Das „Ahrweiler-Meliorationsverfahren“
VON DR. H. SCHULTE-KARRING
Die Landes-Lehr- und Versuchsanstalt befaßt sich seit dem Jahre 1959 mit der Melioration von verdichteten Staunässeböden. Die schlechten Erfahrungen, die mit der Rohrdränung (Dränage) im Kreisgebiet gemacht wurden, gaben Anlaß, das wirksamer erscheinende Mittel der mechanischen Auflockerung (Untergrundlockerung) anzuwenden.
Umfangreiche Versuchsanstellungen waren zunächst notwendig, um zu erforschen, wie das neue Mittel fachgerecht einzusetzen ist, wie es sich auf den Boden und das Pflanzenwachstum auswirkt, wie lange die Auflockerung erhalten bleibt und welche ackerbaulichen und pflanzenbaulichen Maßnahmen zur Vermeidung oder Hinauszögerung von Wiederverdichtungen getroffen werden müssen.
Die in mehr als 10 Jahren gesammelten Untersuchungsergebnisse führten zu der Entwicklung des „Ahrweiler-Meliorationsverfahrens“. Das neue Verfahren, das sich aus einer Reihe von Maßnahmen zur grundlegenden Veränderung und Stabilisierung der Bodenstruktur zusammensetzt, wird nunmehr nicht nur in Flurbereinigungsverfahren und Projekten der Wasserwirtschaft in Rheinland-Pfalz sondern neuerdings auch in anderen Bundesländern und im Ausland anstelle der sonst üblichen Dränage großflächig angewandt. Dabei werden bei einem vergleichweise geringeren Kostenaufwand große Einsparungen erzielt. Der 10. Kongreß der Bodenkundlichen Gesellschaft gab Gelegenheit, das „Ahrweiler-Verfahren“ auf internationaler Ebene publik zu machen. Nachfolgend berichten wir über die Auswirkungen und Technik des neuen Verfahrens zur großflächigen Melioration von verdichteten Böden in der Bundesrepublik Deutschland. Über das gleiche Thema hat der Verfasser im August 1974 anläßlich der Internationalen Tagung in der Lomonossow-Universität in Moskau einen Vortrag gehalten.
Staunässeböden versucht man seit langem mit Hilfe der Rohrdränung zu verbessern. Die Meliorationswirkung dieser sehr kostspieligen Maßnahme ist jedoch unbefriedigend. Sie beschränkt sich bestenfalls auf die Entwässerung und zeigt nur da einen sichtbaren Erfolg, wo die Ursache der Schäden, die Bodenverdichtung, bei der Anlage der Drängräben beseitigt wurde. Diese Tatsache veranlaßte uns, auf der Basis der mechanischen Auflockerung ein neues Meliorationsverfahren zu entwickeln, das den Standort der Pflanzen durch eine großflächige Strukturveränderung verbessern sollte, ähnlich wie es in den Drängräben geschah22).
Die Arbeiten begannen vor 20 Jahren21) und dauern heute noch an. An der Auswertung der zunächst inPseudogleyen und dann auch in Pelosolen angelegten Tiefenlockerungs-, Tiefendüngungs- und Dränversuche beteiligten sich vor allem das Bodenkundliche Institut in Bonn2’11’13’20’26’27) und auch das Institut für Landeskultur in Gießen16). Seit dem Jahre 1966 befassen sich weitere Institute in der Bundesrepublik Deutschland mit den Fragen der Unterbodenmelio-ration15’18’18’19). Trotz unterschiedlicher Erfolge, führten sämtliche Untersuchungen zu der Erkenntnis, daß verdichtete Böden nur mit Hilfe mechanischer Maßnahmen wirksam verbessert werden können. Dieses Resultat und die inzwischen erfolgte Entwicklung eines neuen Meliorationsverfahrens haben zu einer weitgehenden Änderung der kulturtechnischen Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland geführt4). Die Untersuchungsergebnisse über die Auswirkung der Tiefenlockerung können wie folgt zusammengefaßt werden:
Foto: Schulte-Karring
Überall da, wo bei dem Verlegen der Dränagerohre die Ursache der Schäden, die Bodenverdichtung, beseitigt und also eine durchlässige, speicherungsfähige, durchwurzelbare und durchlüftete Struktur geschaffen wurde, zeigt sich ein deutlich sichtbarer aber engbegrenzter Meliorationserfolg.
I.Struktur: Das Ziel der Melioration ist ein umfassender Strukturwandel. (Beseitigung der Verdichtung = Schadensursache). Bestimmte Voraussetzungen bodenkundlicher und technischer Art sind Grundbedingung für die Verwirklichung dieses Zieles 14,23). Ein nachhaltiger Erfolg ist nur dann zu erwarten, wenn die Bildung der neuen Struktur einen bestimmten Verlauf nimmt:
Die mechanische Auflockerung entscheidet als erste Stufe des Strukturwandels bereits über Erfolg oder Mißerfolg der Meliorationsmaßnahme. Anzustreben ist ein intensiver Auf bruch mit einer umfangreichen Verlagerung der Bodenaggregate. Voraussetzung dafür sind ein trockener Boden, ein leistungsfähiges Gerät und der fachgerechte Einsatz des Gerätes. Dann folgt die Phase des Zerfalls der aufgebrochenen und noch dichten Bodenaggregate durch Feuchtigkeitseinwirkung. Je nach Menge der Niederschläge kann der Zerfall vor allem bei den strukturlabilen Böden einen schnellen und dann weniger günstigen oder aber einen langsamen Verlauf nehmen. Gleichzeitig beginnt die Stabilisierung der neuen Struktur, deren Umfang von Düngungs-, Bearbeitungs-, Anbau- und u. U. auch Teildränmaßnahmen bestimmt wird23).
Zeichnung: Schulte-Karring
2. Wasserhaushalt. Mechanisch aufgelockerte Böden besitzen eine erhöhte Durchlässigkeit und damit eine verbesserte Dränleistung2,12,15,16,17,19,20,23,24) .Eine Verbesserung der Speicherfähigkeit ist vor allem bei Tonböden festgestellt worden. In jedem Falle aber führt der Strukturwandel zu einer intensiven Durchwurzelung [Wurzelraumkapazität3)] 1,3,5,21,23). und dadurch zu einer erheblichen Erhöhung des pflanzen verfügbaren Wassers3,23,25).
3. Wurzelwachstum. Neben einer intensiveren Durchwurzelung, die vor allem auf einen geringeren mechanischen Bodenwiderstand zurückzuführen ist, hat der Strukturwandel auch die Bildung leistungsfähigerer Wurzeln zur Folge5,9,10,21). Bei Gehölzen in Ertragsanlagen erfolgt durch die Lockerung zwangsläufig ein Wurzelschnitt der zu einer Neubildung (Verjüngung) der Wurzeln führt23). Die Tiefendüngung fördert das Wurzelwachstum 5,9,10,21) und ruft Wurzelkonzentrationen hervor, deren Umfang unter anderem von Art, Menge und Verteilung des Düngers beeinflußt wird. Stickstoff regt die Wurzelbildung am meisten an.
Fotos: Schulte-Karring
Typisches Wachstum einer Zuckerrübe im verdichteten, im tiefgelockerten und im tiefgelockerten und zusätzlich tief gedüngten Unterboden.
4. Bodenleben. Die veränderten physikalischen Verhältnisse und die Humusanreicherung rufen eine baldige und nachhaltige Belebung des tiefgelockerten Unterbodens hervor6,26,27). Es ist anzunehmen, daß die beweglichen Lockerungsgeräte den Belebungsprozeß durch eine verstärkte Verlagerung von Krumenbestandteilen in dem Bereich des Unterbodens noch wesentlich beschleunigen werden.
5. Pflanzenwachstum. Strukturwandel, veränderter Wasserhaushalt und bessere Wurzelbildung wirken sich ertragssteigernd aus7,8,18,19,21,23). Die Höhe der Mehrerträge richtet sich vor allem nach den Bodenverhältnissen (ursprüngliche Verdichtung, Intensität und Erhaltung der Auflockerung u. a.), dem Klima (Niederschlagsmenge und -Verteilung) und der Pflanzenart.
6. Wirkungsdauer. Die Dauer der Meliorationswirkung hängt von der Bodenart, dem Umfang der Auflockerung, der Stabilisierung und den nachfolgenden Bearbeitungs- und Anbaumaßnahmen ab 11,23). Bei den Pseudogleyen ist im tieferen Bereich nach 15 Jahren und bei den jüngeren Pelosolversuchen nach 6 Jahren noch eine gut erhaltene Auflockerung nachweisbar. Im oberen Unterboden dagegen tritt bei allen Versuchen sehr bald die Bildung einer neuen Pflugsohle ein, die vor allem auf den Druck der pflügenden Schlepper zurückzuführen ist.
Die Technik der Meliorationsgeräte23)
Bei der Anlage der ersten Lockerungs- und Tiefendüngungsversuche ergaben sich technische Probleme, die nur mit der Entwicklung neuer Geräte zu lösen waren. Mit den Arbeiten begannen wir im Jahre 1959.
Tiefenlockerungsgeräte.
Die im Jahre 1954 zur Verfügung stehenden Geräte genügten den Anforderungen einer großflächigen Melioration nicht. Der hohe Zugwiderstand und die schlechte Ausnützung der vorhandenen Kraft einerseits und die ungenügende Lockerungsleistung andererseits veranlaßten uns nach umfangreichen Experimenten mit starren Geräten, im Jahre 1968 die ersten beweglichen Tiefenlockerer konstruieren zu lassen. Unter den angetriebenen Lockerungsgeräten sind der Hubschwenklockerer (starres Schar, bewegliches Schwert) und der Wippschar-lockerer (bewegliches Schar, starres Schwert) zu unterscheiden.
Der Hubschwenklockerer wurde zunächst als zweiarmiges Gerät erbaut. Der Antrieb der hinter den Rädern des Schleppers arbeitenden Schwerter übte jedoch eine derart große Schüttelbewegung auf die Zugmaschine aus, daß es notwendig erschien, die Schwerter zusammenzusetzen oder ein vierarmiges Gerät zu erstellen. Beide Lösungen wurden verwirklicht. Der Hubschwenklockerer steht heute als vierarmiges Gerät in zwei Größen und für Sonderkulturen als zweiarmiges Gerät mit zusammengesetzten Schwertern zur Verfügung. Die Lockerungsintensität des Hubschwenklockerers (Verlagerung der aufgebrochenen Bodenaggregate) ist im Vergleich zu den starren Geräten wesentlich besser, jedoch weniger gut als beim Wippscharlockerer. In Böden, in denen größere Steine vorkommen, ist der Einsatz des Hubschwenklockerers nicht zu empfehlen.
Der Zugkraftbedarf je Lockerungsschwert ist dank der relativ großen Zapfwellenleistung (etwa 80 Prozent!) geringer als beim Wippscharlockerer. Der kleine vier-armige Hubschwenklockerer (Arbeitstiefe 50 cm) benötigt je nach Art, Dichte und Trockenheit des Bodens eine Anspannung von etwa 80 bis 100 PS, während für die 70 bis 80 cm tiefe Auflockerung rd. 150 bis 180 PS zur Verfügung stehen müssen. Das zweiarmige Gerät für Sonderkulturen verlangt dagegen für die 50 cm tiefe Auflockerung nur etwa 40 PS.
Die Flächenleistung ist bei einer vergleichsweise hohen Arbeitsgeschwindigkeit beachtlich und der Einsatz dank des geringen Radschlupfes auch bei eingeregnetem Oberboden oder in hügeligem Gelände möglich. Der Wippscharlockerer wird als ein- und zweiarmiges Gerät hergestellt. Er eignet sich für den Einsatz in besonders schwierigen Böden. Für den Aufbruch von zusammenhängenden Eisen-, Kies-, Manganverhärtungen ist er jedoch nicht geeignet.
Der Zugkraftbedarf beträgt bei dem einarmigen Gerät rd. 80 PS und bei dem zweiarmigen Gerät etwa 120 bis 150 PS. Da die Zapfwellenleistung beim Wippscharlockerer nur etwa 20 bis 40 Prozent beträgt und also noch ein großer Teil der Zugkraft über die Räder auf den Boden gebracht werden muß und dadurch bei schwerem Zug oder weicher Auflage ein noch relativ großer Radschlupf entsteht, hat sich die Kombination Raupe (120 PS) und zweiarmiger Wippscharlockerer für den großflächigen Einsatz besonders bewährt.
Fachgerechter Einsatz der neuen Geräte
Die Tiefenlockerung kann trotz des Vorhandenseins von leistungsfähigen Geräten zum Mißerfolg führen, wenn deren Einsatz nicht fachgerecht erfolgt. Die Bodenfeuchtigkeit hat für den Einsatz der neuen Geräte eine noch größere Bedeutung als zuvor bei den starren Lockerern. Strukturschäden mit nachfolgenden Ertragsdepressionen sind keine Seltenheit, wenn der Boden beim Lockern zu feucht war und von den beweglichen Arbeitswerkzeugen zusammengeschlagen wurde. Der Boden muß so trocken sein, daß er der Hubkraft der Lockerungsschare genügend Widerstand entgegensetzt. Röhrenartige Hohlräume sind das Zeichen einer schlechten Auflockerung.
Foto: Schulte-Karring Motorangetriebener Hubschwenklockerer mit 4 beweglichen Schwertern | Foto: Schulte-Karring Düngungsgerät mit eingebautem Wurfgebläse |
Die Arbeitstiefe muß so gewählt werden, daß hoch anstehende Verdichtungen (Pflugsohlen u. a.) unterfahren und tieferreichende Verdichtungen so umfangreich wie möglich, mindestens jedoch 70 cm tief beseitigt werden.
Die Arbeitsbreite (Abstand der Lockerungsfurchen) sollte etwa 70 bis 80 cm betragen. Sie läßt sich nur mit zweiarmigen Geräten bei übersetzender Fahrweise, mit einem einarmigen und einem nachfolgenden zweiarmigen Gerät oder aber mit einem vierarmigen Gerät verwirklichen. Der Einsatz von nur einarmigen Lockerern ist eine schlechte Notlösung.
Erhaltung der Meliorationswirkung
Die Rentabilität einer Melioration hängt weitgehend von deren Wirkungsdauer ab. Die nach der Sekundärauflockerung entstandene feine Struktur, unterliegt vor allem bei den strukturlabilen Böden der Gefahr des Zerfließens und in diesen Fällen sind vorbeugend und nachfolgend Maßnahmen chemischer und biologischer sowie ackerbaulicher Art zu treffen, die der Stabilisierung und Erhaltung der neuen Struktur dienen.
Chemische Maßnahmen
Handelsdünger hat als Stabilisator eine große Bedeutung. Er wird als Meliorationsdünger entweder oberflächlich ausgebracht und eingearbeitet oder während des Lockerungsvorganges in der Tiefe verteilt. Die Entwicklung einer gut funktionierenden Tiefendüngungsanlage gehörte ebenfalls zu dem Aufgabengebiet der Landes-Lchr- und Versuchsanstalt Ahrweiler, nachdem sich herausgestellt hatte, daß die erste, im Jahre 1959 hergestellte Tiefendüngungsanlage große Mängel aufwies. Nach zahlreichen Experimenten mit Vorrichtungen zur mechanischen Verteilung mit Flüssigdüngungsanlagen und Kompressoren wurde das Problem schließlich mit einem Wurfgebläse gelöst.
Biologische Maßnahmen
Die Tatsache, daß die Pflanzen im gelockerten Unterboden ein leistungsfähiges Wurzelwerk ausbilden und zur Belebung und Festigung der neuen Struktur beitragen, sollte Anlaß geben, vor allem während der ersten Jahre nach der Tiefendüngung wurzelintensive Pflanzen anzubauen.
Foto: Schulte-Karring
1. Vorarbeiten: Räumen der Fläche, planieren, düngen und dränen nach Bedarf; 2. Strukturmelioration: 80 cm tiefe Auflockerung und Bearbeitung des aufgelockerten Bodens mit angetriebenen Geräten, a) Tiefenlockerungsgerät (Aufbruch), b) Spatenmaschine (Einmischung des Mineraldüngers und Verlagerung der aufgebrochenen Pflugsohle), c) Kreiselegge (Saatbettherstellung und sofortige Einsaat); 3. Nacharbeiten: Ackerbauliche und pflanzenbauliche Maßnahmen zur Erhaltung und Stabilisierung der neugeschaffenen Struktur.
Nachfolgemaßnahmen
Die sofort und die während der Jahre danach zu treffenden Maßnahmen pflanzenbaulicher und ackerbaulicher Art haben einen wesentlichen Einfluß auf die Erhaltung der Auflockerung und müssen deshalb Beachtung finden. Die diesbezüglichen Vorkehrungen sind in die unmittelbar folgenden und später folgenden Maßnahmen einzuteilen.
Der Lockerungseffekt kann durch den Einsatz weiterer Geräte wesentlich verbessert werden. Das trifft vor allem für Pelosole mit ausgeprägter Pflugsohle zu. Diese Tatsache und die Erkenntnis, daß tiefgelockerte Böden zur ungestörten Bildung einer stabilen Struktur sofort saatbettfertig hergerichtet und eingesät werden müssen, haben zu der Koppelung von drei Geräten (Tiefenlockerer, Spatenmaschine, Kreiselegge) geführt, deren Einsatz zum „Ahrweiler-Meliorationsverfahren“ gehört. Zu den später folgenden Maßnahmen gehören bestimmte Vorkehrungen pflanzen- und ackerbaulicher Art, die zum Zwecke der Strukturerhaltung ausgewählt werden. Die Klärung dieser Fragen ist Gegenstand der jetzigen Forschungsarbeiten. Neben den genannten Untersuchungen werden auch die technischen Entwicklungsarbeiten fortgeführt. Für 1974 ist die Ausrüstung der hydraulisch angetriebenen Lockerungsgeräte mit Parallelogramm und Nivelierungseinrichtung geplant. Zu einem späteren Termin soll die Konstruktion von selbstfahrenden Lockerungsgeräten und für den Steilhang seilzugangetriebene Geräte mit eigener Lenkung in Angriff genommen werden.Literaturverzeichnis:
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