Anekdoten oder An-eck-doten
Jakob Steinborn
Es geht die Sage, daß vor langer Zeit ein bekannter Jäger im Eifelgebiet um Brück die Jagd gepachtet hatte. Da er im »Jeuisch«, wie Bad Neuenahr im damaligen Sprachgebrauch hieß, ansässig war, war die Ausübung der Jagd naturgemäß durch die weite Anfahrt mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Nun ergab es sich eines Tages, das besagtem Nimrod die weit näher gelegene Jagd im nahen Vinxtbachtal angeboten wurde. Natürlich kam dieses Angebot unserm Freund gelegen und er beabsichtigte es wahrzunehmen. Günstig war, daß der Pachtvertrag in etlichen Monaten in der Brücker Gegend auslief, und so begab sich unser Jäger also zum Ortsbürgermeister seines Jagdbezirks, um ihm mitzuteilen, daß er die bisher innegehabte Jagd aufkündigen wolle aus den vorgenannten Gründen.
Der schon etwas ältere »Eifeler Ortsbürgermeister« saß unserm Freund Pfeife-schmauchend gegenüber und hörte ruhig zu. Als der Jäger nun geendet harte, trat Stille ein, aber nach einigen Minuten der Überlegung sagte der Bürgermeister dann: »Jo, mir nenn die Könnijung an. Wenn ihr net jekönnig hat, hätte mirdat jedohn.« Baß erstaunt ob dieser Äußerung meinte der Jagdherr darauf: Das versiehe er nicht, da doch zwischen ihm und der Gemeinde immer ein ausgezeichnetes Verhältnis geherrscht habe. Darauf der Bürgermeister lakonisch: »Jo, dat stemmp. Äwwe mir han he em Dörp seit 7 Johr kein Kenddäuf mieh jehatt, su en Jaachhäre könne mir net brauche.« Und die Moral von der Geschieht: Vergiß im Vertragstext auch das Kleingedruckte nicht (zu lesen).
In ebenfalls grauer Vorzeit (nach heutigen Begriffen gemessen) wohnte in »Klein-Frankreich«, wie der östliche periphere Bereich vom heutigen Bad Neuenahr im Volksmund hieß, ein schon betagter Uhrmacher. Nun war die vorgeschilderte Lage als Geschäftslage für einen Uhrmacher sicher nicht das Ideal, nicht die City, wo sich normalerweise die Uhrmacher mit den Juwelieren und Banken etwa in einer »Rue Moneta« zusammenballen. Das mag dann auch Anlaß dafür gewesen sein, das unser Handwerksmeister sein Gewerbe teils im Umherziehen ausübte, wie es im Amtsdeutsch heißt. Eines Tages nun, es war Samstag vor Martinikirmes, machte sich unser Uhrmacher auf den Weg nach Heimersheim, um dort eine von ihm instandgesetzte Uhr beim Empfänger abzuliefern.
Nun muß man sich ein Dorf vor ca. 80 Jahren am Samstag »vür Määteskermes« vorstellen. Da waren zunächst die alten Fachwerkhäuser, in die man durch die sogenannte Futterküche eintrat. Dieser Raum hatte als Bodenbelag aus Zweckmäßigkeitsgründen einen blauen Schieferplattenbelag. In diesem Raum stand meist neben einem schönen gußeisernen Herd mit Schiff auch ein sogenannter »Veehkessel«, in welchem das Weichfutter für das Vieh gekocht wurde. Da die Plattenböden immer kühl waren, hatten sie vor Kirmes auch noch die Funktion, die im Gemeindebackes gebackenen »Taate«, wie »Maubich, Schlöppchestaat« (Apfelkuchen mit Riemchen) und »Ziementskooche« (Streuselkuchen), zum Auskühlen aufzunehmen. Als unser Uhrmacher nun anno zu Martini bei beginnender Dunkelheit in Heimersheim eintraf um seine Uhr abzuliefern, fand er just die oben beschriebene Situation vor. Die braven Bauersleut hatten ihr gesamtes Gebäck zum Auskühlen in die Futterküche auf den Plattenboden gelegt, »Vüeahnde Appeltaat«. Unser Uhrmacher nun, wie gesagt, etwas betagt und auch schlecht sehend, trat in die Futterküche, ohne zu bemerken, daß der Kuchen auf dem Boden zum Auskühlen lag. Es kam ihm zwar recht glitschig vor und er hielt sich an der Wand fest, aber schließlich hatte er doch die Stube erreicht, wo sich die Familie aufhielt. Als er, etwas schwankend und unsicher, eintrat, sprangen die Insassen nichts Gutes ahnend auf, und unser Meister meinte treuherzig: »Et is glitschig bei Euch, habter geölt?«