Der Bauer und der Staat
Von Wilhelm Heinrich Riehl (1823—1897)
Will sich’s der Staat angelegen sein lassen, daß der deutsche Bauer in seinem historischen Charakter auch künftigen Geschlechtern erhalten bleibe, dann kann er weiter nichts tun, als daß er störende und zersetzende Einflüsse von dem Bauernstände fernhält, seinen Sitten und Bräuchen nicht feindselig in den Weg tritt, seine ökonomische Lage bessert und ihn mehr und mehr zum festen, wohlabgerundeten Grundbesitz wieder zurückführt, den Dorfbauer wieder zum Hofbauern erheben hilft, bei Verfassungs- und Gesetzgebungsarbeiten aber niemals über die eigentümlichen Bedürfnisse des Bauern hinwegsieht, vielmehr diesen gemäß das ganze Staatswesen zu individualisieren sich bestrebt. Dadurch allein kann die Kluft zwischen dem Bauern und dem Gebildeten ausgeglichen werden, ohne daß jeder von seiner Eigenart etwas verloren gibt. Der Bauer wird dann mit der zähesten Liebe an der bestehenden Staatseinrichtung hängen, er wird zwar noch immer murren und brummen, weil er das überhaupt nicht lassen kann, und es gehört ja wohl auch zum Wesen des besten Staates, daß darin immer etwas gemurrt werde; aber zu mutwilligem, bübischem Aufruhr wider die Staatsgewalt, zum Zertrümmern der Grundpfeiler der Gesellschaft wird es der Bauer dann nie und nimmer kommen lassen. Der Bauer ist die erhaltende Macht im deutschen Volke: so suche man denn auch sich diese Macht zu erhalten.