Ausgeplündert und abgebrannt. Die Zerstörung der Grafschaft in den Jahren 1690 und 1691

Vor rund 300 Jahren, am 9. Januar 1690, erlebten die Bewohner der heutigen Gemeinde Grafschaft den schwärzesten Tag in der langen Geschichte dieser Dörfer. Fast alle Orte wurden von französischen Soldaten systematisch in Brand gesetzt. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, wurden anderthalb Jahre später die im Aufbau befindlichen Dörfer erneut eingeäschert. Eine ähnlich flächendeckende Zerstörung dieser Gegend ist aus den Zeiten vorher nicht überliefert und nachher nicht mehr vorgekommen. 

Seit dem Kölnischen Krieg (1583-1589) war das Rheinland nicht mehr zur Ruhe gekommen. Mehrfach waren in dieser Zeit einzelne Dörfer niedergebrannt worden, zuletzt Lantershofen1) und Gelsdorf im Holländischen Krieg (16721679), währenddessen die Franzosen im Jülicher Land ungefähr 237 Dörfer angezündet hatten.2) 

Dieser Krieg war nur wenige Jahre zu Ende, als der französische König Ludwig XIV. einen neuen Krieg (Pfälzischer Erbfolgekrieg) vom Zaun brach. Anlass war der Tod des Kölner Kurfürsten Max Heinrich († 3.6.1688), der 1687 ein Bündnis mit Frankreich geschlossen hatte. Bei der Wahl des Nachfolgers erreichte der von Frankreich favorisierte Straßburger Kardinal von Fürstenberg nicht die erforderliche Stimmenzahl, sodass der Papst entscheiden musste. Diese Entscheidung wartete Ludwig XIV. jedoch nicht ab, sondern ließ Anfang September 1688 seine Truppen in das kölnische Erzstift einmarschieren. 

In Erwartung eines Gegenangriffs entschloss sich der französische Kriegsminister Louvois zu einer defensiven Kriegsführung durch den Ausbau von Festungen auf deutschem Boden und die Schaffung eines sturmfreien Vorfelds im weiten Umland vor diesem Festungsgürtel, indem er nach der Strategie der verbrannten Erde das Land ausplündern und abbrennen ließ, damit heranziehende deutsche Heere keine Möglichkeit vorfanden, sich zu ernähren. Wegen des schwerfälligen Nachschubwesens jener Zeit und des ungenügenden Verkehrsnetzes konnten sich Armeen nicht mehr als hundert Kilometer von ihren Munitions- und Verpflegungslagern entfernen. Schon im Juli 1687 hatten die Franzosen deshalb mit dem Bau der Festung Montroyal oberhalb von Trarbach an der Mosel begonnen und machten sie in fünfjähriger Arbeit zum größten Waffenplatz dieser Zeit. Sie sollte, wie der französische Kriegsminister Louvois selbst ausdrücklich erklärte, die vier rheinischen Kurfürsten in unbedingte Abhängigkeit bringen.3) Von hier aus beherrschten die Franzosen das Rheinland in einem weiten Umkreis. 

Im Frühjahr 1689 begannen sie ihr Vernichtungswerk am Niederrhein. Unter anderem wurden die Schlösser von Brühl, Lechenich, Zülpich, Kerpen und Münstereifel gesprengt. Danach äscherten sie die Städte Andernach und Ahrweiler sowie auf der rechten Rheinseite die Orte am Siebengebirge ein. Zur gleichen Zeit setzte das Zerstörungswerk rheinaufwärts, an der Mosel, in der Eifel und im Hunsrück ein. Besonders gründlich und flächendeckend wurde die Pfalz verwüstet. 

Erst fünf Monate nach dem französischen Einfall beschloss am 14. Februar 1689 der Reichstag, Frankreich den Krieg zu erklären. Im Mai und Juni eroberten die verbündeten deutschen Truppen die Festungen Rheinberg und Kaiserswerth zurück. Im Juli belagerten und beschossen sie die zu einer Festung ausgebaute Stadt Bonn, konnten sie aber erst nach völliger Zerstörung gegen Mitte Oktober einnehmen. 

Anschließend zogen die deutschen Truppen in ihre Winterquartiere, sodass die Franzosen ungestört ihr Zerstörungswerk fortsetzen konnten. Von der genannten Festung Montroyal, in der jetzt eine Garnison von 85.000 Mann lag, machten sie weiterhin durch Streifkorps das ganze Mittelrheingebiet unsicher, plünderten und verwüsteten das Land.4) 

Erster Brand am 9. Januar 1690 

Am 2. Dezember 1689 gab der französische Kriegsminister Louvois an General Mélac den Befehl, sich mit Boufflers und Montal zusammenzutun, um weitere Ortschaften im Jülicher und Kölner Gebiet niederzubrennen. Das Ziel war, aus den großen Territorien am Niederrhein dringend nötige Gelder zur Auffüllung der französischen Kriegskasse zu pressen.5) In Ausführung dieses Befehls tauchte Mélac mit seinem Heer gegen Ende Dezember in der Gegend von Düren und Euskirchen auf und ließ über ein Dutzend Dörfer ausrauben und anzünden. Dabei wurden über 200 Pferde sowie anderes Vieh geraubt.6) 

Von seinem Standort in der Gegend von Euskirchen/Düren drohte nun Mélac den Ortschaften im angrenzenden kurkölnischen Land mit dem Brand, wenn nicht binnen weniger Tage die geforderten Kontributionen eingegangen seien. Worauf dann, wie ein Zeitgenosse berichtet „in der Eyffel ein solches Flüchten und Furcht unter dem Landvolck auf ein neues entstunden, daß es kaum auszusprechen scheinet“. Diese Angst wurde sicher noch geschürt durch den Schrecken, den General Mélac verbreitete, denn dieser hatte sich bei der Zerstörung der Pfalz durch besondere Grausamkeit hervorgetan. Sein Bild als Mordbrenner wurde auf Flugblättern verbreitet und war wohl auch hier bekannt.7) 

Wenige Tage später setzte sich dass von Mélac befehligte Heer in Richtung Grafschaft in Bewegung, wo es am 9. Januar 1690 eintraf und sein Zerstörungswerk fortsetzte. 

Die nahe am Geschehen auf dem Calvarienberg bei Ahrweiler lebenden Mönche verbrachten diesen Tag in Angst und Schrecken, blieben aber vor Plünderung und Brand verschont. Der Chronist des Klosters trug später in die Chronik ein, dass am Montag nach Epiphani [9. Januar] 1690 etwa fünf Kompanien Franzosen aus der Festung Montroyal in hiesiger Gegend die folgenden Ortschaften einäscherten: Altenahr, Ober- und Niederholzweiler, Vettelhoven, Gelsdorf, Groß-Altendorf, Ersdorf, Eckendorf, Adendorf, Arzdorf, Fritzdorf, Sommersberg [Hofgut bei Fritzdorf], Oeverich, Niederich, Birresdorf, Leimersdorf, Bengen, Karweiler, Lantershofen. Die Soldaten plünderten vor dem Anzünden die Ortschaften, erbrachen auch die Kirchentüren und beraubten die Geistlichen. Dem Pfarrer von Gelsdorf, Peter [Vicarius], zogen sie das Priestergewand aus.8)

Eine andere Quelle berichtet außerdem noch, dass die Franzosen nach dem Raubzug in Ahrweiler eintrafen und in der dachlos dastehenden Kirche plünderten, was noch irgendwie von Wert darin zu finden war.9) Die Stadt war ohnehin eine Ruinenlandschaft, da sie bereits im Mai des Vorjahres von den Franzosen bis auf wenige Häuser eingeäschert worden war.10) Die Bilanz für das Gebiet der heutigen Gemeinde Grafschaft lautete: Zerstörung aller Dörfer bis auf Bölingen, Nierendorf, Niederesch und Oberesch. 

Zweiter Überfall am 7. Juli 1691 

Es bedarf keiner großen Fantasie, um sich vorzustellen, was es bedeutete, im Winter Haus und Hof mit aller Habe, den Wintervorräten und vielleicht auch dem Vieh zu verlieren. Um die Lebensgrundlage zu sichern, musste der Wiederaufbau schnell vonstatten gehen. Während die hart getroffenen Dorfbewohner begannen, ihre Häuser wieder aufzubauen, dauerte der Krieg weiter an. Die Franzosen mieden den offenen Kampf mit den Truppen der deutschen Verbündeten und setzten stattdessen ihre Zerstörungstaktik fort.

Anderthalb Jahre waren seit dem ersten vernichtenden Überfall vergangen, da wurde die Grafschaft erneut heimgesucht. Zwei Detachements von der Festung Montroyal streiften unter der Leitung der Befehlshaber Marquis und D´Harcourt durch die Eifel bis in das Jülicher und kölnische Territorium.1) Am 7. Juli 1691 erreichte eines dieser beiden Truppencorps die Grafschaft. Es war gegen halb ein Uhr in der Nacht, als diese Truppe von ungefähr tausend Mann durch den Rheinbacher Wald in Richtung Meckenheim zog. In tiefer Stille passierten sie das Kloster der Franziskaner-Rekollekten neben dem Waldkapellchen. Beobachtet wurden sie vom Pater Präses und einem Laienbruder, die beide noch wach waren. Ihr Weg führte Richtung Grafschaft, wo sie die Stadt Meckenheim und die umliegenden Ortschaften in Schutt und Asche legten, da sie angeblich die geforderten Kontributionen nicht gezahlt hatten. Der Brand galt damals als übliches Strafmittel bei nicht gezahlten Kontributionen. 

Nur Wormersdorf, das während des ganzen Krieges keine Kontributionen geleistet hatte, blieb nun schon zum zweiten Mal inmitten der Brandschatzung wie durch ein Wunder verschont. Der dortige Pfarrer Wadenheim und seine Pfarrmitglieder schrieben dies der Tatsache zu, dass sie seit Errichtung der Kapelle im Rheinbacher Wald alljährlich dorthin in einer Prozession eine große Kerze gebracht und geopfert hatten.12) 

Zerstört wurden bei diesem zweiten Flächenbrand rund 27 Dörfer. Darunter waren diejenigen Orte, die ein Jahr zuvor schon einmal abgebrannt und inzwischen teilweise wieder aufgebaut worden waren – die Namen der einzelnen Dörfer sind nur teilweise überliefert -, aber sicher noch weitere Orte. Im Osten der Grafschaft reichte das Zerstörungsgebiet bis nach Birresdorf.13) Im Süden muss die Gegend bis um Sinzig betroffen worden sein, denn am 19. Juli, also zwölf Tag nach diesem Überfall, wallfahrten die Bewohner von Waldorf, Franken und Gönnersdorf14) in einer Prozession zur Rheinbacher Waldkapelle und opferten eine große Kerze von 28 Pfund aus Dankbarkeit dafür, dass sie von der jetzigen Brandschatzung bewahrt geblieben waren.15) Verschont blieb auch Ahrweiler, denn einer Abordnung der Stadt war es gelungen, in der Frühe dieses 7. Juli vom Kommandanten d’ Harcourt, der im benachbarten Lantershofen sein Lager aufgeschlagen hatte, eine Versicherung zu erhalten, dass der Stadt kein Schaden zugefügt werden sollte.16)

Ablauf des Zerstörungswerkes 

Die bisher bekannten Quellen geben keine genauen Auskünfte darüber, wie die beiden Überfälle auf die Orte und die Zerstörung von Hab und Gut der Dorfbewohner im Einzelnen ablief. Bei der zweiten Zerstörungsaktion am 7. Juli 1691 kamen die Franzosen im Schutz der Dunkelheit. Auch ein Überfall auf einige rechtsrheinische Dörfer, über den unten noch berichtet werden soll, erfolgte im Morgengrauen. Daher ist anzunehmen, dass die französischen Truppen auch bei ihrem ersten Überfall am 9.Januar 1690 diesen Überraschungseffekt nutzten. Auch wenn die Bewohner von den Zerstörungen im Jülicher Land gehört hatten, wurden doch diejenigen in den ersten Orten, auf die die Soldaten zuerst trafen, überrumpelt. Das ergibt sich zumindest aus einem Brief des Müllers Engel Söntgen. Sowohl seine Mühle an der Swist bei Adendorf (Kemper Mühle) wie sein Haus in Arzdorf seien am 9. Januar vollkommen eingeäschert worden. Er habe alle Gerätschaften, Hausmobilien, Futtervorräte sowie das Vieh im Stich lassen müssen.17) 

Da die Überfälle der französischen Soldateska wohl immer nach dem gleichen Muster abliefen, seien zwei zeitgenössische Berichte über die Zerstörung von mehreren Dörfern am Fuß des Siebengebirges herangezogen, um eine Vorstellung zu vermitteln, wie die dramatischen Stunden auf der Grafschaft abgelaufen sein können. Im Morgengrauen des 24. Mai 1689 waren ungefähr 400 bis 600 Mann, Fußvolk und Reiter, aus der von den Franzosen besetzten Festung Bonn über den Rhein gekommen und waren zuerst voll Wut in Oberkassel eingefallen. Dieser und die anderen Orte waren durch einen Boten vor dem Angriff der Franzosen gewarnt worden. Deshalb hatten die Bauern den Ortseingang verbarrikadiert. Doch ihr Widerstand war aussichtslos. Bald stürmten die Soldaten wie ein Ungewitter durch das Dorf und plünderten es völlig aus. Anschließend überrannten sie in der gleichen Raserei die Orte Niederdollendorf und Königswinter. Vor dem Ort Rhöndorf war die schmale Passage mit Balken und Pfählen stark befestigt, sodass sie nicht durchkamen, doch ein abgedankter französischer Soldat, der in Mehlem wohnte, verriet ihnen einen Weg über den Berg. So gelangten sie nach Rhöndorf. Alle, die ihnen in den Weg kamen, wurden niedergemacht. Wer noch konnte, floh in den Wald. Jedes Haus wurde geplündert und das ganze Dorf in Asche gelegt.

Nun war Honnef an der Reihe. Die Bewohner hatten alle ihr Vieh schon am Tag vorher in den Wald getrieben, auch vom Hausrat, so viel sie konnten, in Sicherheit geschafft. Alle Bewohner verbargen sich in Verstecken. In der Stadt waren nur der Pastor, der Kaplan, der Gerichtsschöffe Ley und dessen Schwester zurückgeblieben. Pastor Franz Xaver Trips glaubte, den Ort vor Zerstörung bewahren zu können, so wie ihm das schon einmal beim Durchzug der Truppen von Turenne 1673 gelungen war. Doch er sollte sich gewaltig täuschen. Die Soldaten umringten ihn, durchsuchten ihn ohne Scham vor dem Priestergewand, rissen ihm schließlich zum Hohn die Kleider vom Leib, traktierten ihn mit Faustschlägen, zielten mit ihren Flinten auf seine Brust und warfen ihn schließlich zu Boden, um ihn mit den Füßen zu treten. Einer der Soldaten zog ein Messer und versuchte ihn zu entmannen, doch da packte ein anderer, der Mitleid mit dem Pastor hatte, seinen gewalttätigen Kameraden, warf ihn zu Boden und feuerte auf ihn. Schwer verwundet machte sich dieser davon. Nun gab der Lebensretter dem Pastor Talar und Hose zurück, nicht aber das Hemd, und wies ihn an zu fliehen. Während er davonrannte, schossen andere auf ihn, trafen ihn jedoch nicht. Er flüchtete in ein Kornfeld und ließ sich dort halbtot fallen. Während er dort lag, plünderten die Soldaten den Ort. Anschließend wurden die Trommeln zum Sammeln gerührt und mit der Brandstiftung begonnen. Fast alle Häuser verbrannten. Die nicht angesteckten Gebäude gingen durch Funkenflug und Hitze der Nachbarhäuser in Flammen auf. Groß war das Elend der Leute, als sie während des Vormittags aus ihren unterirdischen Schlupfwinkeln hervorkrochen.

Im Anschluss an diesen Überfall kam es zu einem Gefecht am Rand der Grafschaft. Einige Männer aus Honnef hatten nämlich beobachtet, dass etwa 200 französische Soldaten über den Rhein setzten und die Schlucht bei Rolandswerth hoch in Richtung Grafschaft zogen. Durch einen Bürger, den sie mitgenommen hatten, der aber glücklich am dritten Tag zurückkehrte, erfuhr man, dass sie in Oedingen lägen, wo sie die ganze Woche zu bleiben gedächten, um alle umliegenden Dörfer auszufouragieren und alles nach Bonn zu schaffen. Der bereits erwähnte Christian Ley benachrichtigte daraufhin eine in Linz liegende deutsche Truppe. Darauf rückten diese Soldaten in der Nacht heimlich durch den Wald nach Oedingen heran, überfielen in der Frühe des 31. Mai die Franzosen und erschossen viele von ihnen.18) Die Stelle, an der dieses Gefecht stattfand, heißt noch heute „Totenfeld“.19) 

Steinkreuz für Bernhard Brogsitter aus Altenahr. Am 9. Januar 1690 wurde er am Ortsausgang Richtung Kalenborn von Franzosen erschossen. 

Ob bei den beiden Überfällen auf der Grafschaft auch Bewohner getötet wurden, ist unbekannt, da aus diesen Jahren nur die Sterbebücher der Pfarreien Leimersdorf und Ringen erhalten sind, und diese verzeichnen an den fraglichen Tagen keine Todesfälle. Durch eine Inschrift auf einem kleinen Steinkreuz ist für Altenahr jedoch ein Toter genannt. Bernhard Brogsitter wurde am 9. Januar 1690 am Ortsausgang Richtung Kalenborn von den Franzosen erschossen.20) Mündlich ist dazu überliefert, dass dieser Brogsitter einen Fuhrbetrieb hatte und mit seinem Pferdefuhrwerk den Roßberg hochfuhr, als ihn die Franzosen anhielten und ihm befahlen, ihnen zur Abfuhr der geplünderten Sachen, die sie vor dem Ort gelagert hatten, Vorspann zu leisten. Als er sich weigerte, erschossen sie ihn.21) 

Schäden in den Dörfern 

Die reine Aufzählung der zerstörten Dörfer vermittelt noch keine ausreichende Vorstellung davon, wie groß das Ausmaß der Katastrophe war. Aus Adendorf, Arzdorf und dem Kirchspiel Leimersdorf liegen jedoch genaue Angaben über den Zerstörungsgrad nach dem ersten Überfall vom 9. Januar 1690 vor. Für die beiden ersten Orte fertigte der Amtmann der Herrschaft Adendorf eine Liste mit allen verbrannten und allen verschont gebliebenen Häusern. Er schließt mit der Bemerkung, dass sowohl die Abgebrannten von Arzdorf wie die von Adendorf keine Wohnung mehr besäßen und stattdessen in Hütten und Kellern unter der Erde hausten.22) Die Bilanz für Adendorf zeigt einen Zerstörungsgrad von 76 Prozent, während in Arzdorf mit 70 Prozent die Verwüstung nur unwesentlich geringer war. Im Kirchspiel Leimersdorf waren durch den Brand insgesamt 56 Häuser betroffen. Da im Jahre 1685 75 Häuser vorhanden waren (Birresdorf 34, Leimersdorf 4, Niederich 10 und Oeverich 27),23) ergibt dies auch hier einen etwa gleich hohen Brandschaden von 74 Prozent. Nach dem zweiten Überfall am 7. Juli 1691 werden 63 Brandgeschädigte genannt, sieben mehr als beim ersten Brand, wobei die Liste keine Auskunft darüber gibt, welche Häuser schon zum zweiten Mal angezündet worden waren.24) 

Dass trotzdem manche Häuser verschont blieben, lag an der großen Eile, in der diese Brandschatzungen abliefen. So blieb der Bentgerhof bei Birresdorf, der damals noch im Tal des Leimersdorfer Baches lag, nur deshalb am 9. Januar 1690 verschont, weil zwei Soldaten, die schon auf dem Weg dorthin waren, um ihn anzustecken, von ihren Anführern zurückgepfiffen wurden.25) Auch den folgenden Brand überstand dieser Hof des Klosters Rolandswerth26) ebenso, wie das Pfarrhaus in Leimersdorf27) und der dortige Fronhof des Bonner Cassiusstifts. Letzterer wurde jedoch im Jahre 1692 von den Franzosen angesteckt, im selben Jahr wie die Kapitelshöfe in Meckenheim und Wadenheim (Stadtteil von Bad Neuenahr).28) 

In Niederich soll nach mündlicher Überlieferung nur das Haus Hofstraße 14/16 stehen geblieben sein,29) in Eckendorf nur das Pfarrhaus30) und in Oeverich nur die Häuser Josefstraße 16 (heute Saager) und Landskroner Straße 3.31) Wann dies geschehen war, weiß die Volksüberlieferung nicht, doch kommen nur diese letzten Dorfbrände 1690/91 in Frage. Bestätigt wird dies für das noch heute stehende Haus Josefstraße 16 in Oeverich, denn dort befand sich bis vor einigen Jahrzehnten über der Eingangstür die Inschrift „Dieser Bauw stehet in Gotes Hant Gott behuet ihn vor Feur unt Brant Stephanus Kpupp [lies Krup] u[n]t Geirtrudis uxor Anno 1680.“32) In Gelsdorf, das nach einer Aussage von 1754 vor mehr als 60 Jahren gleich dreimal [1678, 1690, 1691] ein Opfer der Flammen wurde, sollen danach nur die Kirche und das Häuschen der Witwe von Reiner Koch übrig geblieben sein.33) Erhalten blieben im übrigen sämtliche Kapellen und Kirchen, die damals schon alle aus Bruchsteinen bestanden. Brandschäden sind nur für die Kapelle in Birresdorf nachweisbar.34)

Das erhalten gebliebene Fachwerkhaus in der Josefstraße in Oeverich aus dem Baujahr 1680

In welch einer verzweifelten Lage sich die Bevölkerung befand, wird aus zwei Briefen der Dorfbewohner von Eckendorf und Fritzdorf aus der Zeit um 1692 deutlich. Darin heißt es unter anderem, sie seien bei der Belagerung von Bonn mehrmals vollständig ausgeraubt und danach zweimal abgebrannt worden. Ihnen seien so viele Pferde weggenommen worden, dass sie ihre Felder nicht mehr ausreichend bearbeiten könnten. Wegen der großen Fouragelieferungen besäßen sie nur noch so wenig Hafer, dass sie ihre Äcker kaum zur Hälfte besäen könnten. Das Korn auf den besäten 400 Morgen stünde so schlecht, dass kaum sein Siebtel aufwachsen würde, es sei aber kein Samen zur Nachsaat vorhanden. Inzwischen sei bei keiner Familie mehr das „liebe trucker Broith“ (das liebe trockene Brot) vorhanden, und täglich tauchten Franzosen auf, um Kontributionen zu verlangen.35) Die Lage war tatsächlich ernst, denn bei dem aufgetretenen Misswachs des Getreides drohte eine noch größere Hungersnot, da man die Kartoffel als zweites Grundnahrungsmittel noch nicht kannte. 

Wiederaufbau 

Wie schwer es unter diesen Umständen fiel, die Häuser wieder aufzubauen, lässt sich erahnen. Damals bestanden sämtliche Gebäude der Dörfer aus Fachwerk, die Wände aus Holz und Lehm, die Dächer aus Stroh. Alle diese Materialien waren in der eigenen Gemarkung vorhanden. Ein Problem bestand jedoch in dem großen Zeitaufwand, denn die Bearbeitung des Holzes geschah mit einfachsten Geräten, alle Hände wurden aber in der Landwirtschaft gebraucht. Ein zweites Problem waren die Ressourcen. Wenn auch sicher manche angekohlten Balken noch zu gebrauchen waren, benötigte man doch jetzt auf einen Schlag eine große Menge Holz. Die Stämme wurden damals übrigens nicht abgelagert, sondern sofort verbaut. 

Wer aber besaß genügend Wald, um solche Holzmengen über den normalen Bedarf hinaus entnehmen zu können, denn die Wälder waren durch die andauernden Kriege, in denen immer wieder Häuser abbrannten, schon arg ausgebeutet worden sein. Als Beispiel sei das Pfarrhaus von Holzweiler genannt. Zum Wiederaufbau der wiederholt abgebrannten Pfarrhausgebäude und der Zehntscheune waren 1641, 1644, 1683 und 1690/91 insgesamt 96 Bäume benötigt worden. Der Aufbau des Pfarrhauses nach dem letztgenannten Brand hatte elf Bäume erfordert.36) Ähnlich dürfte es auch den übrigen Dorfbewohnern ergangen sein, doch fehlen dazu die Quellen. 

Werfen wir deshalb wieder einen Blick auf Honnef, das in einer vergleichbaren Situation wie die Dörfer der Grafschaft war. Dort beobachtete der Pastor, dass nach dem Dorfbrand die meisten Bewohner um die Wette Bäume fällten, sogar ganze Wälder für den Bau der neuen Häuser rodeten. Mit Erstaunen sah er, wie prachtvoll die Häuser am Marktplatz des Städtchens emporwuchsen, einer Großstadt würdig.37) 

Mit der gleichen Eile dürften auch die Bewohner der Grafschaft versucht haben, ihre Häuser wieder aufzubauen. Ende Dezember 1692 waren beispielsweise in Birresdorf von ehemals 34 Häusern schon wieder 20 soweit hergerichtet, dass dort Soldaten mit Pferden einquartiert werden konnten.38)

Im März 1697, also knapp sechs Jahre nach dem zweiten verheerenden Brand, werden in den vier Dörfern des Kirchspiels Leimersdorf (Birresdorf, Leimersdorf, Niederich und Oeverich) 64 Häuser gezählt, elf weniger, als vor den beiden Bränden. In ihnen lebten 168 Personen einschließlich der Knechte und Mägde (24). An Vieh waren 40 Pferde, 20 Ochsen, 72 Kühe, 33 Rinder, 70 Schweine, 241 Schafe und 1 Ziege vorhanden.39) Also besaß im Schnitt jeder Haushalt ein Zugtier, nämlich ein Pferd oder einen Ochsen, sowie eine Kuh und ein Schwein für die Milch- und Fleischversorgung. Die Lebensgrundlage war also wieder gesichert. Das Ackerland selbst, das Grundkapital der Bauern, war ohnehin unzerstört geblieben. Die Leiden der Bevölkerung dauerten jedoch noch an, denn der Krieg schleppte sich noch weitere Jahre hin, bis endlich 1697 in Rijswijk der Friede geschlossen wurde. 

Anmerkungen: 

  1. Gemeindearchiv Grafschaft, Akte 22/3 (darin mündliche Überlieferung, erfasst 1929). 
  2. Schwester Paula, Geschichte der Insel Nonnenwerth, 3. Auflage Regensburg [um 1923], S. 154. 
  3. Fritz Textor, Entfestigungen und Zerstörungen im Rheingebiet während des 17. Jahrhunderts als Mittel der französischen Rheinpolitik (Rhein. Archiv 31), Bonn 1937, S. 150. 
  4. Karl Zimmermann, Der Feldzug an der Mosel und am Mittelrhein im Pfälzerkrieg 1688-1697. Der Einfluß der Festung Montroyal auf die Kriegsführung, in: Rhein. Vierteljbll. 10, 1940, S. 277-306; Max Braubach, Der Kampf um Kurstaat und Stadt Köln in den Jahren 1688/89, in: AHVNrh 124, 1934, S. 25-94; Kurt von Raumer, Die Zerstörung der Pfalz von 1689 im Zusammenhang der französischen Rheinpolitik, Bad Neustadt an der Saale 1982. 
  5. Textor (wie Anm. 3), S. 257f.. 
  6. Christian Teutschmuth [Pseudonym von J. Hofmann], Der Frantzösische Attila Ludovicus XIV. […], [ohne Ort] 1690, S. 454; Heinrich Joseph Floß, Das Kloster Rolandswerth bei Bonn, Köln 1868, S. 117. 
  7. Teutschmuth (wie Anm. 6), S. 428-448.
  8. Godfrid Eckertz, Chronicon […] conventus montis Calvariae prope Ahrweiler […], in: AHVNrh., 11/12, 1862, S. 69f. Namen der zerstörten Orte mit Abweichungen auch bei: Teutschmuth (wie Anm. 6), S. 455f., 516, 521; Merian, Theatrum Europaeum, 13. Theil, Franckfurt 1698, S. 1050. Diese Quelle liegt auch den Ausführungen von Christian von Stramberg (Rheinischer Antiquarius, III, 10, Coblenz 1864, S. 229f.) zu Grunde. Die Klosterchronik von Nonnenwerth (Floß, wie in Anm. 6, S. 117) nennt nur die Zahl von 15 abgebrannten Dörfern. 
  9. Stramberg (wie in Anm. 8), III 9, Coblenz 1862, S. 748. 
  10. R. Bous und H.-G. Klein, Quellen Ahrweiler 1, Bad Neuenahr-Ahrweiler 1998, S. 511f. 
  11. Merian (wie in Anm. 8), Bd. 14, 1702, S. 43. 
  12. Heinrich Joseph Floß, Kapellchen vom heiligen Namen Jesu, Franciscanerniederlassung im Rheinbacher Walde 1686-1707, in: AHVNrh. 32, 1878, S. 160, 171f. 
  13. Floß (wie in Anm. 6), S. 117. 
  14. In der Veröffentlichung der Quelle steht Giessdorf, es kann aber nur Gönnersdorf gemeint sein. 
  15. Floß (wie Anm. 12), S. 160, 171f. 
  16. Stramberg (wie in Anm. 8), III 9, Coblenz 1862, S. 750. 
  17. Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 48, Nr. 1825. In der Arzdorfer Liste fehlt sein Name jedoch. 
  18. Ernst Nellessen (Hrsg.), Franz Xaver Trips, Honnef vor 1700. Aufzeichnungen zur Ortsgeschichte, Bad Honnef 1978, S. 161, 199-203; Dietrich Glauner, Beiträge zur Geschichte der Bürgermeisterei Godesberg und ihrer Umgebung […], Godesberg 1924, S. 35-38. 
  19. Karl Beelke, Zur Geschichte von Oedingen 853-1820, Oedingen [2001], S. 20. 
  20. Paul Clemen (Hrsg.), Die Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweiler, Düsseldorf 1938, S. 146. 
  21. Mündliche Auskunft Ignaz Görtz, Altenahr 2006. 
  22. Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 48, Nr. 1825. 
  23. Pfarrarchiv Leimersdorf (ungeordnet), Mühlenkorn-Anschlag im Kirchspiel Leimersdorf 1685 und Liste der Brandgeschädigten vom 1.5.1690. 
  24. Pfarrarchiv Leimersdorf (ungeordnet), ein Doppelblatt bei den Gemeinderechnungen. 
  25. Floß (wie in Anm. 6), S. 117. 
  26. Der Halfmann Mathias Schumacher wird nicht in der Liste der Brandgeschädigten (Anm. 23) genannt. 
  27. Ottmar Prothmann, Pfarrgeschichte von Leimersdorf, Leimersdorf 1992, S. 19. 
  28. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Dep. der Stadt Köln II Ausw. 33a, fol. 1v. Die Aussage wird dadurch bestätigt, dass der Halfe Johann Krup in der Liste der Brandgeschädigten (siehe Anm. 23) fehlt. 
  29. Mündliche Auskunft Toni Schäfer (* 1897), Niederich 1984 und Heinrich Bell, Bengen, 1975. 
  30. Mündliche Auskunft Elfriede Fuchs, Eckendorf 2006. 
  31. Mündliche Auskunft Christine Saager geb. Schaaf, Oeverich 1973. 
  32. Josef Pohl, Hausinschriftliche Sprüche im Rheinlande, in: Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands, 5/1879, S. 583. 
  33. Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 655/11, Nr. 27. 
  34. Dies weisen die erhaltenen Glocken aus älterer Zeit und viele Nachrichten über diese Gebäudegruppe nach (Clemen, Kunstdenkmäler, und Festschriften zu diesen Gotteshäusern). 
  35. Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 48, Nr. 1825. 
  36. Bistumsarchiv Trier, Abt. R. 1100,7, Nr. 80. 
  37. Nellessen (wie Anm. 18), S. 207. 
  38. Pfarrarchiv Leimersdorf (ungeordnet), Einquartierungsliste vom 28.12.1692. 
  39. Ebd., Liste zur Zahlung des in Jülich und Berg ausgeschriebenen Kopfgelds, 1697.