Das Weistum des Blankenheimer Hofes in Ahrweiler aus dem Jahre 1580
Josef Müller
In der mittelalterlichen Stadt Ahrweiler gab es 12 Adelshöfe. Der erste unter ihnen war der Blankenheimer Herrenhof. Er lag in dem Dreieck „Schützbahn“ — „Auf der Rausch“ und „Am Teich“ nahe beim Ahrtor.
Das ursprüngliche Herrenhaus stand über 500 Jahre und wurde 1752 abgerissen und durch einen Barockbau ersetzt. Mehrmals wechselte dieses Haus seinen Besitzer, bis es vor 1900 von dem aus Prüm stammenden, beim Amtsgericht Ahrweiler tätigen Amtmann Massen käuflich erworben wurde. Dieses „Masson’sche Haus“ ist vielen alten Ahrweiler Bürgern noch gut bekannt. Es wurde im zweiten Weltkrieg durch Bomben zerstört. Das Trümmergrundstück kaufte Herr Georg Noppeney von Frau Helene Löffler geb. Masson und errichtete sich dort, wo einst 700 Jahre lang der Blankenheimer Hof lag, ein schmuckes Eigenheim.
Im späten Mittelalter wurden Weistümer aufgeschrieben. Sie „wiesen“ die Rechtsverhältnisse zwischen dem Grundherren und seinen lehnspflichtigen Bauern und Winzern „auf“. Daher der Name „Weistum“. Aber oft galten die Regelungen schon seit Jahrhunderten als Gewohnheitsrecht. Die Brüder Grimm sammelten viele Weistümer, unter ihnen auch einige aus dem Kreise Ahrweiler. Das Weistum des Blankenheimer Hofes aus dem Jahre 1580 berichtet von den damaligen Besitz-und Rechtsverhältnissen, aber auch von interessanten Sitten und Gebräuchen. Das Original befindet sich im Landeshauptarchiv in Koblenz.
Zum Blankenheimer Hof gehörten 10 Geschworene. Alljährlich kamen sie zu drei unaufgebotenen Hofgedingen zusammen, nämlich am zweiten Montag nach dem Fest Hl. Drei Könige, am zweiten Montag nach Ostern und am zweiten Montag ab Johannismitsommer. Zur Herbstzeit lud der Schultheiß die Geschworenen zu einem Gelage ein. So heißt es — ins Hochdeutsch übertragen —:
„und wann solches geschieht, so sollen die Geschworenen, ehe sie zu Tisch gehen, erkennen der Herren Gerechtigkeit und wann solches geschehen, alsdann gehen die Geschworenen mit dem Schultheiß in den Keller, darin des Herren Wein liegt. Hier reicht der Schultheiß den Geschworenen reines Wasser und ein Handtuch, daß sie ihre Hände waschen. Alsdann gibt der Schultheiß den Geschworenen einen Bohrer, Zange und drei Zapfen. So haben die Geschworenen Macht, in das erste Faß zu stechen und zu versuchen von dem ersten bis zum zweiten und bis zum dritten, da müssen die Geschworenen verbleiben, der Wein sei sauer oder süß, und dann deckt der Schultheiß den Tisch und legt darauf Rauchfleisch, frisches Fleisch und Brot. Und an diesem Tage bleiben die Geschworenen sitzen bis zum Abend, so daß die Geschworenen eine Krähe mögen erkennen für einen Zaunstecken. Auch gibt jeder Geschworene dem Schultheiß sechs Albus für die „expensis“ (Auslagen an Fleisch und Brot), aber die Herren geben den Wein.“
So feierte man auf dem Blankenheimer Hof! Es steht nicht im Weistum, ob die Verwechslung wegen der Dunkelheit oder wegen des reichlichen Weingenusses geschah. Liest man das Weistum des Gereonshofes von Ahrweiler und Kirchdaun, dann spricht dies für den großen Weingenuß. Denn schon bei Beginn ließ der Schultheiß des St. Gereonsstiftes, binnen Köln gelegen, ein Bettuch über den Gartenzaun hängen. Von Zeit zu Zeit ließ er einen der jüngeren Höfner zum Gartenzaun gehen. Erst dann, wenn spät am Abend der Hof ner statt des Bettuches einen Wolf erkannte, hatte der Schultheiß das Recht, Feierabend zu gebieten und das Gelage zu beenden.
Andernorts, so in Kirmutscheid, durften die lehnspflichtigen Bauern so lange feiern, wie ein altes Karrenrad brannte und glühte. Um eine lange Zeit zu gewinnen, hatten die Höfner das Recht, das Rad vorher tagelang in Jauche zu legen, so daß das Verbrennen und Verglühen gar langsam vor sich ging. Bewirtete aber der Schultheiß die Höfner nicht mehr mit Speis und Trank, obwohl das Rad noch brannte, so hatten die Höfner das Recht, in die Dorfwirtschaft zu gehen und dort soviel vom mitgebrachten Zehnten zu verzehren als es ihnen möglich war.
Im Punkt 11 des Blankenheimer Weistums ist zu lesen:
„Auch ist gebräuchlich, jedes dritte Jahr, wenn ein Bürgermeister von wegen der Stadt Ahrweiler erwählt wird, so erscheinen Bürgermeister, Schöffen und Rat auf dem Dingplatz des Blankenheimer Hofes vor Schultheiß und Geschworenen, und alsda bestätigt der Schultheiß den Bürgermeister als von alters her gebräuchlichs, von wegen seiner Herren den Eid“.
Die Ahrweiler Schöffen und Ratsmitglieder stellten also alle drei Jahre den gewählten Bürgermeister dem Blankenheimer Hof vor. Die Blankenheimer bestätigten dann die Wahl und verlangten den Treueid. Dieses geschah, damit die adeligen und kirchlichen Grundherren den Bürgermeister „aestimieren“ = ehren und schätzen sollten. Daraus entwickelte sich der Brauch, daß der städtische Magistrat den Bürgermeister auch auf den anderen Adelsund Klosterhöfen vorstellte. Jeder Vorstellung schloß sich ein kleines Gelage an, so daß der Repräsentationszug zwei Tage in Anspruch nahm.
Aufgrund der Nachforschungen des früheren Kreisarchivars Rektor i. R. Jakob Rausch, Ahrweiler, kann festgehalten werden, daß auch die St. Sebastianus-Schützen nun ihrem König die gleiche Ehre erweisen wollten. Nach dem Vogelschießen besuchten sie in der Nacht nicht nur die 22 Herren- und Klosterhöfe, sondern auch weitere „ehrenwerte Stadtbürger“, wobei auf der Straße vor den Höfen ein Ehrentrunk gereicht wurde. Das war der Ursprung des alle drei Jahre stattfindenden Trinkzuges der St. Sebastianus-Bürger-Schützengesellschaft Ahrweiler.