Auf Schloß Ernich ging eine hohe Diplomaten-Ära zu Ende – Aus Landhaus auf Bergplateau bei Remagen wurde diplomatischer Nobelsitz
Auf Schloss Ernich, dem ehemaligen Land- und Sommersitz der Kölner Industriellen-Familie Guilleaume ist 1999 eine 50jährige Diplomaten-Ära zu Ende gegangen. Fünfzehn französische Diplomaten residierten seit 1949 im Schloss mit Blick auf das Rheintal bei Remagen. Mit dem Umzug der Bundesregierung nach Berlin werden auch die Franzosen in der deutschen Hauptstadt in neues Domizil beziehen, denn Präsenz am Regierungssitz ist für die ausländischen Botschaften Pflicht. Der bisherige Botschafter Frankreichs, Seine Exzellenz Francois Scheer, der fast fünfeinhalb Jahre lang sein Land in Deutschland vertrat, vollzog keinen Umzug nach Berlin. Er wurde im März 1999 65 Jahre alt und kehrte zurück in die Stadt an der Seine in den verdienten Ruhestand. Sein Nachfolger ist Claude Martin. Der 55jährige wird in Berlin als erster Botschafter Frankreichs seine Amtsgeschäfte aufnehmen.
Schloss Ernich – Residenz des französischen Botschafters bis 1999.
Zur Geschichte des Hauses und seiner Bewohner
Schloß Ernich hat eine bewegte Geschichte aufzuweisen. Es war ein Traum von einem Land- und Sommersitz, den die seit 1896 verheirateten Arnold und Ella von Guilleaume, geborene Deichmann, aus der bekannten, 1904 geadelten Kölner Industriellenfamilie hatten und sich erfüllten. Sie suchten am Rhein nach einem geeigneten Platz für ihr Bauvorhaben. Ella Deichmann heiratete 26jährig den von einer zweijährigen Weltreise zurückgekehrten Arnold Guilleaume. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Arnold von Guilleaume war als Sammler und reicher Förderer von Künstlern und schönen Künsten in Köln bekannt. Er starb 1939. Seine Ehefrau Ella feierte im Juni 1965 als älteste Remagener Bürgerin bei körperlicher und geistiger Frische ihren 90. Geburtstag.
Bruder Max von Guilleaume war in Remagen begütert. Ihm gehörte Haus Calmuth, das vom 12. Jahrhundert bis zu Säkularisation im Jahre 1802 im Besitz der Benediktiner- probstei St. Apollinaris war und dann in Privathände gelangte. Eduard Heinrichs, Gottfried Schröder und der Premierleutnant a. D. und Gutsbesitzer Hugo Willimek aus Tworkau waren die Vorgänger von Max von Guilleaume. Allein in der Gemarkung Remagen umfaßte der Besitz Calmuth 375 Hektar, dazu kamen Güter in den anschließenden Gemarkungen von Unkelbach, Nierendorf, Birresdorf, Kirchdaun, Lohrsdorf, Bodendorf und Sinzig. Beim Verkauf zerfiel der Besitz in viele Teile und ging in die Hände verschiedener Besitzer über.
Nachdem Arnold und Ella von Guilleaume in den Jahren 1901 bis 1903 in Köln auf dem Sachsenring ein Haus erbaut hatten, kauften sie in Remagen in der Gemarkung „auf der Ernichlay“ 50 Morgen Wald und ließen nach den Plänen des kaiserlichen Hofbaumeisters Geheimrat von Ihne auf dem Plateau in den Jahren 1906 bis 1908 Schloss Ernich als Sommersitz bauen. Nach Ihnes Plänen wurde auf dem Ernich-Plateau ein an die Renaissance-Schlösser angelehnter Bau in harmonischen Proportionen verwirklicht. Während der Bauzeit wohnten Arnold und Ella von Guilleaume auf Schloss Marienfels, ein im Jahre 1860 fertiggestelltes Bauwerk des Kölner Dombaumeisteres Zwirner. Bauherr war der Zuckerfabrikant Kommerzienrat Eduard Frings aus Uerdingen, und von seinen Erben übernahm es Max von Guilleaume. Arnold von Guilleaume erwarb im Jahre 1916 auch die an der B 9 gelegene Villa Herresberg mit ihren Waldungen und Anlagen. Die Villa Herresberg stammt aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Bauherr war 1847 der Lehrer und Dichter Gustav Pfarrius, Folgebesitzer der Rentern Hermann Rheinen aus Barmen. Von dessen Schwiegersohn, dem Landgerichtspräsidenten Max Betzke, ging das Anwesen an Arnold von Guilleaume über.
Bis 1930 wohnten Arnold und Ella von Guilleaume auf Schloss Ernich. Nach dem Ersten Weltkrieg war Schloss Ernich zwei Jahre lang von 30 amerikanischen Besatzungssoldaten bewohnt. In den dreißiger Jahren wurde das Haus dann bis zu Anfang des Zweiten Weltkrieges als Hotel bewirtschaftet. Inhaber war die Familie Richartzen, bevor Schloss Ernich in den Kriegsjahren Lazarett wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten die Franzosen das Haus. Für kurze Zeit war hier ein Kinderheim eingerichtet, ehe das Schloss von den Franzosen angemietet und Sitz des hohen Kommissars und der späteren Botschafter wurde.
Gäste und Botschafter
Hohe französische Staatsgäste wohnten auf Schloss Ernich, so auch Staatspräsident Charles de Gaulle bei seinem Bonn-Besuch im September 1962. General Pierre Koenig kam im Sommer 1945 als Oberbefehlshaber der französischen Besatzungsarmee und als Chef der Militärverwaltung der französisch besetzten Zone nach Deutschland und residierte unter anderem auf Schloss Ernich. Als Hoher Kommissar kam 1949 André Francois-Poncet, der nach Aufhebung des Besatzungsstatues bis Oktober 1955 Botschafter auf Ernich war. Auf ihn folgte bis 1957 Louis Joxe. Jacques Maurice Couve de Murville blieb bis 1958, Francois Seydoux Couve de Claussonne bis 1962 und Roland Jaquiun de Margerie bis 1965.
Francois Seydoux Fornier de Claussonne residierte von 1965 bis 1970 ein zweites Mal als Botschafter im Schloss auf dem Bergplateau.
Die weiteren Botschafter und Schlossherren waren: Jean Victor Sauvagnarges von 1970 bis 1974, Oliver Wormser bis 1977, Jean-Pierre Brunet bis 1982, Henri Froment Meurice bis 1983, Jacques Morizet bis 1986, Serge Boidevaix bis Februar 1992, Bertrand Dufourcq bis 1993 und Francois Scheer von November 1993 bis zu seiner Pensionierung im März 1999.
Zu Botschafter Andre Francois-Poncet (1887-1978), ein Freund der Deutschen, hat Remagen eine besondere Bindung. Er stiftete im Jahre 1950 der Stadt 50.000 Mark für den Wiederaufbau kriegszerstörter Wohnungen. Seither werden jährlich aus diesem Fonds von der Stadt Remagen zinsfreie Darlehen zur Verfügung gestellt, zunächst zur Beseitigung von Bombenschäden, in Folge bis auf den heutigen Tag zur Verschönerung von Gebäudefassaden.
Auch im Karneval gab es in den zurückliegenden Jahrzehnten zu den Botschaftern auf Schloss Ernich eine Verbindung. Seit Mitte der sechziger Jahre machten die meisten Remagener Tollitäten den amtierenden Botschafter auf Schloss Ernich ihre Aufwartung. Die ersten waren 1966 das Prinzenpaar Berthold und Margot Schmitz.
Bekannt, beliebt und geschätzt in französischen Diplomatenkreisen als Remagener Bürger war der Franzose Fernand von den Bulcke. Mit 37 Dienstjahren war er der dienstälteste französische Diplomaten-Chauffeur. Er starb 71jährig im Januar 1993. Man nannte ihn den schnellen Fredy. Um ihn ranken sich eine Reihe Episoden aus dem diplomatischen Umfeld während seiner Dienstzeit.