BEGEHRT IN ALLER HERREN LÄNDER:
SINZIGER FLIESEN
VON MANFRED RÖTTGER
Fliesen, Fliesen, Fliesen . . . sie gehen, in heimischen Öfen gebrannt, in die Welt. Foto: J. u. H. Steinborn |
Viele Schätze und Schönheiten birgt unsere Landschaft und begründeten ihren Ruf als Reise- und Weinland, als Land der heilenden Quellen, der stillen Eifelwälder, der Berge und Flüsse und der steinernen Zeugen wechselvoller Vergangenheit. In das Lob der Heimat einbegriffen sind aber auch der Fleiß, Erfindungsreichtum und Unternehmungsgeist der Menschen, die gesunde Wirtschaftsunternehmen gründeten, Handelsverbindungen knüpften und durch die Qualität der Erzeugnisse dem Land an Rhein und Ahr hohes Ansehen auch jenseits der Grenzen verschafften. Besondere Beachtung gebührt da der alten Barbarossastadt Sinzig, der Stadt an der „Goldenen Meile“, die sich zu einem namhaften Industrie- und Handelsplatz entwickelt hat.
Stromwärts steigt Rauch auf über drei mächtigen Schloten. Sie überragen ein Industriegelände mit weiten Werkhallen, in denen Bodenplatten geformt und gebrannt werden. Es lohnt sich, einen Blick auf das Verladegut zu werfen, das an der Rampe in Waggons gehoben und zum Transport in die Städte Europas und die Häfen der Welt gebracht wird. Nicht selten liest man die Namen, die an kühne Träume der Jugendzeit erinnern.
Erzeugnisse unserer Heimat treten an dem Verladegleis an der Eisenbahnlinie Koblenz-Köln die Reise in aller Herren Länder an. In Amsterdam wie in Andalusien, in den heißen Zonen des Äquators wie in der Stadt am Zuckerhut und im Land an der Hudson Bai sind sie bekannt und begehrt: Sinziger Fliesen.
Der Frage nach dem Arbeitsplatz wird in den Städten am Strom, in den Dörfern der Grafschaft, des Zissener Landes, im Brohltal und am Vinxtbach oft die Antwort zuteil: „Ich arbeite bei der ,Mosaik‘.“ Ja, so nennt man kurz und bündig dieses große Werk, das nahezu achthundert Menschen Arbeit und Brot gibt. Das Wort „Mosaik“ bezeichnet jedoch nicht nur den Produktionszweig. Man darf ihm hier auch symbolische Bedeutung zumessen. Denn das Sinziger Werk ist nur ein Teil jenes großen Ganzen, zu dem es im Laufe der Jahrzehnte Stück für Stück gewachsen: zur AG für Grob- und Feinkeramik, München-Sinzig-Wien.
Das im Jahre 1870 gegründete Sinziger Werk vermerkt in seiner Aufstiegsskala zunächst den Zusammenschluß mit dem Werk Friedland und dann die Angliederung des Ehranger Werkes im Jahre 1924. Die Firma Vereinigte Mosaik- und Wandplattenwerke AG, Friedland-Sinzig-Ehrang, die sich auf die Produktion von Bodenplatten beschränkte, fusionierte im Jahre 1943 mit der Aktien-Ziegelei München. Seitdem ist die Stadt an der Isar Sitz der AG für Grob- und Feinkerarnik, München-Sinzig-Wien. Die dem Unternehmen angeschlossene Kachelofenfabrik und Ziegelei bei Wien sind durch den Ausgang des zweiten Weltkrieges abgetrennt worden, ebenso das Werk Friedland. Das Sinziger Werk hatte Kriegs- und Besatzungsschäden erlitten und konnte — nachdem es von April 1945 bis Mitte 1946 stillgelegen hatte — erst nach der Währungsreform wieder ganz in Betrieb genommen werden. Seitdem ist großzügig umgebaut, modernisiert und rationalisiert worden. Es ist ausgestattet mit vier mächtigen, über hundert Meter langen Tunnelöfen, die in den letzten Jahren aufgestellt wurden. Umbau und Verbesserung der technischen Anlagen gehen weiter. Jetzt schon ist die Kapazität gegenüber dem Vorkriegsstand um mehr als das Doppelte erhöht. Der Sinziger Betrieb ist ein reines Bodenplattenwerk. Aus fremden und eigenen Gruben kommen die Rohstoffe: Ton vom Westerwald, Magerungsmittel vom Hunsrück und aus Bayern. Hergestellt werden Bodenplatten aller Formen und Farben: Kleinmosaik, Zehner- und Fünfzehnerplatten und Großfliesen, einfarbig oder geflammt. Das Werk Ehrang produziert ferner frostsichere Wandplatten, die auch für Außenwände verwendet werden können. In Ehrang unterhält die AG außerdem eine Fabrik für technisches Porzellan. Die Produktion des Münchener Werkes umfaßt neben Boden- und Wandplatten auch Grobkeramik (Mauersteine, Klinker).
Die AG für Grob- und Feinkeramik, die gegenwärtig in ihrem Sinziger Werk etwa fünfzig Angestellte und 720 Arbeiter beschäftigt, zählt zu den bedeutendsten Unternehmen der keramischen Industrie. Als Hersteller von Bodenplatten bestreitet sie den Hauptanteil der bundesrepublikanischen Produktion, und am Gesamtexport ist sie mit 75 v.H. beteiligt.
Welch gewaltige Entwicklung die Firma genommen hat, wird auch durch die Gründung von Produktionsstätten in Belgien (Bodenplatten), Spanien (technisches Porzellan) und Kanada (Grobkeramik und Bodenplatten) deutlich. Aus der Sinziger Mosaikfabrik ist im Auf und Ab der Jahrzehnte ein Unternehmen mit weltweiten Verbindungen geworden. Und dazu haben Menschen unserer Landschaft durch ihr Schaffen und Streben ein gut Teil beigetragen.