Aus der Geschichte des Heilbades Bad Neuenahr: 100 Jahre Thermal-Badehaus

„Neuenahr besitzt ein Badehaus, welches durch die Grosse seiner Anlage, seine den neuesten Anforderungen der Hydrotherapie entsprechenden Einrichtungen, seine Eleganz und seinen Komfort, wohl als Musteranstalt auf diesem Gebiete hingestellt werden darf.“ So beschreibt die „Festschrift, gewidmet den Teilnehmern der III. ärztlichen Studienreise in Bade- und Kurorte“ aus dem Jahre 1903 den „Badetempel“ im „rheinischen Karlsbad“.

In der Tat: Über viele Jahrzehnte hinweg war für Generationen von Kurgästen das Thermal-Badehaus die Stätte. wo – mit Ausnahme des Kur-sanatoriums und des Kurhotels – die Thermalbäder aus den Heilquellen Neuenahrs verabreicht werden konnten. Bemerkenswert auch dies: Der o.g. Text aus der von der Kurdirektion Bad Neuenahr herausgegebenen Festschrift überlebte über Jahrzehnte „wortgetreu“ in den verschiedensten „Führer der Kürgäste“.

Neuenahr – ein aufstrebendes Heilbad mit Blick auf Tradition

Das Heilbad Neuenahr befand sich um die Jahrhundertwende in einem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg. Lag die Zahl der „echten Kurgäste“ in der ersten Saison 1859 bei 166 Personen, so betrug sie 1900 schon 8833 Gäste. Der großzügige Ausbau Neuenahrs war eine Folge dieser Entwicklung. Zahlreiche medizinische Publikationen über die Heilwirkung der Quellen in Neuenahr wurden zudem europaweit veröffentlicht.

Schon im Jahre 1861 schrieb Professor James Miller. Edinburgh. seinen Aufsatz: „Neu-enahr. a new Spa on the Rhi-ne“. Aber insbesondere die zahlreichen Facharbeiten der in Neuenahr niedergelassenen Mediziner, u.a. Dr. Grube, Sanitätsrat Dr. Lenne. Sanitätsrat Dr. Teschemacher. Dr. Külz. Dr. Schwenke. Sanitätsrat Dr. Unschuld. Dr. Wendriner und Dr. Weidenbaum, begründeten in entscheidendem Maße den internationalen Ruf des Heilwassers von Neuenahr. Was lag also näher, als den Patienten das so gepriesene Heilmittel „Wasser“ in einer ansprechenden Stätte, gar einer „Musteranstalt“ von Badehaus zugute kommen zu lassen.

Sie verstärkte die Sogwirkung zur Reise ins Heilbad. Man war sich im Heilbade Neuenahr der langen Tradition der „Badekuren“ in der Menschheitsgeschichte voll bewußt. Und so entstand 1898/99 ein Thermal-Badehaus, das auch aus dem damaligen Architekturverständnis heraus kein „sachlicher Zweckbau“ wurde, sondern die Tradition der Antike berücksichtigte. Seit dem 6. und 5. Jahrhunden vor Christus kann man im Mittelmeerraum von regelrechten Badekuren sprechen. wo Ärzte ihren Patienten Wasser zur äußerlichen und inneren Anwendung verordneten. um sie von verschiedensten Krankheiten zu heilen oder um ihnen zumindest Linderung zu verschaffen. Die Griechen schufen Tempelanlagen.

dem Heilgott Asklepios geweihte Heiligtümer, die sich in der Nähe von Flüssen oder Quellen befanden. Die Römer bauten Thermenanlagen. machten somit das ausgiebige Baden zu einer öffentlichen Angelegenheit, ließen aber auch nie die Heilwirkungen des Wassers außer acht. So arbeiteten Ärzte im alten Rom für den Aufenthalt in den Thermal-Tempeln detaillierte Gesundheitsregeln aus.

Vom „Tempel der Heilkunst“ zum Jugendstil-Ambiente für die „Sinfonie der Sinne“

Einen „Tempel der Heilkunst“ bauten die Kölner Architekten E. Scheitcrer und B. Below im Auftrage der Kurdirektion. Dieses neue große Thermal-Badehaus ersetzte die beiden Vorgängerbauten aus den Jahren 1859 bzw. 1862. Ein imposanter Giebelponikus. der Vorbau eines anderthalb-geschossigen Gebäudes empfing und empfängt noch heute den Kurgast. Vier mächtige Säulen mit ionischen Kapitellen tragen den Giebel. Die Festschrift aus dem Jahre 1903 schwärmt: „Durch das säulengeschmückte Portal betritt man ein reich mit Stuck und Marmor verziertes Vestibül. von welchem man in die Bureaux. den Lesesaal mit seinen geschmackvollen Dekorationen und grossen Glastüren nach Garten und Vorhalle hin, den vornehm gehaltenen Wartesaal, das Inhalatorium und die Gänge gelangt. zu deren Längsseiten die Baderäume verteilt sind. Im Obergeschoss dieses Vordergebäudes liegen Konferenzzimmer. ein Saal für Ausstellung von Kunstgegenständen, für schwedische Heilgymnastik u.s.w.“

Ein in Querrichtung verlaufender Trakt schließt die drei Längsflure ab und verbindet das Thermal-Badehaus mit dem Kurhotel. Die Innenhöfe der beiden längsgerichteten Bauten mit insgesamt 100 Badezellen enthielten ursprünglich Ziergärten. Die ebenerdige Anordnung der Bäder war für andere Thermal-Badehäuser in Deutschland richtungsweisend. Die Badezellen „außerordentlich gross. vorzüglich ventiliert und gut beleuchtet“. lagen zu beiden Seiten der Längsgänge und waren auf der linken Seite für Frauen. auf der anderen für Männer reserviert. Mit Stolz vermerkte man im Heilbad die Anzahl der verabfolgten Bäder: Im Jahre 1900 waren es insgesamt 46910. im alten Badehaus von 1862 waren es lediglich 4636 gewesen. Neben den klassischen Sprudelwellenbädern bot man im neuen Thermal-Badehaus den Kurgästen auch Kohlensäure-, Fango-, Sandbäder, elektrische Lichtbäder, ein elektrisches Vierzellenbad sowie Inhalationsmöglichkeiten an. Damit der technische Betrieb im Badehaus einschließlich der hauseigenen Großwäscherei funktionieren konnte, wurde zugleich ein aufwendiges „Maschinenhaus“ mit diversen Pumpanlagen gebaut.
Das Thermal-Badehaus wurde unter Wahrung des Grundkonzepts mehrmals renoviert.

Thermalbad.gif (106704 Byte)

Das Thermal-Badehaus in Bad Neuenahr (1998).

Diese Renovierungsarbeiten wurden zum einen immer wieder notwendig, um dem Kurgästen jeweils ein „auf den neuesten Stand“ der Technik und des Komforts befindliches Badehaus zu präsentieren. Zum anderen waren bisweilen erhebliche Sachbeschädigungen durch Kriegseinwirkungen zu beheben. So berichtete das Neuenahrer Original Philipp Bichler von Motorradrennen der US-Besatzungstruppen 1918/19, die in den weitläufigen Gängen des ..Badetempels“ veranstaltet wurden. In den 1930er und 1940er Jahre verbesserte man in regelmäßigen Abständen die Zuleitungen der Heilquellen zum Badehaus. Dadurch wurde es möglich, die warmen kohlensäurehaitigen Quellen fast ohne Wärme- und Kohlesäurenverlust zu den Wannen zu leiten. Im Jahre 1983 gestaltete man den Eingangsbereich zum Badetempel neu, indem durch den Münchner Architekten Minarek ein wuchtiger Schalenbrunnen angelegt wurde. Als größtes und umfangreichstes Wohlfühl- und Gesundheitszentrum unter einem Dach in Deutschland präsentiert sich seit 1998 das sehr aufwendig renovierte Thermal-Badehaus mit dem neuen Angebot der „Sinfonie der Sinne“. Die ansprechend gestaltete Informationsschrift der Kurverwaltung aus dem Jahre 1998 verspricht: ..Das Heilbad Bad Neuenahr bietet Ihnen im eleganten Jugendstil-Ambiente des eigens für die „Sinfonie der Sinne“ aufwendig umgestalteten Ther-mal-Badehauses ein Programm ausgesuchter Angebote für Körper. Geist und Seele.“ Bei der „Sinfonie der Sinne“ werden die Kräfte des Wassers, der Heilkräuter, der Vulkane. des Weinessigs und der Heilkunde „in teilweise völlig neuen Formen“ genutzt. Auch die fernöstliche Heilkunst der Traditionellen Chinesischen Medizin wird unter dem Dach des Thermal-Badehauses angeboten.

In der Tat: Der geschmack-und stilvoll neu gestaltete „Heiltempel“ ist neben der schönen Thermalbadelandschaft, den Ahr-Thermen, ein wesentlicher Aktivposten des Heilbades Neuenahr sowie der gesamten „Gesundheits- und Fitneßregion“. Aber das Thermal-Badehaus ist darüber hinaus weit mehr: Ein ästhetisches Vorbild für Innovationen. deren das Heilbad Neuenahr auch von städtischer Seite weiter bedarf. Möge das Ensemble von vielen unterschiedlichen Einzelobjekten, z.B. im Kurviertel, wie Ahr-Thermen, Kurhaus, Kurhotel, Kurganenbrücke, Kurpark, Thermal-Badehaus, Stadtbibliothek, Beethovenhaus, im Rahmen einer gelungenen planerischen Umgestaltung zu einem ästhetischen Ganzen zusammenwachsen. Gleiches ist im Stadtgebiet für die wenigen noch vorhandenen Jugenstilgebäude aus der Gründerzeit zu wünschen.

Die Chancen hierzu müssen genutzt werden, zumal andere Ensembles im Heilbad, wie der ..Platz an der Finde“ und die „Fußgängerzone“ sich z. Zt. weniger ansprechend präsentieren und den orginären Charakter des Heilbades Neuenahr mit seinem prägendem Element „Wasser“ nicht so positiv widerspiegeln. Mit Kästners Epigramm „Moral“ verbleibt zu sagen: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es!

Literatur:

Kurdirektion Bad Neuenahr (Hrsg.), Festschrift, gewidmet den Teilnehmern der III. ärztlichen Studienreise in Bade- und Kurorte. Neuenahr 1903.
Murken. Axel Hinrich. Die lange Tradition der Badekuren. In: Landschaftsverband Rheinland (Hrsg.), Wasserlust. Köln 1991. 
Ruland, Josef, Bad Neuenahr. Rheinische Kunststätten. Heft 386, Köln 1993. 
Simon, Petra/Behrens, Margit, Badekur und Kurbad, Bauten in deutschen Bädern 1780-1920, München 1988