Das „Päda“ in Bad Neuenahr
Lohnt es sich. über eine ebene Rasenfläche nachzudenken. deren Aufgabe augenscheinlich nur darin besteht, ein unbebautes Grundstück nicht verwildert aussehen zu lassen? Nein, natürlich nicht! Es sei denn, daß es mit diesem Grundstück eine besondere Bewandtnis hat. Und die ist bei der mit Blumenrabatten begrenzten Grünfläche vorhanden, in die gegenüber vom Kaufhaus Moses in Bad Neuenahr einige Bänke eingelassen sind, die zum Verweilen einladen. Dort an der Ecke Bergstraße zur Haupstraße erinnert nichts daran, daß auf diesem Grundstück mit der früheren Hausnummer 78 bis zum Jahre 1981 ein Traditionsreiches Haus gestanden hat. das mehr als einhundert Jahre in unterschiedlichen Funktionen genutzt wurde.
Das renommierte „Bonns Kronenhotel“ um 1900
Bonns Kronenhotel
Im Jahr 1871, als deutsche Truppen den Krieg gegen Frankreich gewannen, und in Versailles die Proklamation des preußischen Königs Wilhelm I. zum deutschen Kaiser gefeiert wurde, kaufte Theodor Bonn aus Wadenheim vom königlichen Kammerherrn Maximilian von Breuning aus Düren an der genannten Stelle ein über 5000 m- großes Grundstück.1) Bereits ein Jahr später konnte der Grundstücksbesitzer, der sich nun zu Recht Hotelier nannte, sein ..Hotel zur Krone“ einweihen. Er war zwanzig Jahre nach der Entdeckung der Heilquellen von der Zukunft des Badeortes überzeugt. Denn sonst hätte er es nicht gewagt, „Bonns Kronenhotel“ gegenüber von zwei großen Häusern zu errichten. die bereits als „Hotel Hof von Holland“ und „Hotel Kaiserhof‘ von Kurgästen aus aller Welt besucht wurden. Damals konnte er sich auf diesen Wettbewerb nur einlassen, weil sein Haus nicht nur in der Größe, sondern auch im Komfort mit den vorher erbauten Häusern konkurrieren sollte. Heute allerdings erinnert an dieser Stelle der Hauptstraße nichts mehr an diese große Zeit des vornehmen Badeortes der gehobenen Stände. Auch diese beiden Hotels, die zunächst eben in Wadenheim und erst später dann im Kurort Neuenahr standen, verschwanden nach dem Zweiten Weltkrieg, um Platz für das Kaufhaus Moses zu machen. Allerdings kam vorher dem dort stehenden „Hotel Kaiserhof“ eine Aufgabe, zu deren Auswirkungen den Abriß des Hotels „Zur Krone“ zunächst hinauszögerten, ihn aber letztendlich auch nicht verhindern konnte. Auf Veranlassung der französischen Militärregierung und der bereits installierten deutschen Landesregierung in der damaligen französischen Besatzungszone begann nämlich am 21. April 1947 in Bad Neuenahr im „Hotel Kaiserhof“ eine „Pädagogische Anstalt als Vorbereitungsanstalt für den Lehrernachwuchs“ ihre Arbeit. Hier sollten junge Mädchen nach einer Aufnahmeprüfung sich für den Beruf als solche Lehrerinnen ausbilden lassen, „die auf den Gebieten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens den neuen Typ des deutschen demokralischen Lehrers schaffen.“2) Aber bereits im September des Gründungsjahres war mit 74 Internatsschülerinnen das „Hotel Kaiserhof‘ vollständig belegt. Nicht nur der erste Direktor dieses Pädagogiums, Dr. Ernst Hartmann und sein Lehrerkollegium, sondern auch alle Schülerinnen sahen täglich, daß auf der anderen Straßenseite das weitaus größere und in besserem baulichen Zustand befindliche „Hotel zur Krone“ stand. Aber dorthin konnte man nicht umziehen, weil in diesem Haus französische Besatzungssoldaten untergebracht waren. Es wurde sofort nach dem Kriegsende 1945 von der Militärregierung für eigene Zwecke benutzt, da man es als nationalsozialistisches Volkseigentum beschlagnahmte. Noch bis zum Jahr 1939 war dieses Haus über die Generationen hinweg im Besitz der Familie Bonn geblieben. Nur zwei Jahre lang hatte danach Hermann Hodde aus Bochum das „Hotel zur Krone“ weitergeführt, bis er es 1941 der NS Volkswohlfahrt e.V. in Berlin verkaufte.
In dem Gebäude des ehemaligen Hotels war die Schule 17 Jahre, das Internat 32 Jahre lang untergebracht
Internatsschule
Dem Verhandlungsgeschick von Dr. Hartmann gelang es, die Militärregierung davon zu überzeugen, das gerade gegründete „Päda“ – wie das Pädagogium bereits damals genannt wurde – als Internatsschule auf die andere Straßenseite in das „Kronenhotel“ zu verlegen. Nach einigen Reparatur- und Umbauarbeiten wurde am 16. November 1948 – wenige Monate nach der Währungsreform – die Einweihung gefeiert. Von diesem Tag an gab es dort, wo früher die Kurgäste Erholung suchten, in den umfunktionierten Speise- und Tagungsräumen den Unterricht dieser noch so jungen Schule, und in den Gästezimmern arbeiteten, lebten und schliefen die Schülerinnen. Da es sich um ein Mädcheninternat handelte. war es selbstverständlich, daß neben dem Lehrkörper auch eine Heimleiterin, Heimerzieherinnen. eine Köchin, sowie Reinigungspersonal eingestellt wurden. An diesem Haus. das bald in der Stadt nicht mehr „Kronenhotel“, sondern nur noch „Päda“ genannt wurde, kann die Geschichte der Entwicklung dieser Schule aufgezeigt werden, die schon bald vom Mädchenpädagogium sich zur Koedukation mit Jungen (1951) erweiterte, danach zur „staatlichen Aufbauschule mit Internaten für Jungen und Mädchen“ (1953) umgewandelt wurde und so den Charakter einer Vorbereitungsanstalt für den Lehrernachwuchs aufgab. Bereits ein Jahr vorher hatte das mittlerweile gegründete Bundesland Rheinland-Pfalz das Grundstück mit dem aufstehenden Gebäude erworben. Die Schülerzahlen stiegen weiter, weil die Landesregierung dieses Schule dazu ausersehen hatte, Schüler aus der sowjetisch besetzten Zone aufzunehmen; denn hier am Päda gab es Lehrer, die Russisch als Fremdsprache im Unterricht anbieten konnte. Wegen der dadurch immer größer werdenden Raumenge mußten 1953 die Mädchen in das ehemalige Walburgisstift umzuziehen, wo bis 1975 ein Mädcheninternat bestand.4) Aber nach wie vor fand der Unterricht auch für sie zusammen mit den Jungen statt. Mit dem Bau der Berliner Mauer im Jahr 1961 versiegte der Zuzug von Schülern aus der DDR. Das hatte zur Folge, daß sich der Charakter der Schule weiter veränderte. Es kam zur Gründung besonderer Obersstufenklassen für solche Schüler, die in der Stadt oder in Rheinland-Pfalz eine Realschule absolviert hatten. 1974 wurde dann die Umwandlung der Schule in ein Vollzeitgymnasium vollzogen. Aber nach wie vor gab es das Päda. Nur hatte es mittlerweile die Aufgabe, ausschließlich ein Jungeninternat des 1965 in Bad Neuenahr erbauten Are-Gymnasium zu sein. Jeden Morgen wanderten seitdem die Jungen von der Hauptstraße durch die Landgrafenstraße zur Mittelstraße 110, wo sich jetzt ihre Schule befand. Aber es gab im Laufe der Jahre immer weniger Schüler, die im Internat in der Hauptstraße wohnten. 1980 waren es gerade noch acht! Das bedeutete, daß das Internat nach 33 Jahren geschlossen werden mußte, und alle dort Beschäftigen sich beruflich neu zu orientieren hatten. Zu Beginn des Jahres 1981 zitiert die Bad Neuenahrer Chronik den damaligen Ersten Beigeordneten Winfried Schneider aus seiner Pressemitteilung:5) „Seit einiger Zeit steht die Stadtverwaltung in Verhandlungen mit dem Land zum Ankauf des ehemaligen „Päda“ an der Haupstraße in Bad Neuenahr. Die Stadt hat inzwischen die Konditionen des Landes akzeptiert“. In seiner nichtöffentlichen Sitzung befaßte sich der Stadtrat mit dem Ankauf des Objekts. Er gab hierzu seine Zustimmung. Für die zukünftige Gestaltung des Stadtbildes Bad Neuenahr im Bereich zwischen Bahnhof und Hauptstraße westlich des Rathauses, bildet das Päda einen Schwerpunkt. Was konkret hier geschehen soll, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, daß es so nicht bleiben kann. Es werden Überlegungen anzustellen sein, wobei die Vorstellung der Stadtverwaltung in Richtung auf ein Wohn- und Geschäftshaus abzielt. Es bleibt zu hoffen, daß von Rat und Verwaltung die städteplanerischen Möglichkeiten, die sich durch den Erwerb des Hauses und Grundstückes für die Zukunft anbieten, auch voll zum Wohle der Stadt genutzt werden.“
Wer noch in der Stadt die Hoffnung nährte, daß entweder durch Umbau oder Anbau das traditionsreiche Gebäude erhalten werden könne, sah sich schon bald enttäuscht. Denn wenige Wochen später beantragte die Stadtverwaltung nachdem Ankauf des Päda bei der Kreisverwaltung am 9. Februar 1981 den Abbruch des „umbauten Raums von 14.450 cbm.“6) Die Abbruchgenehmigung erfolgte am 16. April 1981. Der Bagger und die Lastwagen konnten anrücken!
Bevor mit den Arbeiten begonnen wurde, befestigten Schüler am Päda ein Spruchband mit der Aufschrift:
„Hier stirbt ein Stück Geschichte von Bad Neuenahr“.
In dem mundartlichen Beitrag von Hendrech und Josef in der Stadtchronik ging man im Juli darauf ein. Dort wurde eine historische Ansichtskarte von Bonns Kronenhotel mit folgender Unterschrift abgedruckt: „Hätte unser Bonns Kronenhotel 1981 noch so ausgesehen, wäre ein Abbruch wohl kaum zu verantworten gewesen. Aber 1981? keine Balkone mehr. Kein Park und Garten, kein Restaurant, der Stuck an den Fenstern abgeschlagen. Eine kalte, graue Hausfront. Parterre meterweit der Schmutz von jahrzehntelang hereingeschaufeltem Koks. Das äußere Bild verschmutzt und verkommen. Von all dem Glanz blieb das westwärts stehenden Türmchen.“ Wer immer auch der Verfasser dieser Zeilen gewesen sein mag, er hatte recht.
Denn bei einer notwendig gewordenen Renovierung war in der Tat die Fassade des Hauses so verändert worden, daß es an keiner Stelle mehr an ein Gebäude des Jahres 1872 erinnerte. Hier war in irgendeinem Bauamt mit Erfolg bei der Vorbereitung der Renovierung ein Haus aus der sogenannten Gründerzeit schon vor seinem Abbruch vernichtet worden.
Parkplatz
Auf dem nun wieder unbebauten Grundstück hätten -wie es die Zeitung berichtet hatte – „die städteplanerischen Möglichkeiten“ ausgeschöpft werden können. Aber was der damalige Schulleiter Dr. Herben Wiens schon am 28. Juni 1980 geschrieben hatte7), trat ein: „Das Haus, das vielen Schülergenerationen 33 Jahre lang ein zweites Zuhause war, wird in Kürze einem Parkplatz weichen müssen.“ Und an gleicher Stelle heißt es auf der letzten Seite in einem Gedicht von Studienrat Melchiors:
Pädaner gaben einem grauen Riesen Leben.
Der graue Riese war für viele ein Zuhaus!
Nun stirbt das alte, graue Haus:
So planen Planer eben.
Die Stadtverwaltung hatte vorgehabt, „die städteplanerischen Möglichkeiten, die sich durch den Erwerb des Hauses und Grundstückes für die Zukunft anbieten, zu nutzen“. Seitdem sind 17 Jahre vergangen und es ist nichts geschehen. Nach wie vor parken auf einem Teil des Grundstückes Autos. Und auch der verbliebene grüne Rasen kann nicht mehr erzählen, daß dort einmal das Päda stand. Ein Stücke Neuenahrer Tradition gerät immer mehr in Vergessenheit.
Anmerkungen:
- Auskunft des Katasteramtes Bad Neuenahr-Ahrweiier zu den verschiedenen Eigentümern der Flurstücke 35/3 und 40/4 m der Flur 11 Gemarkung Bad Neuenahr
- Aus: 40 Jahre ARE-Gymnasium Bad Neuenahr im Mai 1987, herausg. v. Staatl. Are-Gymnasium Bad Neuenahr, Seite 32. Obwohl ausschließlich Mädchen Aufnahme fanden, wurde in den Lehrplänen nicht von Lehrerinnen, sondern von Lehrern gesprochen.
- So in dem 1980 von Dr. H. Wiens herausgeg. Heft „Unser Päda“, 20 Seiten. Internat für Schülerinnen und Schüler des Staatlichen Are-Gymnasiums Bad Neuenahr 1947-1980
- Vgl. Hans Warnecke, Das ehemalige Walburgisstift. In: Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 1989. S. 59-62
- Archiv der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler
- Stadtarchiv
- Vgl. Anmerkung 3