Auf die Gefahr hin, als leichtfertiger Mensch angesehen zu werden:

Ein Lob dem Wacholder-(Schnaps)

VON HERMANN OTTO PENZ

Wacholder, du zauberst die Welt meiner Vorfahren herauf; die weiten Wälder, die engen Wiesentäler, die vielen langen Novemberabende voller Nieselregen und Spinnradgesurre, die Hühnerhabichte und die fahrenden Händler, den grün schimmernden Teich am Dorfeingang und die klobigen Fäuste der Fuhrleute, die den Peitschenstiel umfaßten, Krammetsvögel und knorrige Eichen, den Rauch von Johannisfeuern und das Singen der Kinder auf den Waldwiesen beim Kühehüten. Wacholder, ich habe dich besonders in mein Herz geschlossen, du Destillat der schwarzen Juniperusbeeren, der du eine Treibjagd auf alles Böse in Magen, Nieren und Blase beginnst, sobald du im Blute kreist. Nicht von ungefähr fürchten sich die Holzknechte, den Wacholderstrauch zu fällen. Sie wissen geheimnisvolle Wundergeschichten zu erzählen von rotbemützten Zwergen, die an seinem Fuße ihr Silbergeld zählen und unermeßliche Schätze vergraben. Böse werden die Holzknechte, wenn ihr spöttisch lächelt bei solchen Erzählungen; sie zerren den weißhaarigen Michael heran, und der räuspert sich und beginnt vorsichtig und getragen zu erzählen von den Lichtern und Feuern, die er in der Judasnacht im Wacholder-Strauch selbst gesehen, von der grausigen Musik und dem höhnischen Gelächter an seinen Wurzeln, wo sonst der Hase seinen warmen Tag verschläft, geschützt von den spitzen, stechenden Nadeln des Strauches. Sagt nur, das gehe mit rechten Dingen zu, wenn müde Wanderer nach kurzem Schlaf zu seinen Füßen erfrischt wieder aufstehen und stundenweit zu laufen vermögen, ohne ein Krümelchen zu essen. Warum bellen die Hunde den Strauch an und wollen sich nicht von ihm trennen? Hat er nicht in Pestzeiten Gewalt besessen, den Schwarzen Tod zu bannen, schwelt sein Holz nicht tage- und wochenlang, ohne ganz zu ersterben?

Foto: Oscar Lorenz

Sagt, habt Ihr Euch nochnie gefürchtet, wenn irn Nebel plötzlich ein Wacholderalter im schwarzen Umhang vor Euch stand wie ein Dieb in der Nacht? Fragt nur die Liebesleute, auch sie wissen um seine Zauberkraft und die bindende Bedeutung der in seinem Schatten gesprochenen Worte. Fragt auch die Kinder, die einen großen Bogen um ihn machen, wenn im Mai eine gelbe Wolke von Blutenstaub aus ihm hervorquillt und sich auf den roten Teppich des Heidekrautes legt, die weißen Hüften der schlanken Birken umspielt und den jungen Föhren die Sicht nimmt.

Schaut nur lange genug in Euer Glas und atmet die stechende Würze seines Duftes ein, trinkt den Wacholderschnaps durchnäßt und frierend in einer Bauernkneipe, kartenspielend unter der Dorflinde, wenn es kühl und feucht am Abend wird und die Unke am Brunnen läutet; greift nach ihm auch, wenn Euch die Magenhexe quält und mit einem schweren Stein den Darm verstopft hat, nehmt ihn mit auf den Anstand beim Weg durchs taunasse Gras, mit zu den Langholzfuhrleuten und Steinbrucharbeitern, vergeßt ihn nicht, wenn Ihr einen Viehhandel abschließen wollt oder über Nacht durch fremde Wälder tappen müßt. Sollte Euch das Schicksal einmal über fremde Meere tragen und an palmenbestandene Ufer führen, in laute Städte und dunkle Mangrovendickichte, an mückenwimmelnde Sumpfküsten, eiskalte Klippen des Nordens oder in den Bannkreis eines malaiischen Schankmädchens, immer wird Euch ein einziges Gläschen Wacholder zurückrufen in die rauhen Berge, deren Wasser alle zum Rhein fließen, wird Euch losreißen von Abenteuer und Juwelenschatz, von der braunen Samthaut Arundas, von knatternden Segeln und lockenden Schneegipfeln, weil in ihm Euer eigenes Blut kreist und der stürmische Herbstwind weht, der Euch als Kind beim Kühehüten schon kannte.