Bursfelde an der Weser und die Abtei Laach
Bursfelde an der Weser und die Abtei Laach
P. Dr. Emmanuel v. Severus OSB
Am 15. April 1993 wird die Deutsche Bundespost die vor 900 Jahren erfolgte Gründung der Benediktinerabteien Bursfelde an der Weser und Maria Laach im Kreise Ahrweiler durch Ausgabe einer Sonderbriefmarke zu 0,60 DM in Erinnerung rufen. Für die Historiker des Benediktinerordens sind die Verbindungen zwischen dem Kloster im Weserbergland und der Abtei am Laacher See hinreichend bekannt, den Bürgern der Länder Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wird man aber kurz erläutern müssen, daß
Ev.-luth. Klosterkirche Bursfeld/Weser,
ehemalige Benediktinerabtei St. Thomas und Nikolaus.
beide Klöster bis auf den heutigen Tag mehr verbindet als das gleiche Gründungsjahr 1093. Die gegenseitige Freundschaft und Zusammenarbeit beider Klöster bewährte sich besonders, als nach der Krise des benediktinischen Mönch-tums im 13. Jahrhundert im gesamten deutschen Sprachraum im 15. Jahrhundert ernsthafte Bemühungen zu einer Erneuerung des klösterlichen Lebens nach dem Konstanzer Konzil (1414-1418) einsetzten. Hier begegneten sich die Wünsche des Abtes Johannes Dederoth von Bursfelde (+1439) mit denen des Abtes Johannes Rode von St. Matthias in Trier (+1439). Die gegenseitigen Hilfeleistungen führten zum Zusammenschluß zahlreicher Klöster der Kölner, Mainzer und Trierer Kirchenprovinzen, der unter dem Namen der Bursfelder Union bis 1802 vielen Klöstern während und nach der Reformation Luthers das Überleben sicherte.
Es war nicht immer leicht, die Konvente für den Beitritt zur Bursfelder Union zu gewinnen und sie davon zu überzeugen, daß innere Erneuerung die notwendige Voraussetzung dafür sei, die Zukunft im Wandel vom Mittelalter zur Neuzeit zu gewinnen. In Maria Laach gelang dies schließlich unter Abt Johannes Fart im Jahre 1474. Wie entscheidend dieser Schritt empfunden wurde, zeigt die Tatsache, daß auf Grabsteinen der Äbte von Laach deren Zählung nicht mit der Gründung des Klosters im Jahre 1093 ansetzte, sondern „a reformatione“, womit der Beitritt zur Bursfelder Union 1474 gemeint war. Nicht weniger bezeichnend ist, daß nach dem Verlust zahlreicher Klöster an die lutherische Reformation das Laacher Kloster in der Bursfelder Union solches Ansehen gewann, daß seine Äbte Petrus von Remagen (1529-1553), Johannes VII. Ahr von Kettig (1597-1613) Praesides der Bursfelder Union wurden. Es war deshalb auch ein fast natürlicher Vorgang, daß die Geschichte des Klosters Bursfelde und die der nach ihm benannten Union in einem Laacher Mönch, P. Paulus Volk (1885-1976), ihren bedeutendsten Historiker gefunden hat und sich auch nach ihm Laacher Mönche immer wieder dem Thema Bursfelde widmeten.
Bundesminister Schwarz-Schilling (Mitte) teilt Abt L. Perlitt von Bursfelde (r.)
und Abt A. Schoenen (l.) die Genehmigung der Sondermarke für die 900-Jahrfeier beider Klöster 1993 mit.
In Bursfelde leben heute keine Benediktiner mehr, aber Bursfelde lebt. Dank der besonderen Rechtsverhältnisse im Lande Niedersachsen hat Bursfelde bis heute einen Abt, der bis zum Jahre 1828 vom König von Hannover ernannt wurde – eine reine Titelverleihung an verdiente Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Seit 1828 wird der Abt nun aus den Mitgliedern der theologischen Fakultät Göttingen gewählt und die kirchenrechtlichen Beziehungen durch den Niedersächsischen Kirchenvertrag von 1955 geregelt. Seine Aufgaben sind weithin durch seine Lehrtätigkeit und seine Persönlichkeit bestimmt, doch haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg Gewohnheiten entwickelt, die mit gutem Recht die gemeinsame Briefmarke zum 900jährigen Gründungstag als ökumenisches Ereignis erscheinen lassen: Jedes Jahr finden alljährlich am Himmelfahrtstage Festvorträge statt, 1976 hielt der Abt von Maria Laach mit dem Bischof von Hildesheim einen gemeinsamen Gottesdienst in Bursfelde, 1984 stand der Abt-Primas des Benediktinerordens einer Eucharistiefeier mit vielen mitfeiernden Mönchen vor, bei der der evangelische Abt von Bursfelde predigte. Ähnliche Feiern sind für 1993 vorgesehen.
Aber es gibt neben großen Gedenktagen auch einen blühenden Alltag: das Tagungszentrum Kloster Bursfelde, das in den mustergültig renovierten Kirchen- und Klostergebäuden religionspädagogischen Seminaren, Gruppen innerkirchlicher geistlicher Erneuerung, Singekreisen und missionarisch tätigen Kreisen seine Gastfreundschaft anbietet. Die gemeinsame Gedenkmarke unterstreicht in vieler Beziehung das gemeinsame ökumenische Streben des Abtes Professor Lothar Perlitt von Bursfelde und des Abtes Anno Schoenen der Abtei am Laacher See.