Beitrag zur prähistorischen Besiedlung des Kreises Ahrwieler
Von Johannes Lilienthal
Mit dem Rückgang der Eismassen gegen Norden entsprang dem fruchtbaren jungfräulichen Boden eine undurchdringliche Vegetation. Riesige, nur von Tierpfaden durchbrochene Urwälder bedeckten die Schluchten und Höhen unserer Landschaft in der Steinzeit. Dem Tier nachfolgend, erscheint der Mensch. Jagend und kräuter- und früchtesuchend befriedigt er sein Leben. Bei Kälte und Unwetter sucht er Schutz in den von der Natur geschaffenen Höhlen. Nichts bindet ihn an einen Ort, denn der Lebenskampf treibt ihn weiter. Seine Waffen sind Steine, die seine Hände umfassen. Er sinnt nach. Die Umstände zwingen ihn, die Fauststeine anzuschärfen, damit die Schlagfläche wie ein Messer schneidet. Es ist um 4000 Jahre vor Christus.
Das Auffinden solcher Faustkeile gibt uns im Kreis Ahrweiler die erste Kunde von Menschenspuren. Halbversteinerte Menschenknochen bringen den zweiten Beweis.
Die Fundstellen liegen im nordöstlichen Teil des Kreises. Es ist somit anzunehmen, daß die ersten Menschen, welche den Kreis betraten, den Rheinlauf als Wanderweg benützten. In über tausendjähriger Wanderung drangen sie dann weiter nach Westen vor. Mangelnde Jagdbeute trieb sie bis an die Eifelberge. Mit den Jahrhunderten vermehrten sich
die Menschen. Sie schlössen sich zusammen, gründeten Jagdgemeinschaften, verteidigten ihr Gebiet gegen den fremden Eindringling. Die Sippengemeinschaft entstand. Aus dieser Gemeinschaft bildete sich ein Totenkult. Man verbrannte den Toten und setzte die Reste In einer Urne in die Erde. Um die Totenurne zu schützen, trug man einen Erdhügel auf. Es sind die im Kreisgebiet vereinzelt liegenden Hügelgräber.
Im Innern ist eine Totenurne, ohne jegliche Beigaben. Das Material der Urne ist aus grobem Lehm geknetet und bei offenem Feuer gebrannt. Sie haben die Becherform, ohne Bodenbasis und Ornamentik. Bei einigen sind am oberen Rand grobe Warzenknoten aufgedrückt. Man nennt diese Formen Linear-Bandkeramik. Sie ist in die Zeit 2500 bis 2000 v. Chr., also in die Jüngere Steinzeit, zu verlegen. Das Größerwerden der Gemeinschaften hatte zwangsläufig eine Verminderung der Jagdbeute im Gefolge. Um aber die größer werdenden Lebensbedürfnisse befriedigen zu können, mußte ein Ausweg gesucht werden. Man fand ihn instinktiv im Anbau von Pflanzen und Krautern. Der Ackerbau begann und mit demselben die Wanderbesiedlung; d. h. solange der Boden fruchtbar war, blieb man am gleichen Ort. War derselbe ausgebeutet, so wechselte man den Standort.
Urnen im Besitz des Ahrgaumuseums
Foto: Kreisbildstelle
In der Jüngeren Steinzeit (5000—2000 v. Chr.) wurde aus dem Jäger, Fischer und Sammler der seßhafte Ackerbauer und Viehzüchter. Hier entstand das Bauerntum und der Anfang der Kultur. Auch hierüber geben uns die Bodenfunde den Beweis. Die Hügelgräber werden größer. Sie bergen nicht wie bisher nur eine Totenurne, sondern es entstehen die Sippengräber. Unter dem aufgeschütteten Boden wird die Brandgrube größer. Hinter ihr nun stehen im Kreis geordnet die Sippenurnen der Verstorbenen. Oft sind es über zwanzig. Die Formen dieser Urnen sind schon höher entwickelt. Wohl fehlt noch die Bodenbasis, doch hat das Material schon eine größere Härte, und der obere Rand der Urne hat eine Ringverzierung. Es ist die Zelt der Schnurkeramik, welche für den Kreis Ahrweller in die Zeit bis 1800 v. Chr. zu legen ist. Weitere Funde dieser Zeit sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Es werden Steinbeile gefunden, welche den Faustkeil ablösen. Der obere Teil ist vertieft, In das ein Weidengeflecht als Stiel angebracht wurde. Die Axt war erfunden, deren Schnittfläche schon schärfer ist. Die Fundstellen erstrecken sich schon über den gesamten Kreis.
Die Menschen lernen aus Kupfer und Zinn bronzene Waffen und Schmuckgegenstände herzustellen. Diese Bronzezeit bringt uns die ersten Standbesiedlungen. Dieselben nehmen ihren Anfang wieder im Süd-Ostteil des Kreises. Den Beweis dafür geben uns die Urnenfelder, welche die Hügel- durch Flachgräber ablösen. Diese Urnenfelder wurden südlich der Ahr erst im vergangenen Jahre festgestellt und ergaben einen wichtigen Beitrag zur Besiedlungsgeschichte des Kreises. Schon seit der Jahrhundertwende sind die Urnenfelder am Nordrande der Grafschaft bekannt. Auch sind die Reibsteine, welche vorgefunden wurden, ein guter Beitrag. Sie wurden zum Zerkleinern des Getreides verwandt, haben die Schlldform und sind die Vorläufer der Mahlsteine.
Die Totenurnen dieser Urnenfelder sind Glockenbecherformen. Ihr oberer Teil ist mit einem Bronzedraht fein verziert. Sie wurden nicht mehr mit einer Steinplatte abgedeckt, sondern ein aus dem gleichen Material gebrannter Deckel umschließt den oberen Teil der Urne. Die Außenwand zeigt schon eine rötlichbraune Oberschicht. Diese Funde fallen in die Hallstatt A-, B-, C- und D-Zeit und sind als Eifel-Hunsrück-Keramik bekannt. In der Eisenzeit, zumal in der La Tene-Periode, wird unsere Heimat von dem Herrenvolk der Kelten besiedelt, an die noch unsere Fluß- und Flurnamen und die Fliehburgen erinnern.
Hatten wir es bis in diese Zeit nur mit nordischen Formen zu tun, so ändert sich dies beim Vordringen der Römer. Von _ da an sind die südlichen Formen vorherrschend. Auch die Besiedlung des Kreises erlebt eine Veränderung. Die Standsiedlung gibt der militärischen Zweckbesiedlung den Raum frei. Nach der Varusschlacht 9 n. Chr. erreicht diese den höchsten Stand, da die Römer den Raum zwischen Rhein und Elbe freigaben. In allen Südhängen des Kreisgebietes, wo der Boden einigermaßen fruchtbar ist, finden wir die Spuren der militärischen Besiedlung. Auch werden die Feststellungen von Eisenschmelzen und privaten römischen Eisenschmelzen häufiger. Die Vielzahl der angesiedelten Stämme zeichnet sich ab in der Formgestaltung der Bodenfunde. Germanische und keltische Formgestaltung haben sich mit den vorherrschenden römischen Formgestaltungen vermischt. Dasselbe gilt für den Totenkult. Die bis dahin geltenden Sitten werden römisch beeinflußt. Beigaben erscheinen. Wir finden große Steinkistengräberfelder neben römisch beeinflußten Keltengräbern. Die Terra-Nigri und Terra-Sigilaten nehmen ihren Einzug. Wir finden Glasgefäße, die den Toten als Beigabe mitgegeben wurden. Der militärischen Zweckbesiedlung ging natürlich der römische Straßen- und Verbindungswegebau zu den Siedlungsstellen voraus. Ein dichtes Straßen- und Wegenetz durchzieht den ganzen Kreis. Der hier zur Verfügung stehende Raum läßt es leider nicht zu, alles eingehender zu behandeln. Der Bericht soll ja auch nur als Einführung zu einer späteren Untersuchung der Besiedlungsgeschichte des Kreises gedacht sein. Er möge jedoch ein Appell an die Kreisbevölkerung sein, doch alle Bodenfunde, seien diese auch oft unbedeutend, den zuständigen Stellen zu melden, damit diese Bodenfunde aufbewahrt und wissenschaftlich erforscht und gedeutet werden können.