Beim hochedlen Herrn Pin de la Borde, Statthalter, Geheimer Rat und Oberamtmann zu Arenberg
Von W. Knippler
Vorbereitung zur Weinlese in Dernau
Foto: Lorenz
August 1744.
Registratur Strauß schaut von einem der vielen Fenster des Schlosses Arenberg hinaus ins Eifelland. Pferdegetrappel zwingt ihn an den Arbeitstisch.. Dort rechnet er Pint, Faß und Malter zusammen, wirft den Gänsekiel weg und spitzt sich ärgerlich einen neuen zurecht. Da hört er ein Geräusch vor der Tür. Er springt auf und macht einen tiefen Bückling. Herein kommt der Statthalter.
St. „Leg‘ einmal die Kirchenrechnungen beiseite, hier kommt Wichtigeres! Seine Durchlaucht, der Herzog Leopold, kommt im August noch hierher zur Jagd. Er hat es höchst eigenhändig geschrieben. Sicher hat er genug von der hohen Politik in Holland und England.“
Str. „Von der hohen Politik? Seine Durchlaucht ist doch Feldmarschall des Kaisers!“ St. „Den Marschallstab erhielt er schon vor sieben Jahren, und er hat ihn ehrlich bei Belgrad gegen die Türken und bei Dettingen verdient. Aber er hat auch bewiesen, daß er ein Meister der Diplomatie ist, als er im Auftrag des Kaisers in die Niederlande und nach London ging. Er bewirkte doch die Allianz zwischen diesen beiden Ländern.“
Str. „Herzog Leopold muß ein sehr kluger Mensch sein!“
St. „Ja, das muß er wohl sein, sonst setzte er sich nicht durch bei den Wiener Hofschranzen. Doch zur Sache! Du schreibst heute noch an die Herren des Geheimratskollegiums. Sie sollen zu einer dringenden Besprechung hierherkommen. Am Montag zur üblichen Zeit! Weise darauf hin, daß neue Verordnungen bevorstehen, die große Eile haben! Weißt du, wer geladen werden muß?“
Str. „Der Amtmann von Commern, die Landschultheißen von Arenberg und von Kerpen, der Burghauptmann von der Casselburg und die Vögte von Gillenfeld und Fleringen.“
St. „Gut! Vermerke auch, daß die 600 Gulden an den kurrheinischen Kreis abgeliefert werden müssen. Sie sollen sich beeilen mit der Steuerrepartition! — Über Mittag gehst du zum Forstmeister Porrigneaux. Er möge mich am Nachmittag zur Stahlhütte begleiten. Sag‘ auch dem Rentmeister und dem Münzmeister, daß sie morgen antreten sollen zum Bericht. Der Mattias Welsch, der Koch, und der Bottelier sollen sich schon vorbereiten, damit Seine Durchlaucht zufriedengestellt wird.“
Str. „In der Buchenallee muß dann noch das Pflaster ausgebessert werden, und der Gärtner muß noch die Hecken schneiden.“
St. „In Ordnung! Was hast du hier verändert?“
Str. „Die Registratur ist neu geordnet. Hier sind die Akten des Ritters von Romag-nol, der von 1723 ab als Gouverneur amtierte, daneben die seiner Vorgänger, der edlen Herren von Veyder, des Mauritius, des Salatein und des Christoph von Veyder, die fünfzig Jahre hier das Regiment führten. Dieses Bündel stammt von Nikolaus von Werll und reicht bis 1650. Während des großen Krieges waren die Capitaine Pottelet und Salanjon verantwortlich, Reinhard Baißel von Gymenich um 1600. Daniel von Meyll und Baltasar Killstatt reichen bereits 200 Jahre und Hermann von Gymenich weist gar 300 Jahre zurück.“
St. „Lauter bekannte Namen! Zu ihrer Zeit waren’s große Herren, und doch blieb von ihnen nur ein Haufen Papiere übrig!“
Es klopft. Der Landgerichtsschreiber Franz Theodor Lersch tritt ein, frei und selbstbewußt.
St. „Recht, daß du kommst! Wie war das mit dem Jost Raders?“
L. „Ein Jungbauer, der heiraten möchte. Er hat aber noch nicht in der Miliz gedient.“
St. „Dann muß er eben noch warten! Sag‘ er dem Branders, daß ich ihn holen lasse, wenn er sich nicht bis morgen in Sonntagskleidern mit seinem Feuereimer gemeldet hat. Der hat doch auch neulich um Geld gespielt?“
L. „Es war an Pfingsten. Aber sonst ist er sparsam und fleißig. Er hat auch seine Anzahl Obstbäume gepflanzt.“
St. „Warum hat er nicht am Fischteich gefrondet?“
L. „Herr, die Bürger der Arenberger Freiheit sind doch frondenfrei auf dem Schloß von alters her.“
St. „Lassen wir das! Bald kommt der Herzog. Deshalb habe ich wenig Zeit. Hier hast du meine Wald- und Büschordnung und meine letzte Verordnung zum Schutz vor zu starker Einwanderung. Geh‘ einmal morgen in die Antweiler Schneidmühle und sieh dort unauffällig nach, ob der neue Schneidmeister, der Jean Franz Grisard, auf Ordnung hält! Laß in den Gemeinden noch einmal die Exekutionsandrohung gegen die Zehntbrüchigen wiederholen! Hilf dem Landschultheiß tüchtig, daß alles klappt!“
Lersch geht ab. Der Statthalter überlegt. Er sagt sich: „Der Lersch ist tüchtig, eine Autorität! Der Landschultheiß von Arenberg, der Stoll, ist alt. Wir brauchen Beamte, die respektiert werden. Den Lersch könnte ich beim Herzog als Nachfolger Stolls vorschlagen.“
Er will gehen. Strauß springt auf, gibt ihm Hut und Stock. Dann macht sich der Registrator wieder an seine Einladung zum Herrengedings und kaut nachdenklich am Gänsekiel.