Antweiler vor 200 Jahren
VON JOSEF SCHEPPE
Die Raumnot war in dem ehemaligen Herzogtum Arenberg, zu welchem auch das Dorf Antweiler gehörte, zu einem Problem geworden, das schier unlösbar war. Während die Einwohnerzahl stetig wuchs, blieb die nutzbare Bodenfläche über lange Zeitabschnitte in ihrem Umfang unverändert. Die Folge war, daß die Landzersplitterung von einer Generation zur anderen zunahm und die wirtschaftliche Existenz vieler Familien bedrohte. Diesem Zustand versuchte der Landesherr mit den verschiedensten Maßnahmen entgegenzuwirken, doch blieb der Erfolg fast immer aus. So erließ Fürst Karl gegen Ende des 16. Jahrhunderts das Verbot, Häuser, Hofplätze, Gärten und Pesche zu teilen. Das Verbot fruchtete wenig. Nach einer späteren Anordnung, die man als eine Art Erbhofgesetz bezeichnen könnte, sollten die Eltern nur ein Kind „in ihr Haus setzen“. Wenn die anderen Kinder nicht anderwärts ein Erbgut finden könnten, sollte das im Haus verbleibende Kind seinen Geschwistern „billige Erstattung tun“. Diese aber sollten in der Fremde ihr Glück suchen. Auch dieser Verordnung blieb eine nachhaltige Wirkung versagt. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts mußte der Herzog wieder nach Wegen suchen, der Überbevölkerung Herr zu werden. Weil „die überhäuften Untertanen eines Landes dessen Verderben sind“, erließ der Landesherr das Verbot, neue Häuser und Wohnungen zu errichten. Wer das Bürgerrecht erwerben wollte, mußte den Besitz von dreihundert Gulden sowie die Fähigkeit, sich und seine Kinder zu ernähren und die öffentlichen Lasten tragen zu können, nachweisen. Wie gering der Erfolg dieser vielfachen Maßnahmen war, geht aus den 1764 und den folgenden Jahren angelegten Katastern, den sogenannten Landmaßbüchern, hervor.
Während das Original des Landmaßbuches von Aremberg sich in der Obhut des Bürgermeisters befindet, ist jenes von Antweiler nur in Form einer von dem damaligen Administrator Ridder beglaubigten Abschrift vorhanden. Das Original ist (nach. Prof. H. Neu) noch nicht gefunden worden. Auch die Existenz einer Abschrift war nicht bekannt, bis ein Gespräch mit dem Altlandwirt Josef Fas-bender es an den Tag brachte, daß besagtes Dokument wohl an die hundert Jahre zu den Schätzen seines Speicherbodens gehöre.
An Hand des Landmaßbuches kann am Beispiel von Antweiler aufgezeigt werden, wie weit die Zersplitterung der bäuerlichen Betriebe im ehemaligen Herzogtum Arenberg bereits fortgeschritten war. Die später im Code civil gesetzlich verordnete Realteilung war hier, bedingt durch Raumnot, längst Wirklichkeit geworden.
Aus dem Landmaßbuch
Namen der Einwohner um 1765 | Gesamtfläche | Anzahl der Parzellen | |
Morgen | Ruten | ||
1 Bach, Salentin | O | 113 | 10 |
2 Ehlen, Anton, Schuster | 14 | 139 | 80 |
3 Fuchs, Jakob | 12 | 166 | 71 |
4 Ginster, Gertrud | 1 | 166 | 15 |
5 Ginster, Max Wilhelm | 12 | 82 | 78 |
6 Ginster, Michel | 2 | 128 | 19 |
7 Ginster, Peter Josef | 2 | 104 | 20 |
8 Gläsener, Rudolf | 2 | 167 | 21 |
9 Hellenthal, Heinrich | 17 | 146 | 65 |
10 Hütten, Franz | 13 | 32 | 71 |
11 Kelker, Franz | 2 | 178 | 22 |
12 Kelker, Michel | 1 | 143 | 12 |
13 Kessel, Johannes, Schneider | 6 | 160 | 42 |
14 Kessel, Johannes, Schmied | 6 | 160 | 42 |
15 Kessel, Matthias | 8 | 31 | 42 |
16 Kesseler, Johannes | 1 | 88 | 15 |
17 Krischer, Agnes | 3 | 101 | 22 |
18 Krischer, Diederich | 5 | 104 | 28 |
19 Krischer, Michel | 6 | 111 | 34 |
20 Krieger, Görgen | O | 97 | 6 |
21 Korden, Matthias | 2 | 56 | 18 |
22 Lacroix, Christoph | 6 | 41 | 41 |
23 Lenzen, Johannes | 12 | 87 | 46 |
24 Ludwig, Wilhelm | 3 | 10 | 22 |
25 Maus, Emmerich | 2 | 163 | 16 |
26 Michels, Görgen | 1 | 148 | 13 |
27 Michels, Max Wilhelm | 32 | 134 | 90 |
28 Michels, Michel | 22 | 122 | 108 |
29 Müller, Merten | 19 | 2O | 79 |
30 Müller, Michel | 7 | 114 | 39 |
31 Müller, Niklas | 36 | 44 | 141 |
32 Osterspey, Johann | 5 | 126 | 40 |
33 Osterspey, Theodor | 1 | 146 | 9 |
34 Reder, Joseph | 1 | 166 | 13 |
35 Sard, Bläser | 4 | 10 | 35 |
36 Sard, Gilles, Vorsteher | 12 | 22 | 46 |
37 Sard, Gilles, Olligschl. | 12 | 19 | 64 |
38 Sard, Johannes | 12 | 99 | 72 |
39 Sard, Konrad | 21 | 153 | 88 |
40 Sard, Max | 2 | 126 | 2O |
41Sard, Niklas | 5 | 84 | 34 |
42 Sard, Peter | 6 | 35 | 29 |
43 Souretaigne, Johannes | 2 | 115 | 21 |
44 Weber, Anna | 2 | 89 | 15 |
45 Weber, Peter | 4 | 167 | 27 |
46 Welgen, Michel | 5 | 163 | 39 |
47 Wald, Johannes | 7 | 168 | 40 |
48 Willems, Franz | 8 | 98 | 48 |
49 Willems, Görgen | 2 | 96 | 14 |
50 Willems, Peter | 2 | — | 17 |
51 Wirz, Diederich | 10 | 35 | 56 |
52 Wirz, Eva | 1 | 56 | 13 |
53 Wirz, Peter | 6 | 101 | 50 |
Antweiler
Foto: H. Esch
Im Eigentum des Herzogs standen die Eisenschneidmühle sowie etwa 150 Morgen Acker-und Wiesenland.
Die hier aufgeführten Dorfbewohner besaßen ausnahmslos Haus- und Hofrechte; es waren selbständige Einheiten.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, weist das Landmaßbuch kleine und kleinste Zwergbetriebe aus. Bedenkt man, daß die damalige Schiffelwirtschaft nur karge Erträge brachte, dann fragt man sich, wie und wovon die Leute lebten. Einige Familien bezogen wohl zusätzliche Einnahmen aus einem handwerklichen Betrieb. Die in dem Landmaßbuch vermerkten Handwerksberufe bezweckten nur die bessere Kennzeichnung bei vorkommenden Doppelnamen; sie können somit nicht als erschöpfend angesehen werden. So ist anzunehmen, daß unter dem Namen Osterspey ein Schreinerbetrieb bestanden hat. Ein Vorfahre dieser Familie, Georgio Osterspey, hat in den Jahren 1694 und 1697 die Seitenaltäre in der Pfarrkirche von Dümpelfeld erstellt (Kunstdenkmäler des Kreises Ahrweiler).
Verdienstmöglichkeiten werden sich auch angeboten haben auf der Eisenschneidmühle, auf der Stahlhütte bei Dorsel, im Wald als Holzhauer und Köhler und nicht zuletzt im Dienste der nahen Schloßverwaltung. Frondienste wurden um diese Zeit nur im Gemein-interesse geleistet, nicht mehr für den Landesherrn, wie es Beispiele aus dem arenber-gischen Verwaltungsarchiv beweisen.
Durch seinen Statthalter suchte der Landesvater den Wohlstand seiner Untertanen auf jede mögliche Weise zu fördern. So wurden zur Hebung des Hausgewerbes Webstühle an die Bevölkerung verteilt. Schafwolle, Flachs und Hanf wurden zu Tuch und Leinen verarbeitet. Es galt noch der Grundsatz:
„Selbstgemacht ist die schönste Bauerntracht.“ So ergaben im großen und ganzen die letzten Jahrzehnte unter der milden Herrschaft derer von Arenberg, am Beispiel von Ant-weiler gesehen, das Bild eines zwar bescheidenen, aber doch befriedeten Auskommens der Bevölkerung.
Auf einen gewissen Wohlstand läßt auch der in diese Zeit fallende Neubau der Pfarrkirche schließen. Unter dem damals amtierenden Pfarrer Heinrich Cazzuola wurde das neue Gotteshaus errichtet. Das Baugrundstück schenkte der Herzog; in dem Landmaßbuch lesen wir hierüber: „Die Kirchenplatz samt dem Kirchhof und von Ihro Durchlaucht (geschenkt) cun enere, daß die Kirch das Herzogl. anniversarium bestreiten muß.“
Im krassen Gegensatz zu den kleinen Grundbesitzern steht der verhältnismäßig große Besitz des Herzogs. Große Flächen, meist in den besten Lagen, sind als „des Herrn Hof-Feld und -wiese“ ausgewiesen. So „Auf dem Bungert“ 6 Morgen, „Auf Mühlensittert“ 16 Morgen, „Auf Unterst Wickgen“ 12 Morgen, um nur einige Beispiele zu nennen. Man wundert sich, daß bei solchem Besitzstand weder von einem Lehnshof noch von einer Lehns-scheuer die Rede ist. Nach einem alten Lehnsund Pachtverzeichnis besaß der Fürst von Arenberg um 1579 in Antweiler einen Hof, der damals an Johann, des alten Halfmanns Sohn, verpachtet wurde. Es wird nicht ohne Grund vermutet, daß es sich um das später in den Besitz der Familie Brenig gelangte Anwesen handelt. Das durch Bomben vernichtete, weithin bekannte Gasthaus Brenig führte die Bezeichnung „Zum Herzog von Arenberg“. Der letzte Besitzer war überzeugt, daß die Geschichte des Hauses auf den Herzog von Arenberg zurückgehe.
Da also der Landesherr unter den „Haus- und Hofrechten“ in Antweiler nicht erwähnt ist, muß angenommen werden, daß die Grundstücke gegen Geldleistung verpachtet waren. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die in damaliger Zeit zu Ansehen gelangte Familie Michels als Hauptpächter annimmt. Das Stammhaus dieser Familie wurde 1804 durch Hochwasser vernichtet. Die 1806 errichteten neuen Wohn- und Wirtschaftsgebäude lassen heute noch den einstigen Wohlstand des Erbauers erkennen (Haus Arends-Neubusch).
Zwei Söhne der Familie Michels wählten den Priesterstand: Georg Michels (1719—1764), Hofkaplan in Arenberg, später Domherr in Bonn; sein Neffe Georg Michels (1747 bis 1822), von 1778 bis 1822 Pfarrer in Antweiler. Bald nach seinem Tode versteigerte die Letztlebende, Barbara geb. Sard, Witwe des 1792 verstorbenen Christoph Maximin Roman Michels (s. Lava-Grabplatte auf dem Friedhof) den ganzen Besitz und zog nach Andernach zu ihrem dort bereits ansässigen Sohn Franz Xaver Michels.
Von den in dem Landmaßbuch aufgezeichneten Namen hat sich nur der Name Weber bis in die Gegenwart in Antweiler erhalten. Die Namen Bach und Lenzen bestehen noch als Hausnamen fort.
Aber die alten Flurnamen leben weiter. Ja, Familien entstehen und vergehen, aber die Gemarkung bleibt bestehen.