepunkte in der atemberaubenden Laufbahn des hochbegabten Künstlers.
Als Begleiter auf dem Weg in das sicherlich geheimnisumwitterte Kunstmetier des Dirigenten tauchen in der Karriere des Künstlers so klangvolle Namen auf wie Leonard Bernstein und Seiji Ozawa, Hans Werner Henze und Michael Gielen.
Zum Werdegang
Markus Stenz wurde am 28. Februar 1965 in Bad Neuenahr-Ahrweiler geboren. Schon bald zog die Familie nach Kaltenborn, einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Dort leitete der Vater die „Zwergschule“ des Dorfes. Für seine Eltern, Edith und Gisbert Stenz aus Walporzheim, gehört Musik zu den elementaren Lebensbedürfnissen. Die Mutter ist leidenschaftliche Chansonsängerin; der Vater – bekannt als Rektor, Pädagoge und Chordirigent – hat die Musikschule des Kreises gegründet und ihr über viele Jahre an der Seite des damaligen Schulleiters, Helmut Krauel, Profil verliehen.
Im Alter von fünf Jahren erhielt Markus ersten Klavierunterricht bei der Musikpädagogin Haas-Paque in Ahrweiler. Er besuchte das Peter-Joerres-Gymnasium in Ahrweiler. wo er die achte Klasse übersprang. In der Kreismusikschule wurde Helmut Krauel sein Klavierlehrer. Markus Stenz errang während seiner Instrumentalausbildung mehrfach Preise beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ auf Regional- und Landesebene. Er nahm an der studienvorbereitenden Ausbildung der Musikschule teil und begann – nach erfolgreichem Bestehen der Aufnahmeprüfung – sein Dirigierstudium bei Prof. Volker Wangenheim an der Kölner Musikhochschule.
Markus Stenz über die Kreismusikschule
Auf die Zeit als Schüler der Musikschule des Kreises Ahrweiler angesprochen, entfacht er ein leidenschaftliches Gespräch: „Diese Zeit war für mich ungeheuer wichtig, weil die Musikschule gegenüber dem Privatunterricht eine unvergleichbare Vielseitigkeit zu bieten hat. Durch die Kreismusikschule wurde ich erst vom Einzelkämpfer zum vielseitigen Musiker. Die Möglichkeiten, die sich mir boten, habe ich reichlich genutzt. Ich war ein unermüdlicher Klavierbegleiter im Bereich der Kammermusik. Ich spielte in Ensembles, im Orchester und in der Big-Band, nahm Theorie- und Harmonielehreunterricht.
Musikschule war eigentlich immer .spannend‘. denn es passierte ständig etwas Neues. Klas-senvorspiele, Konzerte und vor allem kammer-musikalische Aufgaben verhalfen mir über den reinen Instrumentalunterricht hinaus zu musikalischen Fortschritten und verschafften mir das notwendige Training in der Öffentlichkeit. Die Vielfalt der musikalischen Angebote ,unter einem Dach‘ sind eine besondere Stärke der Musikschulen.“
Sein Plädoyer für die Ausbitdung junger Menschen an Musikschulen ist umfassend: „Nach meiner Überzeugung leben wir in einer Welt, in der Orientierungslosigkeit, Vereinsamung und Gewaltbereitschaft immer mehr zunehmen. Die Zukunft einer Gesellschaft hängt doch davon ab, inwieweit ihre Kinder und Jugendlichen Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl, innere Harmonie und Toleranz entwickeln können, um als gefestigte Menschen den Herausforderungen des Lebens gewachsen zu sein. Die Musikschulen eröffnen Kindern und Jugendlichen durch ihre Arbeit Chancen, Leistung aus eigener Motivation zu erbringen und gleichzeitig Kreativität und Ausdrucksfähigkeit zu entfalten. Sie werden daher mehr denn je dringend benötigt. Die Musikschule des Kreises Ahrweiler hat mir nicht nur eine wichtige und gleichzeitig schöne Plattform gegeben, mit Menschen in musikalische Kommunikation zu treten, sie hat mich durch die Beschäftigung mit Musik in starkem Maße positiv geprägt und beeinflußt.“1)
Der Dirigent Markus Stenz.
Begegnungen
Als junger Musiker erhielt Markus Stenz 1988 ein vielbegehrtes Stipendium in Tanglewood -einer international angesehenen Dirigentenschmiede für den musikalischen Nachwuchs in den USA. Leonard Bernstein und Seija Ozawa waren seine beiden Mentoren. Von 1989 bis 1992 leitete er bereits als musikalischer Direktoi das „Cantiere d ‚ARTE di Montepulciano“- Festival in der Toscana. Im Jahre 1994 übernahm ei sogar das renommierteste britische Ensemble für zeitgenössische Musik, die „London Sinfonietta“.
Die entscheidende Begegnung war für ihn die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Hans Werner Henze. Dieser lud ihn 1990 überra sehend ein, die Uraufführung seiner neuen Oper ,Das verratene Meer‘ an der Deutschen Oper in Berlin musikalisch zu leiten. Das Debüt gelang und öffnete ihm gleichsam das Tor in die internationale Musikwelt. Dankbar äußert sich Markus Stenz über Henze:
„Da gehörte schon eine Portion Vertrauen dazu. Ich hatte in Deutschland noch keine professionelle Opernproduktion gemacht und da hat Henze bei Götz Friedrich in Berlin durchgesetzt, daß ich seine neueste Oper uraufführe – ich meine, den Mut muß man erst mal haben! Das finde ich nach wie vor ganz großartig. Dann kam eben ,Das verratene Meer‘ in Berlin, an der Scala und in San Francisco – und damit war ich plötzlich auf der musikalischen Landkarte vorhanden.“2) Henze vertraute dem mittlerweile 32jährigen Markus Stenz inzwischen erneut eine Opern-Uraufführung an. Die Oper „Venus und Adonis“, in der Henze auf die antike Mythologie zurückgreift, wird in der Münchner Staatsoper ein Medienereignis. Stenz scheint für dieses Werk geradezu musikalisch prädestiniert zu sein:
„Mich begeistert an Henzes Musik der Reichtum an Farben, die charakteristische Harmonik, die Sinnlichkeit, das Komponieren aus dem Bauch heraus. Besonders die dreigeteilte Aufspaltung des Orchesters bei diesem Werk finde ich beeindruckend, denn dies ermöglicht einen enormen Klangreichtum und – trotz 70 Musikern -eine fast kammermusikalische Transparenz.“3) Die zeitgenössische Musik gehört für Markus Stenz zum festen Bestand seines musikalischen Repertoires, dennoch läßt er sich nicht festlegen als ein ausschließlicher Verfechter der Avantgarde. Er dirigiert nahezu „alles“: die Klassiker Beethoven und Mozart sind ebenso vertreten wie Strawinsky und Mahler.
Die nächste große Herausforderung erwartet Markus Stenz ab Frühjahr 1998 in Australien. Das Melbourne Symphony Orchestra hat den in Berlin wohnenden Künstler zu seinem neuen Chefdirigenten und künstlerischen Direktor gewählt. Ein umfassender Werkzyklus des Komponisten Gustav Mahler, ein nicht geringer Anteil an Haydn und Mozart sowie zeitgenössische Komponisten stehen auf dem Australien-Programm.
Quellenangaben:
1) Gespräche mit Markus Stenz am 24.7 u. 25.7.1997
2) u. 3) „Takt 4“-Musikmagazin der Münchner Staatsoper, Ausgabe 1/97 Friedemann Leipold
– „Rhein-Zeitung“ v, 24.07.97, „Ein Ohr für die Zeitgenossen“ Erfolgreich: Dirigent Markus Stenz (Anne-Kathrin Peitz)
– Gespräche mit Gisbert Stenz am 18.4. und 10.6.1997.