Benachteiligung von Frauen – auch im Kreis Ahrweiler? – Die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Ahrweiler
„Man sollte nie daran zweifeln, daß eine kleine Gruppe nachdenklicher, engagierter Bürger die Welt verändern kann: eigentlich ist sie ja nur so je verändert worden.“ (Margret Mead)
Dieser Satz der berühmten Anthropologin und Ethnologin Margret Mead könnte als Motto auch über der Arbeit von Gleichstellungsbeauftrag-ten stehen. Margret Mead hat als eine der ersten Wissenschaftlerinnen Beweise erbracht (1929), die zu der Erkenntnis führten, daß die Eigenschaften, die als typisch männlich oder weiblich gelten, von der Kultur abhängen, in deren Einfluß wir leben.
Benachteiligung von Frauen wird nach wie vor geleugnet oder einfach als naturgegeben hingenommen. Diese Haltung erschwert die Gleichstellungsarbeit und macht deutlich, wie notwendig es ist. Bewußtsein für diese Problematik zu wecken.
Seit meinem Dienstbeginn im März 1996 hilft mir ein solcher Leitsatz wie der von Margret Mead, auch kleine Erfolge zu würdigen und Mißerfolge bei meiner täglichen Arbeit für Frauen besser zu ertragen. Schon vor meinem Amtsantritt hat es Gleichstellungsbeauftragte gegeben, die sich für die Frauen im Kreis Ahrweiler engagierten. Frau Astrid Braun-Höller hat am längsten für diese Aufgabe im Kreis gewirkt und wird vielen noch in Erinnerung sein. Durch sie ist die Akzeptanz dieses Amtes in der Bevölkerung und bei der Kreisverwaltung und anderen Behörden gewachsen. Die positiven Auswirkungen kommen meiner Tätigkeit noch heute zugute.
Nachfolgend sollen einige Problemfelder aus dem Alltag der Gleichstellungsbeauftragten kurz vorgestellt werden. wobei vornehmlich auf die Benachteiligung von Frauen eingegangen wird.
Gewalt gegen Frauen
Im Zusammenhang mit dem Phänomen Gewalt gegen Frauen kann der Begriff „Benachteiligung“ nur als Verharmlosung angesehen werden. Gewalt gegen Frauen ist leider bittere Realität. Sie führt vielfach zu schwersten körperlichen und seelischen Verletzungen – bis hin zum gewaltsamen Tod. Auch im überwiegend ländlichen Kreis Ahrweiler ist keine heile Welt zu finden. Das hier bestehende Frauenhaus, das die Frauen aufsuchen, die sich und ihre Kinder vor Gewalt schützen müssen, ist stets ausgelastet. Oft genug müssen Frauen deswegen in anderen Frauenhäusern der näheren Umgebung untergebracht werden.
Eine vielgefragte Informationsquelle: Handbuch für Frauen.
Doppelbelastung
Ein weiteres Problemfeld und damit auch Arbeitsfeld für Gleichstellungsbeauftragte ergibt sich vielfach schon aus dem Lebenslauf von Frauen durch Berufstätigkeit und Mutterschart. Zu einem sind sie während der Kindererziehungszeiten generell vom Einkommen anderer abhängig. zum anderen fehlen ihnen gerade durch die Kindererziehung später Rentenansprüche. Sie sind daher für Armut eher anfällig als Männer.
Täglich erfahre ich, daß besonders alleinerziehende Frauen mit Kindern von geringem Einkommen leben müssen. Aber auch besonders Frauen über 60 Jahre sind häufig von Armut betroffen. Sozialhilfeempfänger sind in hohem Maße Frauen. Die Zahlen aus dem Kreis Ahrweiler rühren dies deutlich vor Augen. So brauchten hier (1997) insgesamt 1.187 (41,1%) Männer Hilfe zum Lebensunterhalt und 1.695 Frauen (58,9 %). Bei den über 60jährigen liegt der Frauenanteil noch höher -es sind 74 % (238 Frauen) und 25.6 % (82 Männer).
Hinzu kommt, daß viele Frauen aus Scham den Weg zum Sozialamt scheuen und von einem Einkommen unter dem Existenzminimum leben müssen. Frauen aus dem ländlichen Raum haben oft ihr Leben lang im Familienbetrieb gearbeitet, ohne Rentenansprüche zu erwerben. Im Alter sind sie dann ganz auf das Wohlwollen und die Hilfe von Angehörigen angewiesen. Viele Frauen möchten aus diesem Teufelskreis ausbrechen und versuchen darum, Berufstätigkeit und Kindererziehung zu vereinbaren.
Durch die Familienarbeit bleibt ihnen aber weniger frei verfügbare Zeit als Männern. Das Arbeitseinkommen von Frauen liegt derzeit im Durchschnitt nur bei 70 o/o bis 85 o/o von dem männlichen Berufstätiger.
Frauen sind nach wie vor eher in „typisch weiblichen“ Berufen Tätig, die derzeit noch grundsätzlich schlechter bezahlt werden. Es handelt sich dabei z.B. um folgende Berufe: Kindergärtnerin. Arzthelferin. Krankenschwester. Verkäuferin.
Für sich selbst spricht in diesem Zusammenhang die Bemerkung eines männlichen Praktikanten in einem Kindergarten des Kreises. Er meinte:
„Die Arbeit macht mir großen Spaß – aber ich würde nie Kindergärtner werden, da verdient man ja nichts!“
Frauen in Führungspositionen
Insgesamt sind Frauen in den besser bezahlten und damit auch prestigeträchtigeren Berufen so unterrepräsentiert, daß die Vereinten Nationen davon ausgehen, daß erst im Jahre 2490 Männer und Frauen gleichmäßig in diesen „Rängen“ vertreten sein werden. Hoffentlich dauert es nicht ganz so lange!
So gibt der Anteil der Frauen, die bei der Kreisverwaltung Ahrweiler in Leitungsfunktionen vertreten sind, auch nicht gerade Anlaß zum Optimismus. Wie der Frauenförderplan der Kreisverwaltung in seinem statistischen Teil zeigt. arbeitet in der Kreisverwaltung derzeit nur eine weibliche Dezernentin (5 männliche). Keine Frau ist Abteilungsleiterin (10 Männer), lediglich zwei Frauen sind Stellvertreterin-nen (8 Männer), 4 Referatsleiterinnen stehen 24 Referatsleitern gegenüber.
Vor allem in den Familien übernehmen Frauen Kranken-und Seniorenbetreuung.
Treffen der Gleichstellungsbeauftragten mit Landrat J. Weiler
Frauen, die sich entschlossen haben. Berufstätigkeit und Familienarbeit zu verbinden, können dies häufig nur in Teilzeitform leisten. Von 100 Teilzeitstellen sind in Deutschland 90 mit Frauen besetzt. Berufstätige Frauen müssen normalerweise auch die Familienarbeit voll leisten:
Kinderbetreuung und die gesamte Hausarbeit ruhen in der Regel ganz auf den Schultern der Frauen, müssen von ihnen alleine bewältigt werden. Immer noch entziehen sich die meisten Männer diesen Aufgaben. Häufig haben Frauen zusätzlich noch mit Vorurteilen in ihrer Umgebung zu kämpfen, die ihnen vorwirft. Kindererziehung und Hausarbeit nicht zufriedenstellend zu leisten. Beratung suchen Frauen auch zu dieser Problematik.
Aufgabenfelder: Rat und Hilfe
Daraus ergibt sich eine Fülle an Aufgaben, die nachfolgend kurz umrissen werden. Zum einen besteht ein großes Beratungsbedürfnis bei Frauen, die sich u.a. in einem der angesprochenen Problemfelder berinden. Diese Frauen wollen sich aussprechen, sie brauchen parteiliche Anteilnahme, Trost und Zuspruch, vor allem aber kompetenten Rat. Hilfe und Lösungsmöglichkeiten in ihrer Situation.
Die im Kreis vorhandenen Hilfsinstitutionen sind dabei meine Ansprechpartner, bei denen Frauen in allen Lebenslagen und vor allem in der Not schnell und unbürokratisch Hilfe finden.
Die Gleichstellungsbeauftragte leistet die Vernetzung von Hilfsangeboten für ratsuchende Frauen. So ist auch das Handbuch für Frauen entstanden, das mit rund 60 Adressen von Ansprechpartnerinnen ratsuchenden Frauen im Kreis Ahrweiler Anlaufstellen und Hilfsmöglichkeiten vorstellt und übersichtlich zusammenfaßt.
Diese hilfreiche Broschüre wird viel benutzt und mußte bereits wegen der großen Nachfrage nachgedruckt werden.
Bewußtseinsbildung
Die bewußtseinsbildende Arbeit sehe ich als eine besonders wichtige Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten an.
Um die alten Rollenverteilungen und -mustcr abzubauen und zu verändern, damit wir der Gleichberechtigung näher kommen, braucht es eine neue Sicht von Partnerschaft, Respekt der Geschlechter untereinander, Teilung von Aufgaben innerhalb und außerhalb der Familien und Teilung der Ressourcen (gerechten Anteil am Einkommen, bessere Alterssicherung). Dies muß ein Erziehungsziel sein. Als Pädagogin, die 23 Jahre in der Familienbildung tätig war. sind mir daher Seminare zum Thema „Nachteile, die durch geschlechtsspezifische Erziehung entstehen“, besonders wichtig.
So biete ich über die KVHS jährlich Seminare zu diesem Thema für Erzieherinnen in der Kindergartenarbeit an. Darüber hinaus veranstalte ich Elternabende zu diesem Thema. Ich bin dabei immer wieder überrascht über die große Zahl der Eltern, die dieses Angebot wahrnehmen.
Zum Rollenverständnis wurde im Frühjahr 1998 im Foyer eine Ausstellung zur Rolle von Mädchen im Bilderbuch präsentiert. Sie verdeutlichte an zahlreichen Beispielen Rollenklischees, die Wirklichkeit sind und durch Literatur bis auf den heutigen Tag noch weiter tradiert werden. Die Mädchenförderung an Schulen, Mädchenarbeit in der Jugendarbeit sind weitere Aktionen. für die ich die Mitarbeit von Lehrerinnen und Jugendleiterinnen zu einem entsprechenden Arbeitskreis gewinnen möchte. Zu einem Arbeitskreis „Frau und Beruf im Kreis Ahrweiler“ haben sich Bildungsträger, Beauftragte für Frauenbelange des Arbeitsamtes Mayen. Gleichstellungsbeauftragte, Interessenvertretungen der Wirtschaft und des Handwerks zusammengeschlossen, um wirksame Öffentlichkeitsarbeit zu leisten und die Frauenförderung optimaler zu gestalten. Die gute Zusammenarbeit mit engagierten Frauen und Männern in unserem Kreis, mit Institutionen und Einzelpersonen macht Mut und bestärkt mich in meiner Arbeit. Ich habe die Hoffnung, daß durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreitern sowie Institutionen im Kreis langfristig eine nachhaltige Bewußtseinsänderung erfolgt und auf diese Weise Gleichberechtigung „wirklicher“ wird.