Burg Rheineck —ihr Bild ging um die Welt
Maler des 18. und 19. Jahrhunderts schufen bekannte Ansichten
Carl Bertram Hommen
Burg Rheineck gehört zu den ältesten und weltweit bekannten historischen Bauwerken, die zwischen Mainz und Bonn die Berge links und rechts des Rheins schmücken. Erbaut im elften Jahrhundert, wurde sie 1151 zum ersten Male, bereits zwölf Jahre später erneut zerstört, aber bald wieder aufgebaut. Danach erlitt sie bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts dieses Schicksal noch mehrmals. Durch einen Brand zum letzten Male 1785 bis auf Burgfried und Kapelle vernichtet und danach nur notdürftig im Wohnbereich erneuert, wurde sie 1805 von der französischen Besatzung als enteigneter Feudalbesitz an Oberförster Wenceslaus Schurp verkauft, den Sohn des früheren Verwalters dieser seit 1654 den österreichischen Grafen von Sinzendorf gehörenden Besitzung.
Für 20 000 Taler erwarb sie 1832 von Witwe und Erben Schurp der kunstsinnige Bonner Universitätsprofessor Bethmann-Hollweg. Er ließ sie durch den bekannten Koblenzer Baumeister Johann Claudius de Lassaulx völlig neu aufbauen. Fresken von Steinle schmückten seither die dem alten Bau im Äußeren getreu nachgebildete Kapelle. So entstand das »Schloß Rheineck«, wie es seither benannt ist, als ein beachtliches frühes Werk romantischer Baukunst am Rhein.
Im Mittelalter gerieten manche Burggrafen von Rheineck durch ihre Willkür und ihre rücksichtslose Mißachtung von Recht und Gesetz in Verruf. Die Zollkette quer durch den Rhein und der Mord an Ritter Rollmann von Sinzig zu Weihnachten 1381 bei einem Hoflager des Kölner Erzbischofs in Godesberg seien als zwei Beispiele genannt. In jüngster Zeit geriet Burg Rheineck erneut ins Gerede. Als der neue Burgherr mitten durch die 400 Jahre alte jüdische Begräbnisstätte im Burgberg einen Zaun rund um das Schloß führte, mußten die Steine ihren alten Platz räumen — entgegen der verbrieften Abmachung der Nachfahren v. Bethmann-Holl-wegs mit der jüdischen Gemeinde Niederbreisig im Jahre 1878 auf fortwährenden Zugang zu dieser kultischen Stätte. Auf dem jüdischen Friedhof am Kesselberg nördlich von Bad Breisig sind die Grabsteine für den gläubigen Juden heute nur noch leere Male des Gedenkens an die Toten.
Durch Reisebücher berühmt
Seit 200 Jahren zählt Rheineck zu den von Malern und Zeichnern meistbeachteten Burgen am Rhein. Zwar hat Matthaeus Merian in seiner Topographia Germaniae das Schloß nicht verewigt, sondern 1647 nur den Flecken »Brysich«. Jedoch erwähnt der Begleittext »das Städtlein Rheineck (so auch Rheinecke und Rineck geschrieben wird) auff dem Gallischen Boden und der Gestad deß Rheins zwischen Brisich und Andernach, welches im Jahre 1632 sampt den umbligenden Dörffern vor dem Schwedischen Volck außgeplündert« worden sei.
Aber in den Bildermappen deutscher Zeichner und auch schon in den ersten Reisebüchern britischer und deutscher Verleger vor 1800 hatte die Burg, obwohl damals noch von den Zerstörungen der vorangegangenen Jahrhunderte und vom letzten Brand arg geschunden, ihren festen Platz. So finden sich um 1730 Ansichten der alten Veste mit der achteckigen spätstaufi-schen Burgkapelle, von Niederbreisig mit dem Hammerstein bzw. von Rheinbrohl aus gesehen, unter den mehr als tausend Skizzen und Zeichnungen, die der 1741 in Spa verstorbene Maler Renier Roidkin auf seinen Wanderungen zwischen Maas und Harz ein Jahrzehnt zuvor von Schlössern und Orten anfertigte. Um 1800 erschienen in Wien »50 malerische Ansichten des Rheinstroms« mit den berühmten Bildern von Lorenz Janscha, die J. Ziegler in Kupfer gestochen hat. Nachdem schon 1790/91 »Die Reise auf dem Rhein« von Josef Gregor Lang die Serie der deutschen Reisebücher eröffnet hatte, folgten ihm 1804/06 die heute gesuchten Kupferstich-Mappen von Christian Geqixj Schütz.
Aquatintablatt »Rheineck« aus den 1791 veröffentlichten » Views taken on andnearthe riverRhine« von Rev. J. Gardnor: im Hintergrund Niederbreisig mit der Donatuskapelle des Templerhofs und der Kirche
Die erste bekannte Zeichnung der Burg Rheineck aus der Zeit der beginnenden Rheintouristik der Engländer vor 200 Jahren ist eine von den ,32 Aquatinta-Radierungen, in denen 1787 Reverend John Gardnor eine urwüchsige, fast unberührte Flußlandschaft voll düsterer Stimmung festgehalten hat. Nach dem französischen Zwischenspiel von 1794 bis 1814 am Rhein gaben Lord Byrons Reise 1816 durch das Rheinland in die Schweiz und nach Italien, vor allem aber die Fahrten des ersten Dampfschiffes »Prins von Oranien« im gleichen Jahr von London bis Köln und 1817 der »Caledonia« bis über Koblenz hinaus den Auftakt zu einer wahren Völkerwanderung an den Rhein.
Der Maler Theodor Verhas schuf 1838 Zeichnungen zu Karl Simrocks bekanntem Werk »Das malerische und romantische Deutschland«, das einer ganzen Epoche den Namen geben sollte. Ludwig Lange arbeitete mit an den 17 Bänden »Originalansichten der vornehmsten Städte Deutschlands«, die sein Bruder mit über tausend Stahlstichen seit 1834 herausgab. Zu den Stechern, die man immer wieder auf den Zeichnungen findet, zählten auch Poppel, Riegel, Kolb und Kurtz — alles Namen, die Sammlern solcher Rheinansichten geläufig sind. Von den Zeichnern der Burg Rheineck seien noch drei genannt: Gustav Zick, der Enkel von Januarius Zick, des bekannten Hauptes der Künstlerkolonie am Hofe des Trierer Kurfürsten Clemens Wenceslaus in Ehrenbreitstein; ferner J.J. Tanner, der von 1825 bis 1845 in Mainz als Zeichner und Kupferstecher arbeitete und vor allem mit Aquatinta-Blättern hervortrat; schließlich Christian Hohe — meist mit E. Grünewald als Stecher — mit Zeichnungen für den Bonner Verleger Tobias Habicht.
1828 schuf J. A. Lasinsky die Umrißlithographie von Rheineck
Mehr als 20 Zeichner bekannt
Von Rheineck werden in dem bekannten Standardwerk »Die Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweiler« nur sieben Ansichten der alten Burg und sechs des neuen Schlosses erwähnt. Tatsächlich haben allein zwischen 1787, als der Brite Rev. John Gardnor den Rhein bereiste, und 1875, als der Deutsche Richard Püttner das in Stuttgart veröffentlichte »Rheinfahrt«-Buch illustrierte, mehr als zwanzig Maler und Zeichner Burg Rheineck nach der Natur gezeichnet oder Vorlagen für Bücher kopiert. Sie alle — und mit ihnen viele Ausflügler bis auf den heutigen Tag — werden bei der schönen Aussicht von Rheineck oder von der noch über der Burg liegenden Bergnase der Reutersley zuweilen im stillen gedacht haben, was der deutsche Schriftstellerund Dramatiker Zacharias Werner 1809 nach einer Besteigung des Burgberges in sein Tagebuch schrieb: »Will’s Gott, da einmal ein paar Tage zuzubringen!« Damals lebte, wie der Dichter mit Sympathie anmerkte, auf Rheineck »ein artiger Mann als Eigentümer mit seiner höflichen Frau und schönen Tochter« beengt in notdürftig wiederhergestellten Räumen. Heute ist das Schloß den Besuchern verschlossen .. .
Rheintour auf Dampfschiffen
Illustrierte Rheinbücher gab es bald in großer Zahl — in englischer und deutscher Sprache aus Londoner oder rheinischen Verlagen — bis 1856 insgesamt 120 Titel. Kein Wunder; denn schon 1828 hatten die neuen Dampfschiffe 33000 Fahrgäste, 1837 waren es 153000, 1843 über 810 000, um sich dann gegen Ende des Jahrhunderts bei einer Million jährlich zu halten. Neben die Briten traten als Rheinreisende bald Franzosen und Schweden sowie Amerikaner, unter ihnen so bekannte Schriftsteller wie Longfellow, Cooper und Herman Melville.
Aquatintablatt »Schloß Rheineck« nach Lasinsky, das 1840 erschien, allerdings den inzwischen erfolgten Umbau noch nicht berücksichtigt
Der Ausblick stromauf, den der Zeichner C. Hohe bei dem 1842 veröffentlichten Blatt »Schloß Rheineck von der Nordseite« wählte, wurde später von vielen Stahlstechern nachgestochen — Repros nach Originalen des Verfassers
Nichts von seinem Reiz eingebüßt, doch der Zugang zu Schloß Rheineck bleibt den Besuchern verwenrt
Foto: Kreisbildstelle
Aber entscheidend für das Bild, das sich die Touristen vom Rhein machten, waren die Zeichner. Dies galt vor allem, seit an die Stelle der Aquatinta mit maximal 200 Abzügen, der Radierung mit Auflagen bis 500 und des Kupferstichs bis etwa tausend Exemplaren der 1820 vom Engländer Charles Heath erfundene Stahlstich getreten war. Er gestattet nicht nur Auflagen zwischen 20000 und 100000 Exemplaren, sondern auch eine Überarbeitung der Platten und die Anfertigung von Duplikaten der Druckvorlagen.
Das malerische Rheinland
Von den britischen Zeichnern, denen exzellente Stecher zur Seite standen, seien genannt Robert Batty mit dem 1826 veröffentlichten Buch »Scenery of the Rhine«, dem ersten Stahlstichwerk, und William Tomblesons 140 Ansichten von 1832. Ihre Zeichnungen wurden von deutschen Buchverlegern sehr schnell ausgebeutet und als Vorlagen benutzt. Ihre »Kopien« — heute im Zeitalter des (fast) weltweiten Copyrights zum Schutz vor unberechtigtem Nachdruck würde man von Plagiaten sprechen — hielten sich oft bis in die kleinsten Details an die britischen Vorlagen.
Jedoch gab es auch zahlreiche originale deutsche Arbeiten. So schuf Friedrich Wilhelm Delkeskamp auf seinen Reisen zwischen 1825 bis 1828 eine Vielzahl von gut gesehenen Ansichten, die er zum Beispiel in einem »Malerischen Reise-Atlas des Rheins von Basel bis ins Meer« vereinte. In ihm ist auch Schloß Rheineck vertreten; außerdem finden sich aus der Nachbarschaft Hammerstein, Brohl mit Nippes, Rheinbrohl und Hönningen mit Argenfels. Hier wäre der 1808 in Simmern geborene Johann Adam Lasinsky zu nennen mit seinem 1829 erschienenen »Skizzenbuch«, deren Vorlagen der zum Kreis des Düsseldorfer Malers Caspar Scheuren zählende Künstler 1844 auch zu dem Buch »55 Ansichten des Rheins von Mainz bis Köln« benutzte; es enthält ein prächtiges Aquatinta-Blatt von Rheineck.