DEM TEUFEL VERSCHRIEBEN
VON HUGO OSTERMANN
Der Wanderer, der auf der Straße Schuld—Münstereifel kurz hinter Schuld links einbiegt in das ruhige, unter Landschaftsschutz stehende Armuthsbachtal, genießt die Stille und Einsamkeit dieses Tales. Er kommt auf seinem Weg vorbei an einer zerfallenen Mühle, deren früher drei in diesem Tal standen. Die Bauern aus den auf den Höhen gelegenen Dörfern Wershofen, Pitscheid, Hummel, Ohlenhard brachten ihr Korn hierhin zum Mahlen. Diese Mühlen sind längst außer Betrieb.
Von der zerfallenen Mühle im Tal berichtet uns folgende Geschichte: Hier lebte einst ein Müller, der in große Schulden geraten war, weil er wenig gearbeitet, aber desto mehr sich das Leben angenehm gestaltet hat, so daß eines Tages seine Schulden weit mehr betrugen als sein Vermögen. Niemand borgte ihm mehr etwas. In seiner Not wandte er sich an den Teufel. Er rief ihn herbei wie der Schatzgräber, von dem uns Goethe berichtet. Der Teufel erschien, war auch bereit und verschaffte dem Müller Geld, soviel er wollte. Dafür forderte er nach zehn Jahren die Seele des Müllers. Dieser behielt sich aber vor, daß der Teufel ihm drei Tage vor Ablauf der Frist mitteilen müsse, wann er ihn abzuholen gedenke. Er hielt sich nämlich für schlauer und gedachte dem Teufel in diesen drei Tagen ein Schnippchen schlagen zu können. Der Müller setzte unter den Schuldschein seine Unterschrift, die mit seinem Blut geschrieben wurde. Nun hatte er Geld genug. Jedoch eine rechte Freude konnte bei ihm nicht wieder aufkommen. Mit Schrecken dachte er oft an den Tag, an dem der Teufel ihn abholen würde. So vergingen die Jahre.
Eines Tages klopfte ein feiner Herr, verkleidet als Jäger, an die Mühle an. Es war der Teufel. „Noch drei Tage, dann ist deine Zeit um, mach dich bereit!,, — Verschwunden war der Teufel; der Müller aber stand bleich und zitternd in der Haustür. Was sollte, was konnte er tun, um dem Teufel zu entrinnen?
In seiner Not vertraute er sich seinem braven Weibe an, welches mit größter Bestürzung nun erfuhr, wie es tun ihren Mann stehe. Als kluge Frau wußte sie jedoch Rat. Sie ging zu dem Pastor nach Wershofen, der als sehr frommer Priester allen bekannt war. „Nur der kann helfen“, so hoffte die Müllersfrau. Tief erschrocken darüber, daß eines seiner Pfarrkinder sich so vergessen konnte, nahm der Pastor sich sogleich des Müllers an. Er ließ durch vier kräftige Männer den Müller in die Pfarrkirche holen. Das war keine leichte Arbeit. Trotzdem es starke Männer waren, kostete es viel Mühe, Arbeit und Gebet; denn der Müller wurde von unsichtbarer Hand zurückgehalten. Als sie den Müller in die Kirche führten, war bereits die ganze Bevölkerung versammelt, die laut betete. So blieb der Müller zwei Tage und zwei Nächte in der Kirche, immer von frommen Betern umgeben. Es kam nun der dritte Tag. Die ganze Pfarrgemeinde war im Gotteshaus um ihren Pfarrer versammelt. Als die Stunde des Teufels immer näher rückte, ließ der Pfarrer eine Bütte mit Weihwasser im Gang aufstellen. In der Bütte stand der Müller. Laut und andächtig war das Gebet, deutlich hörte man den Müller aus den Stimmen der ändern heraus. Plötzlich gab es einen fürchterlichen Krach. Die Kirchentür sprang auf. Der Teufel stand im Eingang und rief: „Er ist mein und bleibt mein!“ Er wagte jedoch nicht weiter in das Gotteshaus zu gehen. Von der Tür aus winkte er dem Müller mit dem Schuldschein. Das Gebet der frommen Menschen und des Priesters schmerzten jedoch des Teufels Ohren derart, daß er wie gebannt vor der Kirche stehen blieb. Den heiligen Raum konnte er nicht betreten, noch viel weniger den Müller ergreifen, der mit den mächtigen Waffen des Gebetes umhegt war.
Da schon die Stunde des Bösen dahinschwand, warf der Teufel wutschnaubend, aber machtlos, den zerrissenen Schuldschein in die Kirche und verschwand mit lautem Getöse. So wurde der Müller von der betenden Gemeinde gerettet und geheilt. Von dieser Zeit an blieb er ein stiller, ernster Mann, den man nie mehr lachen sah. Ausgesöhnt mit seinem Gott, starb er wenige Jahre danach.