Bürger von Wershofen unter Napoleons Fahnen
Peter Weber
Wenn auch die Wershofener Dorfchronik leider verloren ging, so bietet die Pfarrchronik, die Pfarrer Schauppmeyer 1847 anlegte und sich im Pfarrarchiv befindet, doch noch manche Einzelheiten aus der Dorfgeschichte. Pfarrer Schauppmeyer hat damals auch mündliche Überlieferungen festgehalten und es wird von Einwohnern berichtet, die Anfang des 19. Jahrhunderts als französische Soldaten überall in Europa unterwegs waren. Was einzelne von ihnen erlebten, ist in ausführlichen Berichten festgehalten. So berichtet die Chronik:
Hubert Rademacher ist seit langem als treuer Kirchendiener erfunden worden. Er hat auch vielfach Erfahrungen geschöpft in der Behandlung kranker Schweine und manche glückliche Kuren gemacht. Im Jahr 1810 trat er in französische Dienste, wurde transportiert von hier nach Metz und sodann nach Spanien, wo er in das 100. Regiment eintrat. In den Städten Bajonne, Madrid, Valencia, Borgone und besonders in Viktoria erlebte er viele Gefahren. In der Nähe der letzten Stadt blieb er eines Tages hinter seinen Kameraden zurück, um an einer Quelle seinen brennenden Durst zu löschen. Seine Leute, die Franzosen, begaben sich unterdessen weiter, so daß Rademacher sie nicht mehr sehen konnte. Bloß hörte er nur noch Gewehrfeuer und glaubte, das rühre von den Seinigen her. Er ging kühn drauf los, aber welch ein Schrecken, er stand plötzlich hur auf 10 Schritte den Portugiesen gegenüber. Diese standen im Rufe, kein Pardon zu geben. Darum hörte Rademacher auf ihre Einladungen, näher zu kommen, nicht und begann in der Flucht sein Heil zu suchen. Die portugiesischen Kugeln durchbohrten seinen Mantel und Tornister ohne seiner Haut wehe zu tun. Radernacher erreichte seine Kameraden und verweilte noch in Spanien bis zum Jahre 1813, wo er entlassen wurde.“
„Josef Syberg trat 1807 in französische Dienste und mußte nach der Bretagne und von da nach Spanien. Zwei Stunden von Saragossa mußte er fourragieren. Als sie in der Scheune eines einsamen Hofes die Garben herunterwarfen, kam einer seiner Kameraden, den man seit einem Tage vermißte, aus den Garben tot herab gerollt. Glück für Syberg, daß er noch zwei Gefährten bei sich hatte, sonst hätte er gleiches Schicksal gefunden.
In einem unweit von Saragossa gelegenen Dorfe suchte Syberg mit Genossen nach Brot. Man öffnete den Backofen und fand darin Knochen eines verbrannten Menschen, den man an den noch vorfindlichen Knöpfen für einen Franzosen erkannte. —
Josef Syberg wohnte bei Valladolit einem kleinen Scharmützel bei, half in der Nähe von Cordua eine kleine Brücke erstürmen, die Tore von Cordua mit den Kanonen öffnen und diese Stadt während acht Tagen plündern. In einem Olivenwalde bei Bauen hatten sich die Franzosen so weit in das Dickicht verirrt, daß sie bei dem herannahenden Feinde Gefahr liefen, gefangen oder niedergemacht zu werden. Weil sie aber wußten, daß General Feorier in der Nähe verweilte, so hofften sie durch dessen Hilfe bald wieder befreit zu werden. Feorier aber wurde ein Verräter seines Vaterlandes, verkaufte seine Leute und die Kämpfer bei Ballen, nachdem sie fünf ganze Tage gefochten, mußten sie sich endlich ergeben. Man transportierte sie (darunter auch Josef Syberg war) als Kriegsgefangene nach Heres de la Frontera. Als Syberg drei Wochen hier verweilt hatte, trennte er sich von seinen Leuten und nahm Dienst bei den Spaniern. So stand er als spanischer Soldat seinen Landsleuten bei Taresfon gegenüber. Es kam ihm sehr schwer an, das Blut seiner Brüder vergießen zu müssen und als bei einer Retirade der Spanier eine schickliche Gelegenheit sich darbot, ging er mit einem Serganten und 34 anderen wieder zu den Franzosen über. Nun wurde er Krankenwärter und etwas später in Saragossa Postillion mit einem monatlichen Gehalt von 75 Francs.
Als er eines Tages in Tutela mit dem Zurichten der Pferde beschäftigt war, fielen plötzlich die Banden des berüchtigten Minna (eines ehemaligen Priesters) in die Stadt ein. Panischer Schrecken ergriff die Franzosen, denn Minna’s Schwert dürstete beständig nach Blut.
Syberg mit seinem Herrn, dem Postmeister, einem Doktor medicus und dessen Diener eilten auf den Speicher, und krochen allda durch eine kleine Öffnung In einen Hühnerstall. Allein es dauerte nur wenige Minuten, und sie hörten die Spanier schon die Treppe hinauf eilen und an dem Hühnerloche die Worte „Heraus mit Euch“ rufen. Syberg war zuletzt hineingekrochen und mußte jetzt zuerst die Tür öffnen. Syberg kroch auf dem Bauche heraus und rief „je vous demande pardon, ayez pitie de moi“! Es half ihm aber nichts, denn als er kaum mit dem halben Körper sich durch die Öffnung geschoben hatte, legte ein Spanier das Gewehr auf ihn an, drückte los, konnte aber in diesem Augenblick sein Opfer nicht töten, weil das Pulver auf der Pfanne abbrannte. Er lud von neuem das Gewehr und würde den Mord ausgeführt haben, wenn nicht ein Leutnant der Spanier herbeigeeilt wäre und ihm Einhalt geboten hätte. Nun krochen sie alle mit leichtem Herzen aus dem Stalle und folgten als Gefangene dem Leutnant, der zugleich ihr Retter war. Sie wurden jetzt, in ihrem Zimmer angekommen, aller ihrer Habseligkeiten beraubt. Noch hatten die Spanier nicht ihren Raub ganz eingepackt, da hörte man wieder Schießen. Es waren Franzosen, die zur Hilfe ihrer gefangenen Brüder herbeieilten und in der Stadt selbst einen lebhaften Kampf mit den Feinden begannen. Jetzt fanden Syberg und seine Leidensgenossen Gelegenheit zu entspringen, um den Franzosen wieder entgegenzueilen. Hierauf war Syberg noch drei Jahre als Postillion in Fortosa, kam von hier nach Barcelona, Reos, Perpignan, Toulose und Paris. Hier besuchte er seinen Onkel Michel Corden, Schreinermeister, und geboren in Wershofen, empfing vom Oberpostdirektor sein rückständiges Gehalt mit 800 Francs und kehrte in seine Heimat zurück. Ein Jahr beinahe darauf mußte er unter die Preußen eintreten und kam wieder nach Paris bis in die Normandie, kehrte mit dem Heere wieder zurück nach Magdeburg und wurde in Wollnerstadt entlassen.
Daß diese Erzählung des Josef Syberg nur Wahrheit enthält, beweisen seine ihm 1850 aus Frankreich übersandten Papiere.“
„Nikolaus Hübgens wurde 1809 nach Antwerpen geführt zum 48. Regiment, marschierte mit seinem Heer nach Löwen, Gent, setzte über das Meer nach Vließingen, wurde von den Engländern gefangen, nachdem er drei Tage und 3 Nächte gekämpft hatte. In seiner Gefangenschaft in England lag er lange im Lazarett, weil er am Arm durch eine Kugel blessiert worden und sodann von einer hartnäckigen Fieberkrankheit überfallen war. Nach beendigtem Kriege kehrte er in seine Heimat zurück.“
„Alois Rohr war mit Syberg in Spanien, wurde dort gefangen und nahm spanische Dienste an.“