DAS Hochwasser VON 1804 IM KREISE AHRWEILER
VON DR. HANS FRICK
VORBEMERKUNGEN
Am 21. Juli 1954 waren 150 Jahre verflossen, seit das Ahrtal samt einigen seiner Nebentäler von einem äußerst folgenschweren Hochwasser heimgesucht wurde. Die Erinnerung an diese Katastrophe ist seither bei der Ahrbevölkerung nie ganz geschwunden, zweifellos u. a. aufgefrischt durch die kleinen, meist örtlich beschränkten Berichte in den bekannten heimatgeschichtlichen Werken des vorigen Jahrhunderts, durch gelegentlich vorkommende Markierungen des damaligen Höchstwasserstandes und andere Erinnerungszeichen wie etwa die alte Gedenktafel im Pfarrhaus zu Dorsel, deren längere Inschrift (abgedruckt in der „Adenauer Zeitung“ unter dem 15. Aug. 1929) das Unglück sogar durch verschiedene Zahlen erläutert, die allerdings von den amtlich festgestellten Angaben etwas abweichen.
Das Fehlen einer einheitlichen, das gesamte Katastrophengebiet erfassenden und auf sicheren handschriftlichen Quellen beruhenden Untersuchung veranlaßte mich anfangs 1929 zu entsprechenden Nachforschungen. Sie fanden ihren Niederschlag in einer Gesamtdarstellung, die in der Rhein- u. Ahrzeitung am 26. Juli und im Koblenzer Heimatblatt (Wochenbeilage des Koblenzer Generalanzeigers) am 22. September 1929 unter dem Titel „Das Hochwasserunglück des Jahres 1804 im Ahrtal“ erschien. Da inzwischen 25 Jahre vergangen sind, nehme ich an, daß der Inhalt meiner damaligen Arbeit nur noch wenigen Personen bekannt ist. Zeitungsaufsätze haben erfahrungsgemäß nur eine kurze Lebensdauer, während Jahrbücher bestimmten Inhalts sich leichter sammeln lassen und außerdem noch nach Jahren in Archiven und öffentlichen Bibliotheken eingesehen werden können. Daher erscheint mir eine Wiederholung bzw. Ausweitung der früheren Darstellung im „Heimat-Jahrbuch für den Kreis Ahrweiler“ gerade zu Ende 1954 wohl angebracht, wobei eine Angabe und Charakterisierung der benutzten Quellen nicht fehlen soll:
Die wiederaufgegriffene Darstellung fußt im wesentlichen auf zwei Aktensammlungen aus der napoleonischen Besatzungszeit, die im Staatsarchiv Koblenz (Abt. 256 II, Nr. 66a u. 68) aufbewahrt werden. Wesentliche Stücke darin sind genaue, in französischer Sprache abgefaßte Berichte über die Ortsbesichtigungen, die unmittelbar nach Ablauf des Hochwassers entweder von dem damaligen Unterpräfekten des Arrondissements Bonn, Eichhof, oder von den deutschen Bürgermeistern der betroffenen Mairien vorgenommen wurden, ferner eine tabellarische Zusammenstellung, in der für 32 Ortschaften des heutigen Kreises Ahrweiler und für die Stahlhütte bei Dorsel, die fortgerissenen wie die beschädigten Brücken, Wohnhäuser, Scheunen, Ställe, Mühlen und Schmieden, sowie die ertrunkenen Menschen und Zugtiere zahlenmäßig erfaßt sind. Weitere bis 1806 reichende Berichte betreffen die Entschädigungen und Wiederaufbauten. Außer diesen handschriftlichen Quellen wurde auch einiges aus den kurzen Schilderungen, die der Rheinische Antiquarius in Band III, 10 unter Rech (S. 138) und Laach (S. 165) vom Hochwasser gibt, mitverwertet.
Die anschließend folgende Darstellung hält sich weitgehend an den Wortlaut der früheren Arbeit, bringt jedoch — außer einigen anderen kleineren Zusätzen — noch etliche klärende Ergänzungen aus zwei Berichten des damaligen Bürgermeisters der Mairie Ringen, die ich erst mehrere Wochen nach Fertigstellung jener Arbeit im Stadtarchiv Ahrweiler an unerwarteter Stelle (B XIII 28) entdeckte. Sie betreffen die Hochwasserschäden in den Dörfern Wadenheim, Beul und Hemmessen, aus denen die heutige Stadt Bad Neuenahr hervorgegangen ist. Diese ausführlich gehaltenen Stücke habe ich wörtlich — bei Anpassung an die heutige Schreibweise — unter der Überschrift „Bad Neuenahr“ und das Hochwasser von 1804″ in der Rhein- und Ahrzeitung am 5. Oktober 1929 veröffentlicht.
DARSTELLUNG
Man schrieb damals nach der im Rheinland geltenden Zeitrechnung den 2. Thermidor (= Hitzemonat) des Jahres 12 der französischen Republik. Schon am Tage vorher waren im Niederschlagsgebiet der Ahr mehrere Gewitter niedergegangen, so daß der Gebirgsfluß vermutlich schon mehr Wasser als gewöhnlich zu Tal führte. An dem Unglückstag selbst, einem Samstag, tobten die Elemente über der ganzen Eifel. Infolgedessen hatten Nette und Brohl Hochwasser, und der Üßbach beschädigte nach einem Bericht, den der Präfekt des Rhein-Moseldepartements, Chaban, am 29. Aug. 1805 nach Paris gab, die Baulichkeiten des Bades Bertrich, für die der letzte Kurfürst von Trier, Clemens Wenzeslaus, über 200 000 Francs ausgegeben hatte, derart schwer, daß sie eingestürzt wären, wenn er nicht so schnell die dringendsten Reparaturen veranlaßt hätte. Die Quellen dieser drei Flüßchen liegen mit denen einiger Ahrzuflüsse, insbesondere des Trierbachs, des Adenauer Bachs und des Kesselinger Bachs, alle auf einem verhältnismäßig kleinen Stück Hocheifel zusammen.
Doch nirgends war das Unheil so groß wie im Ahrtal, das außer dem eigenen Wasser noch das jener rechtsseitigen Zuflüsse aufzunehmen hatte. An der oberen Ahr — in der Gegend von Müsch und Antweiler — begann das Gewitter gegen 3 Uhr, unterhalb von Kreuzberg bis zum Rhein zwischen 4 und 5 Uhr. Infolge von überaus starken Wolkenbrüchen goß der Regen unaufhörlich nieder, und das ganze Gebiet war mehrere Stunden „in Feuer und Wasser verwandelt“. In weniger als vier Stunden trat eine allgemeine Überschwemmung ein. Die mit einem solchen Naturereignis vertrauten Ahrtalbewohner hatten inzwischen die gewöhnlichen Vorkehrungen getroffen. Aber dieses Mal war jede Vorsorge unnütz. Dem Flußlauf entlang erreichte die Flut zwischen 6 und 10 Uhr eine Höhe, wie sie bis dahin wahrscheinlich noch nicht erlebt wurde. Im Rhein. Antiquarius wird sie durch die Angabe charakterisiert, daß die Ahr zur Zeit des höchsten Wasserstandes über der Steinbrücke bei Rech eine Höhe von 8 Fuß, d. h. nach heutigem Maß von etwa 2,50 m, erreicht habe..Diese Angabe deckt sich in etwa mit der Aussage der Dorseler Gedenkplatte, daß der wilde Strom in einer Höhe von acht, zehn, ja sogar bis zwanzig Schuh (über dem normalen Wasserstand) hier Steinhaufen, dort stinkenden Kot hinterlassen habe. Vielleicht ist der Wasserstand der Ahr bei der großen Flut vom 13. Juni 1910 an einigen besonders engen Stellen des Tals noch höher gewesen. Doch waren die Schrecken, die die Ahrbevölkerung 1804 erlebte, weit größer, da die Möglichkeit einer telefonischen Warnung der flußabwärts gelegenen Ortschaften noch nicht bestand und die Brücken, Wohnhäuser, Stallungen usw. viel weniger widerstandsfähig gebaut waren als heute.
Die Folgen waren entsetzlich. Nach der eingangs erwähnten, für das obere und mittlere Ahrtal und seine Seitentäler, nicht aber für die Un-terahrstrecke Hemmessen—Sinzig, aufgestellten Tabelle gab es 63 Tote. Diese entfielen alle auf das Ahrtal. Natürlich war die Zahl der fortgerissenen (empörtes) oder schwer beschädigten (ruines) Gebäude und Brücken entsprechend hoch. Im Ahrtal samt seinen Nebentälern verschwanden 129 Wohnhäuser, 162 Scheunen oder Ställe, 18 Mühlen und 8 Schmieden vollständig vom Erdboden. 469 Wohnhäuser, 234 Scheunen oder Ställe, 2 Mühlen und l Schmiede wurden schwer beschädigt. Die Gesamtviehverluste sind nicht erfaßt; doch werden 78 Pferde und Zugrinder als ertrunken angegeben. Da die Bäume in den Niederungen, unter ihnen viele Obstbäume, meist entwurzelt und zum Verderben der talabwärts gelegenen Häuser und Brücken mit gewaltiger Kraft abgetrieben wurden, stürzten fast sämtliche Brücken ein, auch die von Stein, im ganzen zusammen mit der in einer anderen Tabelle gezählten Sinziger Brücke, 30 Stück. Adenau und Müsch verloren je 3 Brücken, Schuld und Dernau je 2. Von den Steinbrücken wurde nach der Meldung des Unterpräfekten diejenige „zwischen Mayschoß und Rech, die seit mehr als einem Jahrhundert allen Ereignissen standgehalten hatte“, zerstört. Hiermit kann nur die — damals wohl zweibogige — Steinbrücke bei Rech gemeint gewesen sein, deren Verlust auch in der Tabelle verzeichnet ist. Nach dem Rhein. Antiquarius soll sie 1764 erbaut worden sein und 1804 drei Bogen verloren haben. Da aber Chaban am 29. August 1805 berichtete, daß diese Brücke, die heute vier Bogen besitzt und seither unzerstört blieb, durch zwei Bogen vergrößert worden sei, damit sie auch für alle außerordentlichen Fälle ausreiche, liegt hier ein Irrtum des Antiquarius vor. Auch muß die alte Brücke schon 1759 gebaut worden sein, da die 1919 von der amerikanischen Besatzung in die Ahr gestürzte frühere Brückenfigur des hl. Johannes Nepomuk diese Jahreszahl in ihrer Inschrift enthielt (nach dem großen Werk: Die Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweiler. S. 519).
Den Erwerbsquellen der Bewohner brachte die Hochflut riesigen Schaden. Neben den Nutzbäumen wurden ganze Weinberge in den Niederungen fortgeschwemmt und die Felder, Gärten und Wiesen derart mit Sand und Kies zugeschüttet, daß der Unterpräfekt Eichhof in seinem Bericht nach Koblenz die Ansicht aussprach, sie könnten niemals wieder urbar gemacht werden. Er befürchtete daher, daß die Zahl der Dörfer beiderseits der Ahr wegen der verringerten Lebensmöglichkeiten auf ein Drittel zusammenschmelzen werde. Natürlich war in der Ahrniederung auch die ganze Getreideernte vernichtet.
Die verschiedenen amtlichen Berichte geben erschütternde Einzelheiten von den Wirkungen dieser „Sinflut“. Eichhof selbst, der seine eigene Besichtigung, die er von Bonn aus zusammen mit dem Gendarmerieoffizier unternahm, wegen Unterbrechung jeglicher Verbindung mit der Oberahr nur bis Kreuzberg ausdehnen konnte, leitete seinen Bericht vom 25. Juli mit der Feststellung ein, daß das anscheinend im ganzen Departement vorgekommene letzte Gewitter in einem Teil seines Arrondissements „Entsetzen, Tod und Zerstörung“ gebracht habe.
Der erste Ort an der Oberahr, von dem in einem Bericht aus Barweiler ein derartig schwerer Schaden gemeldet wurde, war Müsch, wo der Trierbach in die Ahr mündet. Die beiden Gewässer stiegen hier so schnell an, daß das zwischen ihnen liegende Dorf binnen 2 Stunden vollkommen überschwemmt war. Außer den drei Brücken wurden acht Wohnhäuser, 22 Scheunen und Ställe und 2 Mühlen fortgerissen sowie 11 Wohnhäuser, darunter 6 sehr schwer, beschädigt. Ihr Mobilar führte die Ahr fort. Am schlimmsten war es, daß auch 4 Menschenleben zu beklagen waren.
Nach der eingangs erwähnten Tabelle ertranken in Antweiler keine Menschen. Doch wurden 6 Wohnhäuser, 8 Scheunen und Ställe und 2 Mühlen zerstört und 42 Wohnhäuser erheblich beschädigt.
Schuld verzeichnete an Opfern: 2 Tote, 7 Wohnhäuser, 7 Scheunen und Ställe, 2 Mühlen, 2 Brücken und 15 schwer beschädigte Wohnhäuser.
Im Vergleich dazu kamen die Ahrdörfer Insul, Dümpelfeld, Liers und Hönningen glimpflich davon. Insgesamt gingen 7 Wohnhäuser, 7 ‚Scheunen und Ställe, 3 Mühlen (davon 2 in Henningen) und 2 Brücken (Insul, Dümpelfeld) verloren; 11 Wohnhäuser, 3 Scheunen u. Ställe erlitten bedeutende Beschädigungen. Liers war besonders glücklich dabei; dort gab es nur eine zerstörte Scheune, aber keine wesentlichen Beschädigungen. Das hochgelegene Pützfeld ist überhaupt nicht genannt.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß das Unwetter auch oberhalb von Müsch beträchtliche landwirtschaftliche Schäden verursacht haben muß, wenn auch sonst verhältnismäßig wenig zu beklagen war. Die Dorseler Gedenkplatte sagt darüber — in etwas verbessertem Deutsch — etwa folgendes: 1804, den 21. Julius, nachmittags 3 Uhr, stürzte bei einem schrecklichen, von Norden kommenden Gewitter das Wasser in Strömen aus den Wolken, wodurch der Grund von vielen Äckern bis auf die Felsen fortfloß, von den Bergen, besonders hier unter der Kirche und der Stahlhütte, große Erdmassen, Sand, Hecken und Stauden hinabgeschafft wurden, die Ahr von einem Berge zum ändern strömte, die Stahlhütte plötzlich ausgelöscht und die Mühlen- und Hüttenklausen samt der sehr starken steinernen Hüttenbrücke fortgerissen wurden . . . Unsere Tabelle verzeichnet Dorsel ebensowenig wie die unterhalb von Ahrweiler gelegenen Ortschaften. Bei Stahlhütte ist als einzige Hochwasserwirkung die erhebliche Beschädigung einer Schmiede angegeben.
Abwärts der Einmündung des Kesselinger Bachs in die Ahr, bei Brück, war das Unheil besonders groß. In diesem
Dorf wurden 14 Wohnhäuser, 14 Scheunen und Ställe und l Mühle fortgeschwemmt, 11 Wohnhäuser und ebensoviele Scheunen und Ställe schwer beschädigt. Nach einem näheren Bericht des Bürgermeisters von Hönningen wurden 12 Häuser in Brück, die am rechten Ahrufer lagen, derart dem Erdboden gleichgemacht, daß keine Spur mehr von ihnen zu sehen war. Eine aus Vater, Mutter und drei Kindern bestehende Familie, die im Haus geblieben war, eine andere Familie (Vater, Mutter, Kind) und eine Witwe, insgesamt 9 Personen, ertranken. In Kreuzberg verschwanden 4 Wohnhäuser, 5 Scheunen und Ställe, 3 Mühlen und l Schmiede vom Erdboden. Je 25 Wohnhäuser und Scheunen oder Ställe erlitten große Beschädigungen. 4 Personen ertranken. Wie Eichhof dazu selbst berichtete, hatte der Müller in der prächtigen Mühle, die dem Anton Belderbusch aus Bonn gehörte, in Erkenntnis der drohenden Gefahr eines seiner Kinder, das verkrüppelt war, ergriffen und, von der Mutter gefolgt, bereits den Fuß aufs Land gesetzt, als das Haus, in dem sich noch 2 Töchter, sein Bruder und ein Kind aus dem Dorfe befanden, durch den Stoß großer Bäume getroffen, vor den Augen der Eltern zusammenbrach und alles unter sich begrub. Auch wurden alle Papiere des Friedensgerichtes Ahrweiler, die sich zu Kreuzberg im Hause des Kanzlisten befanden, fortgespült.
In Altenburg hauste die Hochflut entsetzlich. Nach der Tabelle wurden 14 Personen, 17 Wohnhäuser und 23 Scheunen und Ställe sowie l Brücke des Flusses Beute. Auch gab es 23 sehr beschädigte Wohngebäude. Eichhof meldet hier 15 ertrunkene Personen und außer den Hausverlusten die Zerstörung der dortigen Kapelle und der Mühle des Grafen Kesselstatt.
Altenahr hingegen kam wieder glimpflich davon. Hier wurden l Brücke, 2 Häuser, 2 Scheunen oder Ställe, l Schmiede und l „Pottaschefabrik“ mit vieler Ware im Werte von 15000 Francs vernichtet, 7 Häuser und ebensoviele Scheunen oder Ställe erheblich beschädigt. Keine Menschenverluste.
In Reimerzhoven gingen nach der Tabelle l Brücke, 9 Wohnhäuser und 11 Scheunen oder Ställe verloren. Weitere 2 Häuser wurden schwer beschädigt. Eichhof berichtet, daß von insgesamt 10 Häusern, Scheunen und Ställen nur ein Gebäude übrig geblieben sei. Doch waren auch hier keine Menschenleben zu beklagen.
Auch von dem kleinen Laach blieb wenig stehen. Hier wurden 15 Wohnhäuser und 20 Scheunen oder Ställe sowie die Kapelle und die Brücke fortgeschwemmt. 6 Wohnhäuser wurden sehr stark beschädigt. Hier kamen — wie in Altenburg — 14 Menschen ums Leben, unter ihnen nach Eichhofschem Bericht eine sechsköpfige Familie (Vater, Mutter, vier Kinder). Er verzeichnet auch die Zerstörung der sogenannten „Laacher Mühle“, während der Rhein. Antiquarius noch mitteilt, daß die dort in einem Wohnhaus noch heute aufgehängte Glocke (nach den ‚Kunstdenkmälern, S. 379, aus dem Jahre 1504) von jener Kapelle stamme.
In Mayschoß wurden l Brücke, 8 Wohnhäuser und ebensoviele Scheunen oder Ställe sowie l Schmiede vernichtet. 55 Wohngebäude und 55 Scheunen oder Ställe erlitten sehr starke Schäden. Jedoch konnten sich alle Einwohner retten.
Geringer waren die Sachverluste in Rech. Außer der schon genannten Steinbrücke wurden 4 Wohnhäuser (darunter das Pfarrhaus), 7 Scheunen oder Ställe und l Mühle zum Einsturz gebracht, 5 Wohnhäuser und 5 Scheunen oder Ställe erheblich beschädigt. Doch fanden hier 5 Menschen den Tod, und zwar kamen sie nach dem Eichhofschen Bericht alle in dem zerstörten steinernen Pfarrhaus um, der Geistliche, sein Küster, seine Magd und eine Frau mit ihrem Säugling. Die beiden letzten wurden in der Nähe von Remagen aus dem Wasser gezogen, während nach dem Rhein. Antiquarius die Leiche des Pfarrers „Meyer“1), des ersten Pfarrers der Pfarrei Rech, der noch aus dem Fenster einigen gefährdeten Nachbarn die Generalabso’1’ution erteilt habe, erst nach einem Jahr unversehrt im Schlamm bei Marienthal aufgefunden wurde. Nach der gleichen Quelle verschwand auch völlig der 18 Fuß über dem normalen Wasserstand der Ahr gelegene Stotzheimer Hof bei Rech.
Unter allen Ortschaften des Kreises verzeichnete Dernau die weitaus größte Zahl von schwer beschädigten Gebäuden, nämlich 103 Wohnhäuser und ebensoviele Scheunen oder Ställe. Zudem wurden 2 Brücken und 5 Gebäude, nämlich 1 Wohnhaus, 3 Scheunen oder Ställe und 1 Schmiede, vollkommen zerstört. 2 Personen ertranken. Nach Eichhof handelte es sich um 2 Juden, die in ihrem Haus mit 16 Stück Hornvieh ums Leben kamen.
Von Marienthal meldet die Tabelle den Wassertod von 2 Personen, die Zerstörung einer Brücke, die Vernichtung von 7 Wohnhäusern und einer Mühle und die schwere Beschädigung von 3 Wohngebäuden. Dazu berichtete Eichhof besonders ausführlich. Nach seiner Darstellung waren von 7 Häusern zunächst 3 stehen geblieben, jedoch in sehr bedrohlichem Zustand. Die Witwe Roßbach wollte zusammen mit ihrem ältesten Sohn noch eine Lade mit i’hren kleinen Schätzen in Sicherheit bringen, als das steinerne Haus — ähnlich wie die Mühle in Kreuzberg — durch Baumstämme zum Einsturz gebracht wurde. Beide fanden den Tod und wurden bei „Heimersheim“ (tatsächlich bei Hemmessen) aus dem Wasser gezogen und den beiden ändern Söhnen zur Bestattung wiedergegeben. Diese waren dadurch dem gleichen Schicksal entgangen, daß sie während des Hauseinsturzes gerade damit beschäftigt waren, das Vieh auf eine Anhöhe zu schaffen.
1) Nach dem 1952 erschienenen Werk von Pfarrer Peter Schug „Geschichte der zum ehemaligen kölnischen Ahrgaudekanat gehörenden Pfarreien der Dekanate Adenau, Ahrweiler und Remagen“ hieß dieser 1758 geborene Pfarrer „Johann Mayer“. Die Leiche wurde am 18. Mai 1805 bei Marienthal gefunden und am 19. Mai beigesetzt.
Ein junger Mann, der das Haus der Nachbarin einstürzen sah, rettete sich durch Schwimmen auf einen Baum nahe der Unglücksstelle, wo er die ganze Nacht zubrachte, bis ihn seine Eltern aus dem Wasser ziehen konnten. Die zur Domäne gehörige Mühle war bei der Besichtigung schwer beschädigt; jedoch stand das Gebäude noch. Das Kloster blieb unversehrt und diente in diesem Augenblick als Aysl für die geretteten Menschen und Tiere.
Walporzheim ist in keinem Schriftstück genannt, ist also von Menschen- und wohl auch Gebäudeverlusten verschont geblieben.
Bei Ahrweiler verzeichnet die Tabelle keine zerstörten Brücken, Wohnhäuser, Scheunen oder Ställe, wohl aber l zerstörte Mühle, 60 schwer beschädigte Häuser und 7 Ertrunkene, während Eichhof auch „mehrere“ zerstörte Häuser erwähnt. Nach seiner Darstellung war die ganze Stadt überschwemmt. Der Strom trat durch das Obertor ein und gelangte mitten in die Stadt, außer vielen Toten Häusertrümmer und riesige Baumstücke mit sich führend, die durch ihren Stoß die Häuser der Stadt so beschädigten, daß auch mehrere davon einfielen und fortgeführt wurden. Unter den 7 ertrunkenen Personen befand sich ein Vater von sechs Kindern. Das Wachsen des Wassers erfolgte so schnell, daß alle im Keller und im Erdgeschoß befindlichen Vorräte, Waren und Gegenstände verdarben oder verloren gingen. Nach einer vor 50 Jahren erschienenen Zeitungsnotiz, die sich auf einen Originalbrief in der Ahrweiler Zeitung beruft („Ahrtal, Wassernot 1804″ in der Koblenzer Volkszeitung vom 23. 7. 1904), stand die ganze Stadt in der Nacht von Samstag auf Sonntag bis zum 2. Stockwerk im Wasser. Zum Glück sei ein Teil der Stadtmauer durch Holz durchstoßen worden, so daß ein Ablauf vorhanden war.
Auch eine Brücke wurde hier zerstört, da Präfekt Chaban 1805 in dem schon erwähnten Bericht mitteilte, in Ahrweiler sei eine Holzbrücke gebaut worden, die breiter und solider sei als die fortgerissene.
Über die Beschädigungen unterhalb von Ahrweiler äußert sich Eichhof nur kurz und sehr allgemein. Er stellt fest, daß in den Gemeinden Wadenheim, Heimersheim (!) u. Beul — „Heimerzheim“ ist wahrscheinlich wieder mit „Hemmesheim“, dem heutigen Hemmessen verwechselt — niemand umgekommen sei, die Wohnungen jedoch größtenteils verwüstet (devastees), die Obstbäume und das Korn bis auf die Wurzeln herausgerissen und „all die schönen Wiesen bis zum Rhein mit Sand bedeckt“ wären. Er selbst wird dieses Gebiet, das im Vergleich zu den anderen Teilen des Ahrtals die Katastrophe noch einigermaßen günstig überstanden hatte, wohl kaum besichtigt haben. Auch die mehrfach angeführte Tabelle enthält keinerlei Angaben über diese Ahrtalstrecke. Sehr eingehend ist dagegen der am 25. Juli niedergeschriebene Bürgermeisterbericht über die in der Mairie Ringen gelegenen Dörfer Wadenheim, Hemmesheim und Beul. Er bezeichnet es als ein großes Glück für diese Ortschaften, daß die um sie herum aus Vorsorge angepflanzten Weidenbäume, worunter sogenannte Kopfweiden zu verstehen sind, die von der Ober- und Mittelahr herabgetriebenen Bauhölzer und sonstigen großen Trümmerstücke auffingen und von den Wohngebieten fernhielten. Wasserkraft und Wasserhöhe waren aber doch so groß, daß in dem der Ahr am nächsten gelegenen Hemmessen, das zudem noch von dem von Ahrweiler kommenden Mühlenteich berührt wurde, sämtliche Wohnungen, in Beul zwei Drittel und in Wadenheim die Hälfte der Gebäude samt den im Erdgeschoß untergebrachten „Effekten“ zum Teil erheblich beschädigt wurden.
Das nebenstehende Bild wurde mit Genehmigung des Herausgebers Dr. Hans Peters dem Buch „Die Ahr — Ansichten aus alter Zeit“ von W. Ottendorff-Simrock entnommen.
Ponsart: Das Hochwasser der Ahr im Jahre 1804
Doch konnte das Vieh bis auf eine Kuh und zwei Schweine noch gerettet werden. Die oberhalb von Hemmessen liegende „Landmühle“ wurde am ärgsten betroffen; sie war lange Zeit völlig unbrauchbar. Nach einer zuletzt im früheren Realgymnasium als Bestandteil des Ahrweiler Stadtarchivs aufbewahrten, inzwischen durch Kriegsereignisse vernichteten Aufstellung von etwa 1806 besaß Wadenheim damals 75, Hemmessen 46 und Beul 39 numerierte Häuser. Der damalige Maire, Josef Reifferscheid, wohnte nicht in Ringen, sondern in Wadenheim. Aus einem zweiten Bericht vom 27. Juli, in dem der Bürgermeister 40 Mann Hilfskräfte aus nichtgeschädigten Gemeinden erbat, erfahren wir, daß die Einwohner schon vier volle Tage mit dem Wegräumen der vom Fluß angeschwemmten Stücke und mit der Reinigung ihrer Häuser beschäftigt waren, ohne schon einen rechten Erfolg zu sehen. Eine zweite, namentliche Aufstellung von 1804 aus der gleichen Abteilung des Stadtarchivs Ahrweiler bezifferte die Anzahl aller Hochwassergeschädigten in den 3 Dörfern mit 199. Bei 76 von ihnen stand die Bemerkung: „Haus schwer beschädigt“. Die übrigen waren in der Landwirtschaft mehr oder minder stark geschädigt. Bei diesen, aber auch bei vielen Hausgeschädigten, fand sich der Zusatz: „Ernte des Jahres verloren“. Die beiden Bürgermeisterberichte bezeichnen die landwirtschaftlichen Schäden in den drei Dörfern als beträchtlich. Im einzelnen waren sie von der gleichen Art, wie sie auch von der Ober- und Mittelahr berichtet sind: Verlust der Getreideernte in den überschwemmten Gebieten, Überlagerung der Äcker, Wiesen und Gärten mit Steinen und hohem Grind, so daß sie für lange Zeit unbrauchbar seien. Nach der erwähnten Geschädigtenliste hatten Graf Schaesberg mit 2661 Francs auf 221 Ar, das Gut der ehemaligen Münstereifeler Jesuiten mit 1342 Francs auf 111 Ar und Graf Metternich mit 760 Francs auf 63 Ar die größten Schäden. Diese Gutsbesitzer sind als reich bezeichnet, während 121 Geschädigte sehr arm (indigents) genannt werden.
Zweifellos wurde die in früheren Jahren schon oft weggeschwemmte, aber immer wieder erneuerte Knüppelbrücke zwischen Wadenheim und Beul auch diesmal fortgerissen. Denn der Bürgermeister hatte bereits bei seinem Kollegen in Königsfeld, allerdings vergeblich, um Hilfskräfte gebeten, weil Beul von den übrigen Gemeinden der Mairie durch die Ahr getrennt sei.
Trotz allem werden die Bewohner der drei Dörfer ihrem Herrgott dankbar gewesen sein, daß er sie vor weit Schlimmerem bewahrt hatte, wie es ihnen noch fast zwei Monate lang lebhaft vor Augen geführt wurde. Denn man fand in dem ihre Ortschaften umgebenden Gehölz nacheinander 16 Hochwasserleichen, in den ersten vier Tagen allein deren 6, unter ihnen bei Hemmessen die obengenannte Ww. Roßbach aus Marienthal. Die letzte Leiche wurde gemäß dem Kirchenbuch (kath. Pfarrarchiv Bad Neuenahr) erst am 13. September entdeckt und beigesetzt. Auch aus den Friedhöfen herausgerissene Särge wurden aufgefangen.
Inwieweit der Wasserstrom an der Unterahr sonst noch Häuser beschädigte und Holzbrücken fortriß, ist heute wohl nicht mehr zu ermitteln. Doch ist seine gewaltige Kraft hinreichend am 26. Juli durch den Bericht des Sinziger Bürgermeisters veranschaulicht, daß von der dortigen „großen Brücke über die Ahr“ nicht nur das Holz, aus dem sie zusammengesetzt war, sondern auch die Steinpfeiler, auf denen sie aufgebaut war, fortgetragen wurden. Diese Sinziger Brücke war gewiß die wichtigste Verkehrsbrücke an der ganzen Ahr. Da am gleichen Tag auch die entsprechenden Brücken über die Nette bei Weißenthurm und über den Brohlbach bei Brohl einstürzten, war die linksrheinische Straße Koblenz-Bonn dreimal unterbrochen.
Wie schon bemerkt, hauste das Unwetter in einigen Seitentälern der Ahr ebenfalls mit beträchtlicher Stärke. Insbesondere waren daran der Trierbach, der Adenauer Bach, der Kesselinger Bach und deren Nebenbäche beteiligt. Als geschädigte Gemeinden verzeichnet jene Tabelle im Trierbachgebiet Bauler, Nohn, Kirmutscheid und Hoffeld, im Bereich des Adenauer Bachs Adenau, Gilgenbach, Lückenbach, Leimbach und Niederadenau und im Bezirk des Kesselinger Bachs Staffel, Kesseling, Denn und Weidenbach. Tote gab es hier nirgends. Bauler, Nohn, Hoffeld und Gilgenbach verloren nur je eine Brücke. In Staffel wurde die Kapelle durch den dortigen Bach stark beschädigt. Am stärksten wurden Adenau, Kesseling und Denn betroffen. In Adenau, das auch in einem Bürgermeisterbericht besonders beklagt wird, wurden 3 Brücken, 43 Wohnhäuser und 3 Scheunen oder Ställe fortgerissen und 60 Wohngebäude derart beschädigt, daß sie dem Einsturz nahe waren. Die darin befindlichen Möbel und Gegenstände wurden entweder fortgeschwemmt oder unbrauchbar gemacht. In Kesseling gab es 2 zerstörte und je 11 stark beschädigte Wohngebäude und Scheunen oder Ställe. Hier wurde auch ein „Pottaschemagazin“ samt den „Waren“ fortgespült. In Denn wurden durch den Dennbach sogar 5 Wohnhäuser, 5 Scheunen oder Ställe, 2 Mühlen und l Schmiede hinweggerissen und außerdem noch je 8 Wohngebäude und Scheunen oder Ställe beschädigt. In den übrigen 6 Dörfern wurden insgesamt 3 Brücken, 8 Wohnhäuser, 14 Ställe oder Scheunen und l Mühle (Niederadenau) zerstört, 9 Wohngebäude und 6 Scheunen oder Ställe erheblich beschädigt. Selbstverständlich erlitten alle genannten Gemeinden auch mehr oder minder große landwirtschaftliche Schäden.
Das Hochwasser lief verhältnismäßig schnell ab. Für die heimgesuchten Gemeinden drohte Hungersnot, da alle Mühlen, soweit sie überhaupt noch standen, betriebsunfähig waren. Daher ordnete Unterpräfekt Eichhof unmittelbar nach der Besichtigung sofortige Hilfsmaßnahmen an. Die nicht betroffenen Nachbardörfer hatten Lebensmittel herbeizuschaffen und Hilfskräfte zu stellen zur Bergung der Menschen- und Tierleichen, die sich zum Teil schon durch ihren Geruch bemerkbar machten. Durch Sachverständige, denen er Steuerbeamte beigab, ließ er sogleich die Sachverluste abschätzen. Er erwirkte von seinem Vorgesetzten in Koblenz die Erlaubnis zur Holzentnahme zum Notbrückenbau. Schließlich stellte er den Hochwassergeschädigten öffentliche Hilfe in Aussicht.
Auf den Bericht Eichhofs suchte Chaban selbst das Ahrtal auf. Überwältigt von der Größe des Unglücks, bestimmte er, daß auch die weiter entfernten Bürgermeistereien seines Departements eine ihrer Größe entsprechende Zahl von Hilfskräften mit Schaufeln und Hacken zu stellen hatten. An dem Hilfwerk wurden sogar die an der Mosel liegenden Bürgermeistereien bis über Cochem hinaus beteiligt. Beispielsweise hatt die Bürgermeisterei Winningen 30 Mann an die Ahr zu entsenden, und zwar im einzelnen: Winningen 10, Kobern 8, Güls 6, Lay 4, Bisholder und Wolken je l Mann. Durch dieses Verfahren kam eine beträchtliche Zahl von Arbeitskräften zusammen. So ist einmal von 832 Mann die Rede, von denen 472 nach Antweiler, Schuld und Mayschoß und 119 nach Ahrweiler beordert wurden.
Insbesondere erreichte der Präfekt durch sein nachdrückliches Eintreten für die Geschädigten, daß der französische Staat 120 000 Francs aus Steuergeldern und Holz aus den Gemeindewäldern im Werte von 40 000 Francs freigab. Napoleon stellte aus seiner Privatschatulle 30 000, die Kaiserin 4 800 Francs zur Verfügung. Ein Aufruf Chabans zur Sammlung freiwilliger Beiträge ergab im Departement etwa 40 000 Francs, außerhalb dieses Bezirks kamen 5 500 Francs ein. Außerdem wurden für die Jahre 1804 und 1805 etwa 75000 Francs an Steuern nachgelassen. Insgesamt standen in den Wiederaufbaujahren 1804—1806 zu Geldunterstützungen, zum Wiederaufbau und zur Ausbesserung der Gebäude, zur Wiederherstellung der Straßen und Brücken und zur Regulierung des Flußlaufes schließlich etwa 245 000 Francs zur Verfügung. Der Bürgermeister Kriechel von Ahrweiler wurde zum Spezialkommissar für die Hochwasserschäden ernannt. Er machte die Vorschläge für die Verwendung der Gelder und zahlte aus. Mit der Summe konnte der Not des Einzelnen wie der der Gemeinden in etwa gesteuert werden. Immerhin hätte in manchen Fällen die gute Absicht schneller verwirklicht werden können. Denn im April 1806, also beinahe 2 Jahre nach der Überschwemmung, war noch der Wiederaufbau von 43 Wohnhäusern, 62 Ställen und 62 Scheunen in Losen an Unternehmer ausgeschrieben.