Das Jugendgästehaus in Bad Neuenahr-Ahrweiler

Die Jugendherbergen in Rheinland-Pfalz und Saarland auf neuen Wegen in die Zukunft

Den Rucksack geschultert, die Stiefel geschnürt und ein fröhliches Lied auf den Lippen – so zogen einst die Wandervögel durchs ganze Land. Abends kehrten sie in Jugendherbergen ein, wo ein Sack voll knisterndem Stroh wartete. Längst sind diese Zeiten vorbei. Jugendherbergen bieten heute mehr als nur Übernachtungsmöglichkeiten, auch wenn mancher den „guten alten Zeiten“ nachtrauert. Die Jugendherbergen alten Stils können sich den geänderten Freizeitbedürfnissen nicht ver­schließen und haben sich zu Freizeitstätten von hohem Niveau gemausert. Der Trend geht zu Herbergen mit besserer Infrastruktur, mit einem umfangreichen Angebot an Freizeit- und Ferienveranstaltungen und Seminaren. Prägten in der Vergangenheit hauptsächlich Schulklassen das Bild von der klassischen Jugendherberge, sind heute auch Familien und Seminarteilnehmer gern gesehene Gäste. Tagungsräume mit moderner technischer Ausrüs-tung sind Standard. Zur Ausstattung gehören modern eingerichtete Zimmer mit eigener Dusche und WC, z. T. behindertengerechte Zimmer und Sanitäreinrichtungen, Spielzimmer für die kleinen Gäste und eine Cafeteria. So wurden und werden im Zuge der Umsetzung des Konzepts „Jugendherberge 2000″ die Häuser im Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland konsequent Zug um Zug zu modernen und zeitgemäßen Einrichtungen umgestaltet.

Bemühungen um einen Neubau in der Kreisstadt

Da die Christoph-Strauck-Jugendherberge in Ahrweiler den gestiegenen Bedürfnissen nicht mehr entsprach, kam man in den 1970er Jahren zu Überlegungen, ein neues Haus im Stadtgebiet zu errichten. 13 Jahre dauerte es dann von den ersten Planungen bis zur Eröffnung des neuen Jugendgästehauses am 1. September 1990. Seit 1977 bemühten sich der damalige Landrat Dr. Egon Plümer, auch Mitglied des Vorstandes des DJH-Landesverbandes Rheinland-Pfalz, und der erste Beigeordnete der Stadt Winfried Schneider hartnäckig um den Neubau einer Jugendherberge. Auch der DJH-Kreisverband unter Vorsitz von Karl Saal setzte sich intensiv für einen Neubau ein und stellte an den Landesverband am 20. Mai 1980 folgenden Antrag: „Der Kreisverband Ahrweiler stellt hiermit an die am 14.6.1980 in der Jugendherberge Stahleck tagende Jahreshauptversammlung den Antrag, den Neubau einer Jugendherberge in Bad Neuenahr-Ahrweiler vorrangig in die Liste der geplanten Neubauvorhaben aufzunehmen.“ Der DJH-Landesverband Rheinland-Pfalz konnte nach intensiven Bemühungen auch für dieses Vorhaben gewonnen werden. Im Geschäftsbericht 1981 heißt es: „JH-Neubauplanung: Neben das Koblenzer Projekt, Jugendgästehaus mit Jugendherberge als Ersatz für die auf der Festung Ehrenbreitstein eingerichtete Jugendherberge, ist im Berichtsjahr auch die Planung einer neuen Jugendherberge in Bad Neuenahr-Ahrweiler getreten. Die Planungsabteilung des Lvb hat den Vorentwurf erstellt, der mit der Stadtverwaltung und dem Kreisbauamt bereits abgestimmt wurde.“1) Nachdem sich Stadt, Kreis und Jugendherbergswerk grundsätzlich auf einen Neubau geeinigt hatten, traten Schwierigkeiten hinsichtlich der Finanzierung des für damalige Verhältnisse sehr teuren Projektes auf. So konnte man 1983 in der Bonner Rundschau lesen: „Neue Jugendherberge gibt es so bald nicht. Kaum noch realistische Chance für den Bau des 12-Millionen-Projekts in der Kreisstadt. Der Neubau einer Jugendherberge in Bad Neuenahr-Ahrweiler scheint in weite Ferne gerückt zu sein, weil der Landesverband Rheinland-Pfalz des Jugendherbergswerkes den erforderlichen Eigenanteil zur Finanzierung des nunmehr angewachsenen 12-Millionen-Projektes am Ahrufer gegenüber dem Bachemer Schulzentrum jetzt und in nächster Zeit nicht aufbringen kann… Mit Sicherheit, so Bock (Landesgeschäftsführer), bestehe nach wie vor die Notwendigkeit, neue Jugendherbergen in Adenau und in Bad Neuenahr-Ahrweiler zu bauen. Was den Bau in Bad Neuenahr-Ahrweiler anbetreffe, so sei man froh, dass die Stadt großzügigerweise für diesen Zweck ein bestens geeignetes Grundstück an exponierter Stelle bereitgestellt habe.“2) Doch bereits zwei Jahre später konnte DJH-Kreisvorsitzender Karl Saal verkünden, dass ‘das Jugendherbergsprojekt zumindest in Plangestalt Form annehme und sich die ersten Bagger in zwei Jahren in Richtung Piuswiese aufmachen sollten.’3) Es dauerte dann doch noch einige Jahre zähen Verhandelns, bis die Finanzierung stand: Von den Gesamtkosten in Höhe von 12,5 Millionen DM übernahm das Land 3,3 Millionen, der Bund 1,9 Millionen, die Stadt 1,6 und der Kreis 1,5 Millionen DM. Den Rest finanzierte der DJH-Landesverband.

Vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnung des Jugendgästehauses

Nachdem die Finanzierung geregelt war und die Stadt ein Baugelände von ca. 13.000 qm in zentraler Lage an der St.-Pius-Straße im Stadtteil Bachem zur Verfügung gestellt hatte, konnte die rheinland-pfälzische Sozialministerin Dr. Ursula Hansen am 9. Mai 1989 den ersten Spatenstich ausführen. Dr. Hansen betonte dabei, dass man mit diesem Bau neue Wege hin zu modernen Freizeit-, Seminar- und Tagungsstätten gehen werde: „Wir wollen Jugendlichen Anreiz geben, sich in dieser neuen Jugendherberge zu treffen, Freizeiten zu erleben und sich gegenseitig kennenzulernen… Traditionell finde ein sehr großer Anteil der Bildungs- und Schulungsveranstaltungen der Jugendverbände in den Jugendherbergen statt. Der Zulauf der letzten Jahre beweise, dass die Jugendherbergen über den reinen Übernachtungscharakter eine zeitgemäße Bildungs- und Freizeiteinrichtung für Jugendliche und Familien sind.“4)

Das Jugendgästehaus Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde am 1. September 1990 eröffnet. Ansicht des Gebäudes im Jahre 2000

Nach nur dreizehnmonatiger Bauzeit erfolgte am 12. Oktober 1990 durch den Ministerpräsidenten des Landes, Dr. Carl-Ludwig Wagner, die Einweihung des neuen Jugend-gästehauses. „Ein Jugendgästehaus der neuen Dimension“, „Gästehaus mit gehobenem Charakter“, „Eher Hotel für die Jugend als Herberge“, „Ein Magnet für die Jugend aus aller Welt“ sind nur einige der Schlagwörter, mit denen die modernste Jugendherberge in Deutschland charakterisiert wurde. Der verantwortliche Architekt Dieter Rumpenhorst von der Koblenzer Architektengruppe Voss schildert das Haus mit seinen Vorzügen wie folgt: „In der grünen Aue des Ahrtals an der Piusbrücke gelegen, unweit des Stadtzentrums, bietet das Jugendgästehaus… seinen Gä­sten einen angenehmen Aufenthalt. In 40 Gästezimmern zu 2 bis 4 Betten mit eigener Dusche, WC und Waschraum sowie 2 Einzelwanderer-Räume können insgesamt 140 Gäste übernachten. Für Gruppen und Schulklassen stehen 12 Tagungsräume… zur Verfügung. Von der Eingangshalle mit den Service-Räumen erreicht man den Speisesaal mit insgesamt 140 Sitzplätzen an Tischen sowie die zum Garten gelegene Cafeteria mit 40 Sitzplätzen zur Bewirtung der Gäste. An der Halle im 1. Obergeschoss, erschlossen von der Haupttreppe, liegt der große Saal, unterteilbar, für insgesamt 190 Personen zu Vorträgen und geselligen Veranstaltungen. Im Basement sind Spiel- und Sporträume so angeordnet, dass eine Lärmbelästigung der Gästezimmer vermieden wird. Besonderer Wert wurde auf die Unterbringung von Behinderten gelegt, denen im Erdgeschoss ein ganzer Trakt mit Behinderten-WC’s und Duschen zur Verfügung steht.“5) Einzelwanderer, Familien, Gruppen und Tagungsgäste fühlen sich hier wohl. Neben Freizeit und Erholung bietet das Jugend- gästehaus hervorragende Mög­lichkeiten für Veranstaltungen, Seminare und Tagungen. Und wer sich nach einem langen arbeitsreichen Seminartag nach Entspannung sehnt, der kann sie haben – durch seine zentrale Lage ist das Haus auch idealer Ausgangspunkt für viele Touren an Ahr, Rhein und in die Eifel.

Die Herbergseltern

Als „gute Seelen“ im Jugendgästehaus fungieren Maria und Wolfgang Appel. Zusammen mit 17 weiteren Mitarbeitern managt das erfahrene Ehepaar, das seit 1982 die Jugendherberge in Diez an der Lahn führte, den Herbergsbetrieb. Als Sohn der ehemaligen Ahrweiler Herbergseltern ist Wolfgang Appel von Kindheit an mit dem Metier vertraut. Er sorgt für den reibungslosen Ablauf, Ehefrau Maria kümmert sich in der modern eingerichteten Küche um das leibliche Wohl der Gäste. Guter Service für den Gast, Freundlichkeit und individuelle Betreuung der Gäste sind für sie ausschlaggebend. Die Zufriedenheit der Gäste ist höchstes Ziel der Herbergseltern.

10 Jahre Jugendgästehaus

Seit der Eröffnung im Jahre 1990 haben sich die Erwartungen, die man mit diesem Haus verknüpfte, erfüllt. Diese positive Entwicklung lässt sich an folgenden Schlagzeilen ablesen: „Erwartungen wurden deutlich übertroffen“ (1992), „Übernachtungsrekord im Jugendgästehaus der Kreisstadt“ (1994), „Rekordjahr für Jugendgästehaus“ (1997) und „Internationales Vorzeigeobjekt im AW-Land – Jugendgästehaus der Kreisstadt Publikumsmagnet“ (1998). Jacob Geditz, Geschäftsführer des DJH-Landesverbandes zog 1996 folgende Bilanz: „Die Erwartungen seit der Eröffnung im Jahre 1990, die man in dieses Haus gesteckt hat, haben sich erfüllt. Viele Gäste kommen wieder, der moderne Standard findet großen Anklang.“6)

Und so sieht die erfolgreiche Bilanz aus:

Übernachtungen   Gäste
1991  27.500    11.000
1992  27.275    11.594
1993  27.349    11.402
1994  30.207    12.341
1995  30.098    12.129
1996  31.474    13.799
1997  30.740    13.034
1998  30.549    12.838
1999  30.290    13.556

Das Gros der Klientel kommt übrigens aus Nordrhein-Westfalen – zwischen 70 und 80 Prozent. Im Einzelnen verteilen sich die Übernachtungszahlen wie folgt: Jugendgruppen machen ca. 30%, Seminar- und Tagungsteilnehmer ca. 40% und Familien ca. 15% der Gäste aus.

Dieser Erfolg ist kein Zufallsprodukt: Die Herbergen des Landesverbandes Rheinland-Pfalz/Saarland gelten als die modernsten in Deutschland. Seit 1990 hat der Landesverband ca. 100 Millionen DM in die Modernisierung seiner 46 Häuse investiert, was zu einer Steigerung der Übernachtungszahlen von 11,5% führte.

Viele Gäste kommen immer wieder gerne ins Jugendgästehaus. So war z. B. die Deutsch-Amerikanische Juristen-Vereinigung im letzten Jahr bereits zum 10. Mal zu einem Wochenend-Seminar zu Gast. 1990 war eine Delegation aus den USA und Kanada zu Besuch, 1997 eine Delegation des japanischen Jugendherbergswerkes, um vor Ort die Jugendarbeit und speziell die Freizeitmöglichkeiten der jugend- und gastfreundlichen Einrichtung kennenzulernen.

Dass das Jugendgästehaus ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und wichtiger Werbeträger für die Region darstellt, ist unbestritten. Das Haus bietet eine Alternative für die, die sonst nicht in die Region kämen. Dies wurde auch bei einem Informationsgespräch zwischen Vertretern des rheinland-pfälzischen DJH-Landesverbandes, des Kreisverbandes und den Vorsitzenden von KVV und TOUR hervorgehoben: „Hierbei wurde betont, dass ein modernes, gut geführtes Haus Werbung für die Kreisstadt sei, dass die positiven Eindrücke, die die Jugendlichen vom Jugendgästehaus und von der Region mitnähmen, später dazu führten, dass sie wieder als Gäste in die Stadt kämen.“7)

„Herbergen auf neuen Wegen in die Zukunft“, „Auf neuen Wegen in das Jahr 2000″ und „Jugendherbergen suchen nach Strategien für die Zukunft“ – so lauteten Schlagzeilen Ende der 1990er Jahre, die den Weg des Deutschen Jugendherbergswerkes ins neue Jahrtausend wiesen. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, macht der DJH-Landesverband Rheinland-Pfalz/ Saarland deutlich: „Die Philosophie moderner, zeitgemäßer und gästeorientierte Jugendherbergen spiegelt sich in dem Leitsatz und dem Wunsch unserer Gäste – ‚Jugendherbergen – Da will ich hin!‘ – wider. Dadurch kommt zum Ausdruck, dass die moderne, leistungsfähige und wettbewerbsfähige Jugendherberge den Gast und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellt. Wir verstehen uns als Ort, den Jugendliche, Familien, Schulklassen, Vereine, Verbände, Organisationen zur Durchführung ihrer Veranstaltungen und ihrer Ferien und Freizeitaktivitäten gerne aufsuchen. Dabei tragen wir als Herberge mit zur Verständigung der Jugend aus der ganzen Welt bei.“8)

Anmerkungen:

  1. Geschäftsbericht 1981. Deutsches Jugendherbergswerk. Landesverband Rheinland-Pfalz e.V., S. 6. Der Beitrag setzt thematisch die Darstellung über die Jugendherbergen im Kreis Ahrweiler im Heimatjahrbuch 2000 fort.
  2. Bonner Rundschau v. 27.4.1983
  3. Vgl. Rhein-Zeitung v. 13.5.1985
  4. Stadtzeitung Bad Neuenahr-Ahrweiler v. 18.5.1989
  5. Stadtzeitung Bad Neuenahr-Ahrweiler v. 12.10.1990
  6. Rhein-Ahr-Rundschau v. 17.7.1996
  7. Stadtzeitung v. 8.4.1998
  8. Verfahrensanweisung zur Qualitätssicherung in den Jugendherbergen des Deutschen Jugendherbergswerk Landesverband Rheinland-Pfalz/Saar e.V. 1996, S. 1

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