Aremberg im Dhall

Häuser und Menschen in einer Zwergresidenz 

Wilhelm Knippler

Auf der Höhe über den Höh ’n
hängt das Dorf mit Häuschen und Hütten;
heute ruht der reißende Föhn,
droht nicht, die Mauern umzuschütten.
Still stehn die Halme; heut heult kein Sturm
in den hohen, verborgenen Bäumen.
Fern die Dörfer, Häuser und Turm,
die den blauen Horizont säumen.
Schlängelnde Wege, schlehdornumrahmt,
hell in die einsame Fläche gezeichnet,
unbetreten; nur daß ihr kamt,
war das letzte, was sich ereignet.
(Ernst Thrasolt, Eifeldörfer)

Zum Thema: Heute gilt die Schreibweise Arenberg für die herzogliche Familie, für das Territorium und die Schlösser. Der Berg und das Dorf heißen Aremberg, früher bis zum dreißigjährigen Krieg Arburg.

»Im Dhall« oder »im Thall« bedeutete »Niederlassung unterhalb einer Burg« oder »Regierungsflecken«.

Die Eifeldörfer, die Thrasolt einstmals darstellte, würden beim heutigen Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« kaum Sieger geworden sein, wohl aber hätten sie gute Aussichten gehabt in die engere Wahl zu kommen, wenn Treue zur Heimat bewertet würde. Ich bringe ein Beispiel, ein kleines Dorf, weitab von großen Straßen und Städten, dazu noch in der rauhen Eifel, hoch am Berg klebend, und doch war es einmal der Hauptort des Stammlandes eines Fürstengeschlechts: Aremberg. Viele Arenberger Grafen, Fürsten und Herzöge waren kluge und weitschauende Staatsmänner, deren Rat am kaiserlichen Hof in Wien hochgeachtet (und honoriert) wurde. Selbst später, Noch in unseren Tagen erlebten wir den politischen Einsatz eines Mannes, der zwar kein Arenberg war, der aber eine Prinzessin von Arenberg zur Frau hatte, des unvergeßlichen Freiherrn von und zu Guttenberg. Der politische Einfluß der Herzöge von Arenberg und ihr Interesse an deutscher Politik sind nach dem Ende des alten Deutschen Reiches 1806, im preußischen Abgeordnetenhaus, im Herrenhaus und im Reichstag waren sie aktive und geschätzte Mitarbeiter. Obwohl dem damaligen Windthorst-Zentrum angehörend, traf man den Prinzen von Arenberg oft als gern gesehenen Gast bei Otto von Bismarck. Man braucht nur nachzulesen in Schillers »Abfall der Niederlande« oder in den Aufzeichnungen der Baronin Spitzenberg über die letzte Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hier und dort findet man die Bestätigung. Oder wie schreibt Dr. Julius Bachern noch 1915: »Mehr noch als früher gilt: Mitten hinein in das nationale Leben! Immer mittun, immer dabei sein! — wie der kluge Prinz Franz zu Arenberg zu sagen pflegte.«

Dorfstraße von Arenberg um 1850 mit (v. I.)  »Portse«, Kirche, Pfarrhaus, »Sturms«, »Prederes«, »Trappe« (Stahlstich v. H. Winkles)
Repro: Kreisbildstelle

unverkennbar zurückgegangen seit 1918 und erst recht seit 1945, verständlich, wenn man bedenkt, daß die Arenberg nicht nur die Regierungsgewalt in ihren Landen verloren haben, sie mußten auch auf viele ihrer Wohnsitze verzichten. Das Schloß Arenberg wurde 1794 enteignet, durch den Versailler Vertrag auch die Schlösser in Brüssel, in Heverle bei Löwen und Enghien, ihrem liebsten Aufenthaltsort. Auf die übrigen Wohnsitze verzichteten sie durch Verkauf, so auf Salzburg und auf das erst 1905 erworbene Prachtschloß Nordkirchen in Westfalen.

Während die Herzöge von Arenberg, vor allem aus Gründen politischer Entwicklungen, gezwungen waren, oftmals ihr Domizil zu wechseln, haben aber ihre früheren Untertanen im arenbergischen Stammland und besonders in ihrer Zwergresidenz am Wohnsitz festgehalten. Nicht nur das, es gab Aremberger Bürger, die sich aus eigenem Interesse um die geschichtlichen Zusammenhänge ihrer Heimat bemühten. Ich nenne nur den verstorbenen ehemaligen Ortsvorsteher Peter Luxen, der ganze Verordnungen — vor 250 Jahren von der herzoglichen Verwaltung erlassen — wörtlich zitieren konnte. Dabei ist es nur ein Zufall, daß gerade einer seiner Vorfahren schon 1603 in einer arenbergischen Urkunde als »Luxen im Dhall« genannt wird.

Peter Luxen war es auch, der mich veranlaßte, die arembergische Dorf- und Familiengeschichte intensiv zu ergründen. Dabei fand ich, daß die Luxen nicht allein alteingesessene Aremberger sind. Die Lenz, die Udelhofen, mit f, v, u oder w geschrieben, die Nelles, Theisen, Krings oder Mauren: sie alle sind jahrhundertelang imarem-bergischen Boden verwurzelt, und so bin ich beim Thema »Häuser und Menschen im Dhall Aremberg«.

Zunächst berichte ich von Aremberger Häusern, weil die länger leben als die Menschen. Früher war es wenigstens so. Über keiner Haustür Arembergs ist das Entstehungsjahr festgehalten oder der Name des Erbauers, doch die mündliche Überlieferung genügt vollauf und wird durch amtliche Dokumente bestätigt. Die Hausnamen der alten Heimstätten halten die Erinnerung an die ersten Bewohner wach. Bei der Vielzahl gleicher Familiennamen verhindern sie bis heute Verwechslungen und sind sinnvoller als römische Zahlen (Lenz l, Lenz II). Die Menschen, die den Häusern ihren Namen gaben, sind lange tot, aber in Aremberg unvergessen. Diese Namen sind den heutigen Arembergern und auch den Einwohnern der Nachbargemeinden geläufig, und manche dieser Namen sind merkwürdig, weil Aremberg ja »Thalort« der ursprünglichen Residenz gewesen ist.

Liste der alten Häuser, die jetzt noch stehen und deren Namen gebräuchlich sind

 HausnameErste Er- 
wähnung
Erster bekannter Bewohner, vielleicht Erbauer,
  bekannte Nachfolger
1.Botte1627Botten Pauly
2.Carols1627 Carols Claus
3.Forsthaus1571 Ursprünglich »Schwabenhaus« und Pissemer Lehnsgut, als Lehen an Wilhelm von Miel (Meyll),
später an Matthias Arburg
  1698Lersch, Adolf
  1739Lersch, Matthias
Lersch, Franz Theodor (+ 1786)
4.Galibert Herzoglicher Landmesser, verfaßte das Landmaßbuch von Aremberg 1768, hat auch die Ahrweiler Gemarkung vermessen.
5.Gödderts Ein Göddert (Gottfried) Gosser (1741 -1801), heiratet 1782
6.Hähne Hahn, Steffan heiratet 1810
7.Hartmanns Hartmann, Claudius Hyazinth Herrn. Josef, 1772 -1823  
Bürgermeister und Gastwirt
8.Hesse1735Heß, Paulus
9.Jackelisch Jacklen, Joh. Hubert, 1783 -1833 oder
Jacklen, Johann Michel, 1748 -1802
10.Jentges1542 Jentgen, Gerichtsscheffe zu Aremberg
11.Junken1634Junken, Johann
12.Kolle Koll, Peter, 1743-1803
13.Lenzenhof1627Lentzges, Peter
14.Luxens1603Luxen »im Dhall«
15.Molers Molers, Joh., Landschultheiß 1645 -1670 oder
Molers, Gibertus, 1666, Rentmeister
16.Pauels1600Pauels, Landbott oder Paulsges 1667
17.Portze1617 am Tor der Dorfmauer
18.Sturms Sturm Ferd. Josef, 1740 -1792
19.Douwe ein Daupf, Hans, Schäfer auf der Burg, 1600 oder
Christoph Udelhofen, geb. 1834, war taub.
20.Trappen1634Trappengut, war frei vom kleinen Zehnt.

Fundgrube für die von 1927 bis 1930 erfolgte Erforschung der Familienzusammenhänge waren die damals noch reichlich vorhandenen Akten der Aremberger Gemeindescheffenkiste und viele Archivalien aus persönlichem Besitz der Bürger. Die Übersicht wurde erleichtert durch die verhältnismäßig geringe Einwohnerzahl. Zuverlässigkeit erbrachten die Unterlagen des Pfarrarchivs, des Landesarchivs Koblenz und der Standesamtsregister in Antweiler. Das Ergebnis der Familienforschung umfaßte die Bevölkerung des Kirchspiels Aremberg mit Eichenbach und Frohnhofen und die Zeitspanne von etwa 1760 bis 1930. Auf insgesamt 425 Familienblättern und 120 Blättern von Einzelpersonen waren alle Bürger der Kirchengemeinde erfaßt. Spätere Ergänzungen durch Ermittlungen im Diözesanarchiv Trier betrafen nur die erste namentliche Erwähnung der neun ältesten hiesigen Familien.

Die frühen Jahre des 17. Jahrhunderts gaben kaum Rätsel auf, denn die Landschreiber und Landschultheißen hatten damals eine gestochene Handschrift, ebenso der Pastor Laurenti-usSprüncker(1628 -1720). Dieser war 57 Jahre lang Priester in Aremberg. Er ist bekannt als Gründer der Schutzengelkapelle, der Schutzengelbruderschaft und als Verfasser eines heute noch gebrauchten Andachtsbüchleins. Er hat die Brotsegnung (Dreifaltigkeitssonntag) eingeführt.

Es folgen die neun ältesten Familien Arembergs als Forschungsergebnis.

Erste Er-
wähnung
Name
1.1592Lentzen, Laurentius von Breyscheid (Breitscheid
heute nur Flurbezeichnung), Kirchenmompar
(Kirchenmeister) und Scheffe
2.1603Luxen im Dhall, 1685 ein Kaspar Luxen
3.1603Weber, Johann, Frohnhofen
4.1627Theis, Theisen, Bernhard
5.1627Nelles, Wilhelm und Nelles, Johann
6.1627Römer, Adam
7.1658Udelhofen (auch Udelhoven, Udelhouen und
Udelhowen; 1799 nur Udelhowen), Paulus,
Kirchenmeister
8.1732Krings
9.1734Mauren

Die ältesten Familien sind also in Aremberg seit 380 Jahren bekannt, die jüngeren Familien immerhin schon 250 Jahre. Weitere alte Aremberger Familiennamen sind: Klein (1772), Sichler (1782), Ruland (1801) und Schneider (1809).

Von den neun ältesten oben aufgeführten Familiennamen sind heute (1981) im Kirchspiel Aremberg noch vertreten:

1.Lenz2 Familien
2.Luxen3 Familien
3.Weber2 Familien
4.Theisen2 Familien
5.Römer2 Familien
6.Nelles9 Familien
7.Udelhofen9 Familien
8.Krings3 Familien
9.Mauren6 Familien

Die einheimische Bevölkerung von Aremberg, also ohne Berücksichtigung der Schloßbewohner und des Militärs, hatte im Zeitraum von 1760 bis 1930 im Durchschnitt 4,2 Kinder pro Familie.

Um die wirtschaftlichen Verhältnisse der herzoglichen Zeit kurz zu zeichnen, folgt eine Übersicht, die aus den Zahlen der Tag- und Viehbriefe und den Steuererhebungslisten des Jahres 1770 erstellt ist. Von insgesamt 32 steuerpflichtigen Bürgern des Thalls Aremberg sind nur zehn aufgeführt, acht davon mit Namen heutiger Einwohner.

NameLebens-
daten
LandbesitzViehbestandSteuern
in TagwerkPferdeKüheGeiß.SchafeGuldenAlbus
1)2)
Sturm, Ferd. Josef
 Land- u. Gastwirt
1740-
1793
7,2513116
Lentzen, Peter1720-
1778
8,25341718
Udelhofen, Nikol. im Junkenhaus1732-
1785
7241520
 Lersch, Frz. Theodor Landschultheiß1716-
1786
321254757
 Krings, Herm. Jakob1736-
1775
7,2515
Jacklen, MichaelHeirat
1773
71411526
Nelles, Peter Josef Gerichtsscheffe1737-
1817
339
Udelhoven, Nikolaus1732-
1785
1825349
Luxen, Jakob, Sentscheffe 1726-
1777
5,2513138
Udelhoven, Josef im Bottenhaus1705-
1777
112612210
Diese 10 Bürger106134984719919
Die übrigen 22 Bürger123,251668727141
Insgesamt229,25 =
77 ha =
308 Morgen
29
117
15
47
470
60
1) Ein Tagwerk waren 34 a.
2) 3 Gulden = 1 Reichstaler = 78 Albus oder Weißpfennig.

In der herzoglichen Zeit kamen als Verwaltungsbeamte und als Soldaten viele Wallonen oder Träger französischer Namen an die Oberahr. Als Statthalter und Gouverneure der aren-bergischen deutschen Lande kennt man 1723 de Romagnol, 1742 Pin de la Borde, 1761 de Seyll, 1772deSeigneux, 1782 de Bornschlegel, als Landschultheißen 1693 de l’Eau. Landschreiber (Aktuarius und Notarius) war 1791 ein de Ridder. Als Rentmeister werden genannt 1669 Cofferodt, 1688 Cliouen. 

Außer diesen Kanzleibeamten waren im herzoglichen Dienst 1730 Herrotin und 1742 Perrigneau als Forstmeister, 1688 de l’Eau als Hüttenmeister, 1740 Grisard als Schneidmühlmeister und Chose als Förster (1787). Allgemein bekannt wurde und ist bis heute der Landmesser Galibert. Den Abschluß in der französischen Zivilverwaltung macht 1810 der Bürgermeister Lefebure.

Das Haus Molers
Repro: Kreisbildstelle

Zum Militär zählten die Kommandanten und Capitäne Salangon 1616,de la Kethuller 1623, Potte let 1624 – 1639, de Breuers 1679, die Militärärzte Couffe und Clerix. Soldatennamen folgen nur als Beispiele: Bouguois de Fleureu, Charby, Clemont, Frangois, le Loup, Tiry, Toussain, Triolet, de Roene und Charden. Man darf sich wundern, daß sich nicht ein einziger dieser Namen in Aremberg erhalten hat. Zweifellos stellte die große Anzahl der Beamten und Soldaten und ihrer Familien einen beachtlichen Wirtschaftsfaktor dar. Außerdem vermittelten diese Ortsfremden für das kleine Eifeldorf die Verbindung zur weiten Welt. Bevölkerungsmäßig aber blieben die Bürger von Aremberg für sich. Die Beamten und Soldaten kamen, und dann gingen sie wieder.

Weshalb aber blieb die Einwohnerschaft von Aremberg so konstant? Bis zur französischen Revolution war die Freizügigkeit stark eingeschränkt. Ein- und Auszugsgeld wurde im Herzogtum seit langem erhoben. Im Jahre 1744 aber wurde zusätzlich eine oberamtliche Verordnung erlassen. Darin wurden die Nachteile der Überbevölkerung begründet. Der Verkauf von Häusern oder Bauland wurde unter schwere Strafen gestellt. Handwerker wurden nur zugelassen, wenn sie hervorragende Eignung nachweisen konnten.

Die Bewohner von Aremberg hatten zwar den Nachteil der Höhenlage, dafür aber den Vorteil des Regierungssitzes und den Schutz durch die Burg und später die Festung. Gegenüber den Nachbardörfern genossen die Aremberger gewisse Vorrechte.

Sie waren pferde- und handfrondienstfrei, ebenfalls befreit von Moselfahrtsgeldern. Sie brauchten keine Wachdienste auf der Burg oder im späteren Schloß zu leisten. Sie hatten‘ mit ihren 29 Pferden (1770) ein gewisses Transportmonopol für das arenbergische Eisen der Stahlhütte und Ahrhütte.

Mit dem Jahr 1794 ändern sich alle Verhältnisse. Schon bald beginnt in manchen Orten das große Wandern, auch in Dörfern der Oberahr, nicht aber in Aremberg.

Die Arenberger, die mit »n«, hatten eine Reihe herrlicher Wohnsitze, waren bald hier und bald dort. Am Ende aber hatten sie kein Schloß mehr, das ihnen von alters her gehörte.

Die Aremberger, die mit »m«, wohnten auf rauher Höhe in einfachsten Häusern, doch sie blieben da, wo ihre Ahnen vor Jahrhunderten gewohnt hatten. Viele ihrer alten Familiennamen sind heute noch dort lebendig und viele ihrer Häuser behielten die uralten Namen, ein Beispiel von selten gewordener Heimattreue.