Das steinreiche Dorf
Lehrer Range +, Hoffeld
Zwischen Adenau und Blankenheim in der Amtsbürgermeisterei Antweiler erhebt sich der 519 Meter hohe Burg-Kopf bei Hoffeld, in weiter Runde umkränzt von den Berggipfeln der Hocheifel. Von fern sieht man, daß Menschenhände die Gestalt der Bergkuppe verändert haben. Nach Südwesten gähnt ein gewaltiges Loch, das dem sterbenden Bergkegel ein verzerrtes, unheimliches Gesicht verleiht. Näherkommend steigen vor uns Tausende von schmalen, schlanken Säulen auf, die einmal, senkrecht zum Himmel steigend, einer gewaltigen Orgel gleichen und dann wieder, schräg lagernd, einen ungeheuren steinernen Fächer darstellen. Es ist der Basaltsteinbruch bei Hoffeld.
In der Tertiärzeit, als sich das Hochgebirge der Alpen auftürmte, da gleichzeitig das rheinische Schiefergebirge sich hob und eine Bruchlinie gegen die Kölner Bucht entstand, durchbrachen gewaltige feurige Lavamassen die Devondecke und die Berge spien die feurigen Massen aus. An vielen Stellen aber vermochte die Lavamasse nicht, den starken Devonmantel zu sprengen. Nur als Domberge, Quellkuppen oder Pilzberge wölbte die Lavamasse, innen noch von der starken Devondecke umhüllt, sich auf. Unter dem starken Druck und bei großer Hitze formte sich die Lavamasse zu den vier- bis achtkantigen Säulen. Im Laufe von vielen hunderttausend Jahren wurde die Devondecke durch Wind, Wasser, Hitze und Kälte zernagt und abgetragen und auf der heutigen Bergspitze treten nun die Basaltsäulen zu Tage.
Seit wann die Menschen diesen Basalt zu Bauzwecken gebrauchten, ist nicht bekannt. Wohl zeigen Reste eines steinernen Walles, der eine Grundfläche von etwa 8 m und eine Höhe von etwa 1,50 m
heute noch hat, daß in frühester Zeit Menschen aus den Basaltsteinen rings um den Kopf herum eine Fliehburg bauten. Die einstige Fliehburg hat auch dem Berge den Namen „Burg-Kopf“ gegeben. Seit Menschengedenken haben die Hoffelder Einwohner hier ihre Steine gebrochen. Aber erst seit 1913, als die Basalt-A.G. in Linz neben vielen anderen Basaltbrüchen auch die Hoffelder Steinbrüche pachtete, wurde die Ausbeutung des Basaltvorkommens in großem Stile begonnen. (Neben dem Burgkopf befindet sich noch die kleinere Erhebung „Düngerlay“, die auch basaltischen Ursprungs ist.) Zwei Abbausohlen sind bereits entstanden, während in diesem Jahre die dritte Sohle in Angriff genommen wird.
Die Gewinnung des Basalts ist ein an sich einfaches Verfahren. Nachdem die Erde beseitigt ist, beginnt man im Tagbau mit der Ausbeute. Die meist von einem dünnen Belag getrennten Säulen werden von den Steinbrucharbeitern mit einer etwa 1,60 m langen Brechstange gelöst. Der Steinbrecher arbeitet auf einem kleinen Vorsprung stehend, durch ein Seil gesichert, oft an senkrechter Abbauwand. Schwer poltern die Säulen, die meist eine fünf- oder sechseckige Form aufweisen, auf die Sohle. Es ist natürlich bedeutend einfacher, den Stein in größeren Mengen durch Sprengungen zu lösen. Dies geschieht aber nur dann, wenn die Gesteinsmassen wild durcheinandergewachsen sind und als Säulen nicht verwendet werden können. Früher wurde das Material, das als Säule nicht in den Handel gebracht werden konnte, als lästiger Abfall zur Halde aufgetürmt. Heute werden diese Abfallsteine, Krot-zen genannt, durch maschinelle Arbeit zu dem stark gefragten Schotter und Splitt verarbeitet.
Auf der Sohle wird der gebrochene Vorrat sortiert und in bereitstehende Loren verladen. Der Fachmann unterscheidet die A- und die B-Produktion. Unter A-Produktion versteht man die Steine, die an Ort und Stelle mit Hämmern auf bestimmte Größen verarbeitet werden, als Grenz- und Wasserbausteine Verwendung zu finden. Das zurückbleibende Steinmaterial bezeichnet man als B-Produktion (Abfallgestein = Krotzen). Die schweren Loren werden außerhalb der Sohle zu Zügen bis zu 20 Wagen zusammengestellt und von Lokomotiven zu den Bremswerken befördert. Von hier aus sausen die Loren unter Ausnutzung der natürlichen Kraft den etwa 200 m langen Bremsberg hinunter. Zwei aneinandergekoppelte, beladene Loren ziehen bei ihrer Bergabfahrt zwei leere Loren den Berg hinauf. Die Geschwindigkeit wird durch Bremsen reguliert. Während die zum Versand fertigen Säulen über einen weiteren 290 m langen Bremsberg, der ein Gefalle von 33 %> hat, zum Verladebahnhof Ahrdorf eilen, werden die Krotzen zur Brecheranlage geleitet. Hier wandern die Abfallsteine über eine Schurre in den Brecher. Nach ihrer Zerkleinerung sortiert eine 13 m lange Siebtrommel das Gemisch in verschiedene Korngrößen. Je nach Größe erhält man nun Schotter (35 bis 65 mm), Splitt (8—35 mm) und Sand (0—8 mm). Der Brecher hat eine Höchsttagesleistung von 250 Tonnen.
Da die Basaltsäulen infolge ihres hohen spezifischen Gewichts, ihrer Druckfestigkeit und Wetterbeständigkeit sich einzigartig für Wasserbauzwecke eignen, gehen sie fast ausschließlich an das Meer und trotzen hier in geballter Schichtung den in Sturmtagen gefräßigen Wogen des Meeres. So sind Säulen des Hoffelder Steinbruches in unendlicher Zahl nach Holland zur teilweisen Trockenlegung der Zuidersee versandt. Der Damm, der die Insel Sylt mit dem Festland verbindet, dankt seine Festigkeit den Hoffelder Basaltsäulen. Auch heute noch reisen diese Säulen an die deutsche Nordseeküste, um Kaimauern zu werden und um dem Meere abgerungenes Land zu sichern.
Schotter oder Kleinschlag wurde in unendlicher Menge zum Bau des Nürburgringes verwandt und wird heute in steigendem Maße zum Ausbau des Straßennetzes in der Eifel gebraucht. Außerdem benötigt die Eisenbahnverwaltung jährlich Kleinschlag als Bettungsmaterial für den Schienenstrang. Bei der Herstellung der staubfreien teer- und asphaltgebundenen Straßendecke wird das ganz feine Material, der sogenannte Edelsplitt, als hervorragender Baustoff verwandt. So wandern ungeheure Mengen Splitt an die Straßenbauverwaltungen, so daß Splitt und Sand mengenmäßig als Stoffe für den Hochbau nur eine geringe Rolle spielen.
Die Arbeit im Steinbruch erfordert einen durchaus gesunden Menschen. Allen Witterungseinflüssen ist der Arbeiter ausgesetzt. Im Sommer strahlt das Gestein eine sengende, tropische Hitze aus, im Herbst und Winter stellen Regen, Kälte und Schnee an den dort Schaffenden höchste gesundheitliche Anforderungen. Die Belegschaft, die z. Zt. ungefähr 90 Mann zählt, setzt sich zum größten Teil aus Hoffeldern zusammen. Nach der schweren täglichen Arbeit im Steinbruch ist der einzelne gezwungen, seine mehr oder weniger große Landwirtschaft zu besorgen. Harte und nicht abreißende Arbeit füllt das Leben des Hoffelder Steinbrucharbeiters aus, in deren Bann Frauen und Kinder in besonderem Maße gezogen sind.
Durch den Zweiten Weltkrieg kam der Betrieb fast zum Erliegen. Er ist auch heute noch nicht auf seinem früheren Stande angelangt.