„Das Tabakrauchen auf der Straße ist verboten!“ Polizei-Verordnung der Bürgermeisterei Burgbrohl von 1822
Straßenverkehrsordnung, Naturschutzverordnung, Gesundheitsverordnung – in allen möglichen Lebensbereichen sind der persönlichen Freiheit des Einzelnen durch Gesetze Grenzen gesetzt. Sinn der unzähligen Verordnungen ist, ein Zusammenleben aller in einer Gesellschaft zu gewährleisten. Das ist nicht neu, denn Reglementierungen gab es schon immer. Bereits in den antiken Hochkulturen der Sumerer, Ba-bylonier und Ägypter regelten Gesetze das Miteinander der Menschen. Nachfolgend wird eine Polizeiverordnung behandelt, die im Jahre 1822 für die damalige Bürgermeisterei Burgbrohl erlassen wurde. Sie gibt Aufschluß über das Leben unserer Vorfahren im vorigen Jahrhundert. Die Bürgermeisterei Burgbrohl entstand im Jahre 1815. Zu ihr gehörten die Ortschaften Burgbrohl, Niederoberweiler, Wassenach, Nie-derlützingen, Oberlützingen, Kell, Glees, Brenk und Galenberg. Im Jahre 1816 kam noch die Gemeinde Wehr hinzu, so daß sie schließlich zehn Orte umfaßte. Der Amtssitz war in Burgbrohl, obwohl dieser Ort bei weitem nicht der an Einwohnern stärkste war. Einer Erhebung von 1852 zufolge war Wehr die größte Gemeinde (damals 870 Einwohner). Es folgten Niederlüt-zingen (585), Kell (561), Wassenach (534) und Burgbrohl (470). Kleinste Gemeinde war Galenberg (116 Einwohner). Die Bürgermeisterei war Teil des ebenfalls 1815 geschaffenen Kreises Mayen, der zur Rheinprovinz des Königreiches Preußen gehörte.
Die Polizeiverordnung besteht aus insgesamt 26 Paragraphen. Geregelt werden verschiedene Bereiche, so beispielsweise die „Polizeistunde“. „Im Winter müssen abends um zehn Uhr, im Sommer abends um 11 Uhr alle öffentlichen Häuser verschlossen werden“, heißt es. Die Ortsvorstände der einzelnen Gemeinden sowie die dortigen Feldschützen sollten kontrollieren, ob das auch eingehalten wurde. „Die zuwiderhandelnden Wirte sowohl als die Gäste müssen beim Bürgermeisterangezeigt werden und werden mit einer Strafe belegt“.Brandverhütung
Bestraft wurden auch Personen, die auf offener Straße rauchten. „Das Tabakrauchen ist auf den Straßen untersagt, es sey denn, daß die Tabakspfeifen mit Deckeln versehen wären“, bestimmt die Verordnung. Hintergrund ist, daß die meisten Häuser der damaligen Zeit aus Fachwerk bestanden und mit Stroh oder anderen leicht entzündbaren Materialien gedeckt waren. So war denn Rauchen grundsätzlich an allen „feuergefährlichen Stellen“ verboten. Dem besseren Brandschutz diente auch folgender Paragraph: „Es ist verboten, mit Licht Heu- und Strohböden, Scheunen, Ställe und andere Orte, wo sich brennbare Materialien befinden, zu betreten.“ Elektrisches Licht kannten die Menschen der damaligen Zeit noch nicht. Petroleumlampen und Kerzen sorgten für Helligkeit. Natürlich war es schon mal nötig, am Abend auf den Heuboden oder in den Stall zu gehen. Hierzu durfte man dann aber nur ganz bestimmte Leuchten mitnehmen, nämlich „Laternen von Glas oder Hörn, die mit einem Gitter von Eisendraht umgeben, und deren Obertheil und Boden mit Blech bedeckt sind.“ Hierdurch sollte die Brandgefahr gemindert werden. Verboten waren grundsätzlich auch „Schießen mit Feuergewehren, Feuerwerke abbrennen, Raketen werfen oder Freudenfeuer anzünden. Apropos Feuer: Damals gab es noch keine freiwilligen Feuerwehren – diese wurden in der Brohltalregion erst Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts gegründet. Im Ernstfalle mußten alle Männer der einzelnen Dörfer bei der Brandbekämpfung mithelfen.
Einzelheiten regelten Feuerverordnungen. Aber auch unsere Polizei-Verordnung enthält eine Bestimmung zu dieser Thematik: „Wenn bei Nacht eine Feuersbrunst Statt hat, so ist jeder Hauseigentümer oder Mieter gehalten, vor seiner Wohnung vermittelst einer Laterne die Straße zu beleuchten“. Da es noch keine Straßenlampen gab, sollte auf diese Weise wenigstens notdürftig für Helligkeit gesorgt werden.Straßenreinigung
Auf Hausbesitzer bzw. Mieter kamen noch andere Pflichten zu. So wurde ihnen auferlegt, regelmäßig die Straße zu kehren „bis auf die Mitte der Straßen“. Und das „zweimal pro Woche: Mittwochs und Sonnabends bis 4 Uhr Nachmittags sind die Straßen zu reinigen und zu kehren, auch den Koth und Unrath desselben Tages müssen die Anwohner wegschaffen lassen“. Die wenigsten Straßen der Brohltaldörfer waren damals befestigt. In Regenperioden verwandelten sich die Dorfgassen deswegen oft in Schlammlandschaften, in Trockenzeiten sorgten sie für eine enorme Staubentwicklung. „Während der Sommerhitze muß jeder Eigenthümer und Mieter vor seinem Hause zweimal des Tages um 9 Uhr morgens sowie zwischen vier und fünf Abends die Straße gießen, damit es nicht staubt“. Dieser Paragraph bedeutete für die Bürger viel Arbeit. Es gab damals keine Wasserleitungen. Das lebenswichtige Naß mußte aus Brunnen mühsam in die Häuser geschafft werden. Zudem gab es in den einzelnen Orten Brandweiher, in denen Regenwasser aufgefangen wurde. Das Ausspülen der Wäsche und das Säubern des Gemüses an den Pumpen und Brunnen war ebenso verboten wie das Viehfüttern auf den Straßen. Unreinigkeiten durften ebenfalls nicht auf die Straßen ausgegossen werden. „Wenn es im Winter Glatteis gibt, muß vor den Häusern Asche gestreut werden“, besagt Paragraph 13 der Polizei-Verordnung. „Schnee- und Eisabwerfen von den Dächern auf die Straße ist verboten.“
Wie erwähnt, gab es noch keine Wasserleitungen, es gab natürlich auch kein Abwasserkanalsystem. Abwässer wurden in Sickergruben eingeleitet oder liefen teilweise auf die Straße. „Alle Spülsteine, die auf die Gasse laufen, müssen so eingerichtet werden, daß dem Vorübergehenden durch das Ausschütten des Wassers kein Schade geschehen kann“, fordert die Polizei-Verordnung.
Erste Anzeichen eines Umweltschutzes enthält die Verordnung ebenfalls. So war es verboten, „Unrath in den Bach zu werfen oder solchen am Ufer aufzuhäufen“. Interessant sind die Paragraphen, in denen geregelt wird, wie die Bevölkerung ihre Toiletten – also „Plumsklos und „Donnerbalken“ – zu säubern hat. „Es darf kein Unflat aus den Abtritten in Gärten, Höfen oder innerhalb des Ortes gelegenen Feldern niedergelegt oder geworfen werden“, schreibt die Verordnung vor und regelt gleichzeitig, wann „die Häuschen“ geleert werden durften. „Mit dem Reinigen und Fortschaffen des Unrathes darf vor zehn Uhr abends nicht angefangen und es muß um fünf Uhr morgens damit aufgehört werden.“ Bestraft wurde auch, wer seine Toilettenanlagen überhaupt nicht säuberte, denn in der Verordnung heißt es: „Sollte jemand die Reinigung der Abtritte unterlassen, und dadurch der Gesundheit schädliche Ausdünstungen und andere Nachtheile den Nachbarn verursacht werden, so soll nach fruchtloser Aufforderung zum Reinigen dieselbe auf Kosten des Unterlassers geschehen. Der Säumige soll vor das Polizeigericht gebracht werden.“
Wehr war 1852 die größte Gemeinde in der Bürgermeisterei Burgbrohl. Die Wehrer Dorfstraße vor 1940
Ferner enthält die Verordnung einige Hinweise auf Arbeitsschutzgesetze. „Wenn Leiendek-ker auf Häusern arbeiten, müssen sie vor denselben zwei Latten, kreuzweise zusammengebunden, tief genug in die Straße herablassen, um die Vorübergehenden zu warnen.“ Wer sein Haus renovieren und ein Gerüst aufgestellt hatte, mußte das nachts beleuchten. Faßbindern und Weinhändlern war es verboten, ihre Fässer auf den Straßen oder öffentlichen Wegen zu binden oderzuzuschlagen. Die Heu- und Erntewagen durften nicht übermäßig hoch beladen werden. „Das Fahren und Reiten durch die Straßen darf nur im Schritte geschehen“, fordert die Verordnung und „den Kutschern wird es zur strengen Pflicht gemacht, bei den Wendungen aus einer Straße in die andere größte Vorsicht zu gebrauchen“.
Schließlich regelt die Polizeiordnung auch das Verhalten der Menschen während der Karnevalszeit. „Die Maskeraden auf den Straßen und öffentlichen Plätzen sind bloß an den drei letzten Fastnachtstagen erlaubt. Maskierten Personen ist es untersagt, auf den Straßen, Bällen, Redouten oder sonstigen Tanzböden bewaffnet zu erscheinen. Außerdem ist es untersagt, durch Äußerungen oder Gebärden die Ehrbarkeit der Bürger zu verletzen, Veranlassung zu Streitigkeiten zu geben oder sonst auf irgendeine Weise die Ruhe zu stören.“
Wie man sieht, enthielt die „Polizei-Verordnung“ eine ganze Reihe von unterschiedlichen Reglementierungen. Auch wenn sie uns heute teilweise etwas wunderlich vorkommen, so hatten sie doch ihren Sinn und regelten eine vernünftiges Miteinander der Menschen. Ob sich die Bevölkerung allerdings immer daran gehalten hat – etwa bei der Polizeistunde oder beim Kehren der Straßen – ist zu bezweifeln. Sicherlich werden die Hüter des Gesetzes auch damals schon einmal ein Auge zugedrückt haben.