Das Ahrweiler Schützenfest im Jahre 1862
Schützenfeste hatten und haben bis heute im traditionsbewussten Ahrweiler eine herausragende Bedeutung. Ein Blick zurück in das Jahr 1862 beleuchtet mit interessanten Details die damalige Situation. In den Mai-Tagen des Jahres 1862 bewegte die Ahrweiler Bürgerschaft die Frage, ob in diesem Jahr die „Schützen-Gesellschaft zu Ahrweiler“ das Fronleichnamsfest ,wie seit uralter Zeit’ feiern werde.
Um dies zu verstehen, muss man die damaligen Statuten der Gesellschaft zu Rate ziehen.
Im Artikel 38 der 1842 genehmigten und in Kraft getretenen Satzung heißt es: „Nur in Jahren, wo der Verwalthungs-Rath es den Umständen angemessen hält und die Gesellschaft aus eigenen Gütern genug Wein aus früheren Jahren, oder sonst hinlänglichen Fonds besitzt, soll ein Königsschießen stattfinden und zwar wie jeher am Pfingst-Montage.“
Ergänzt wird das durch die Bestimmungen des Artikel 39 „In diesem Falle wird am Fronleichnamstage sämtlichen Mitgliedern auf Kosten der Gesellschaft ein allgemeines Festmahl auf dem Markte gegeben, wozu sie durch Trommelschlag eingeladen werden.“
Das Schützenfest hing also eng mit dem Weinherbst der letzten Jahre zusammen, war also Schützenfest und Winzerfest in einem. Die Gesellschaft besaß eine ganze Reihe von Weingärten, deren Ertrag zur Aufbringung der Kosten eines Schützenfestes verwendet wurde, wie beispielsweise für die Musik. Teils wurde der Wein auch für das Festmahl der Gesellschaft verwendet. Die gesellschaftseigenen Weingärten befanden sich am Sebastianus- und am Johanniswall sowie in den Lagen „Am Hammerstein“, „Im Dümerich“, „Im Alverad“ und „Am Kaubaum“, Lagenamen, die heute nicht mehr bekannt sind.
Im Jahr 1861 war ein schlechter Herbst zu beklagen und auch schon zum Jahr davor ist in den Annalen zu lesen, dass dieses eine sehr schlechte Ernte brachte. So war denn in der Woche vor Pfingsten, Anfang Juni des genannten Jahres, in der Zeitung „Rhein- und Ahrbote“ zu lesen, dass der Verwaltungsrat, wolle er nicht das Vermögen der Gesellschaft angreifen, der Abhaltung eines Schützenfestes nicht zustimmen könne.
Mit Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse könne nur ein Fest gefeiert werden, wenn die Bürger, insbesondere die wohlhabenderen, hierzu ihren freiwilligen Beitrag leisten würden. Daher schrieb denn, auf vielfachen Wunsch aus der Bevölkerung hin der Verwaltungsrat eine „Subskription“ aus, d.h. er legte eine öffentliche Spendenliste auf, um auf diese Weise die Kosten zumindest für das Fest am Fronleichnamstag zusammen zu bekommen. Das Königsschießen am Pfingstmontag und der übliche, sich daran anschließende Festzug durch die Stadt wurden abgesagt.
Wenige Tage später, unmittelbar nach Pfings-ten, war in der gleichen Zeitung zu lesen, dass das Resultat der Subskription so erfreulich sei, dass das Fronleichnamsfest auf eine würdige Weise allerdings in einfacherer Form gefeiert werden könne. Das bedeutete, dass das allgemeine Festmahl für alle Schützen nicht gegeben werden konnte, wohl jedoch die Begleitung der Fronleichnamsprozession in gewohnter Weise erfolge und das Preisvogelschießen am Nachmittag dieses Tages.
In der gleichen Ausgabe der Zeitung stand dann auch folgende Anzeige der Schützen-Gesellschaft:
„Anerbietungen zur Übernahme der Restauration auf dem Schützenplatze, so wie Proben von gutem Rothwein im Preise bis zu 36 Thlr. per Ohm (1 Ohm entspricht 189 Liter) zum Gebrauche bei dem diesjährigen Schützenfeste werden bis Montagabend entgegengenommen bei A. J. Maxrath, Schützen-Hauptmann“.
Die Parade im Anschluss an die Fronleichnamsprozession auf dem Ahrweiler Marktplatz im Jahre 1912. Ob 1862, 1912 oder 2002: Das Festgeschehen bei den Schützen ist im Kern unverändert geblieben.
Es wurden denn auch gute Weine angeboten, und die vereinigte Wein- und Speisenkommission – eine derartige Institution gab es bei den Schützen wirklich – konnte in Aktion treten und den besten Wein als Schützenwein bestimmen. Am Abend des Mittwoch vor dem Fronleichnamsfest 1862 Erklangen die Trommeln und die Musik zog durch die Straßen der Stadt. Früh am Festtagsmorgen läuteten die Glocken, in den Klang mischten sich die Wirbel der Trommler. Die Schützen der vier Compagnien – Hauptmanns-, Fähnrichs-, Oberleutnants- und Unterleutnants-Compagnie – versammelten sich bei ihren Offizieren im Festtagskleid mit blumengeschmücktem Gewehr und marschierten dann zum Abholen von Fahne und König. Voran die Compagnie des Hauptmanns mit den Trommlern und Pfeifern, gefolgt von der Fahne und der Fähnrichs-Compagnie, dann die Musikkapelle. Es folgte der König mit Begleitung und zum Schluss die Oberleutnants- und die Unterleutnants-Compagnie.
Auf dem Marktplatz stellte sich die Gesellschaft gegenüber dem Portal der Kirche auf und zog bei der hl. Wandlung unter Musikbegleitung durch die Kirche und nahm dann wieder gegenüber der Kirche auf dem Marktplatz Aufstellung. Hier warteten die Schützen auf die Prozession, der sie vorweg zogen.
Die Prozession und auch die Schützen nahmen ihren althergebrachten Weg durch die Ahrstraße (heute Ahrhutstraße) zum Ahrtor, von dort aus zog die Prozession um die Stadt, die Schützen hingegen erneut durch die Ahr- und die Oberhutstraße zum Obertor, von dort durch die Oberhutstraße, vorbei an Kirche und Rathaus zum Adenbachtor, dann am Stadtwall entlang zum Niedertor. Von dort ging es durch die Niederhutstraße zurück zum Marktplatz. An den Schützen vorbei zog die Prozession wieder in die Kirche. An den vier Stadttoren wurde das Allerheiligste nach Erteilung des Segens von den Schützen jeweils mit einem Salut gegrüßt.
Nach beendetem Gottesdienst wurde der König von den Schützen heim begleitet. Danach gingen die Schützen auseinander. Am frühen Nachmittag rief das Glockengeläut die Schützen erneut zusammen, die jetzt auf den Schützenplatz hinauszogen, wo alles vorbereitet war und ab halb vier Uhr das Preisvogelschießen begann.
Das Knallen der Büchsen vermischte sich mit Musik und Gesang und es herrschte eine fröhliche Stimmung. Mitglieder der Schützen-Gesellschaft, des Geselligen Schieß-Vereins, des Gesangsvereins und auch Gäste und Fremde schossen gegen ein geringes Entgelt auf den Preisvogel.
Die ausgesetzten Preise konnten sich sehen lassen: Der treffsichere, glückliche Schütze, der den Rest des Vogels von der Stange holte, hatte die Wahl zwischen einem gediegenen silbernen Becher oder einer silbernen Fruchtschale mit drei schönen Aufsätzen als erstem Preis. Auf die Schützen, die Kopf, Hals und die beiden Flügel des Preisvogels herabschossen, warteten vier weitere Preise, jeweils im Werte von 5 Talern.
Wer in jenem Jahr die treffsicheren Schützen waren und die ausgesetzten Preise errangen, ist uns allerdings nicht überliefert.
Übrigens konnten die Ahrweiler Schützen im darauffolgenden Jahr – 1863 – ihr Schützenfest wieder in vollem Umfang feiern mit Königsvogelschießen, Festumzug und Festmahl. Die Königswürde errang Anton Dahm, der damit Nachfolger von Josef Dahm, König des Jahres 1861, wurde.
Josef Dahm, Jahrgang 1832, war der jüngere Bruder von Anton Dahm, Jahrgang 1828. Beides waren Söhne des Besitzers des „Domhof Sanct Peter“ in Walporzheim, genau wie Wilhelm Dahm, Jahrgang 1829, der 1868 als dritter Sohn aus einer Familie die Königswürde der Bürgerschützen errang; er war später Preußischer Landtagsabgeordneter und Beigeordneter der Stadt Ahrweiler.
Bei den Junggesellen-Schützen in Ahrweiler war die Lage in diesen Jahren etwas anders. Sie konnten in jedem Jahr ihren neuen Schützenkönig ermitteln. Diese Gesellschaft hatte zwar keinen eigenen Grund- oder Weinbergsbesitz, sie finanzierte ihr jährliches Schützenfest durch einen geringen Beitrag der teilnehmenden Junggesellen sowie durch jährliche Sammlung in der Bevölkerung und einige ihnen gestiftete Ohm (1 Ohm entspricht 189 Liter) Wein.
Quellen und Literatur:
Die Ausführungen basieren auf Zeitungsberichten des Jahres 1862 und Unterlagen der Schützen-Gesellschaft zu Ahrweiler.