Andacht und Maulereien – Kritisches aus dem Umfeld des Weihnachtserlebens
Einige wenige Zitate: »Stille Nacht, daß man das eigene Wort nicht mehr versteht“, »Süßer die Kassen nie klingeln«, »Weihnachten? Da geh‘ ich nicht hin!« Gehört und notiert während der Adventszeit an der Ahr ebenso wie auf rheinischen Weihnachtsmärkten.
Er dauert an, der Aufstand gegen Weihnachten. In der Tat, grundsätzlich und sowieso – auch in der Eifel. Zeitgenossen von Adenau bis Koblenz, von Brohl bis Zülpich ergreifen die Flucht ins Mediterrane oder in die heiße Welt der Apre-Ski, finden als Reiche aus dem Abendland die Weisen aus dem Morgenland im Holiday Camp am Indischen Ozean. Xmas oder Natale aber holt sie überall ein.
Animateure auf Ibizza oder den Bahams haben längst gelernt in Sachen deutsche Befindlichkeiten. Der immergrüne Plastiktannenbaum steht pünktlich am 24. Dezember neben Palmen, Hummerkrabben und kandierten Mango-sternen. Zur weihevollen Nacht swingt eine Reggae-Combo »White Christmas«, anschließend darf getanzt werden zu Frank Sinatras „Jingle Beils« vom Band. Das Licht in der Ferne ein »Adele Fideles«-Traumschiff aus Brighton. Oder die Eltern in der Heimat. Natürlich gedenkt man ihrer per Handy – und die Tränen kultern. Meutereien wie Maulereien gegen die Tradition, speziell zum Jahresende, gehören mittlerweile zur Tradition. Und bleiben nicht mehr, nicht weniger als pubertär anmutende Meutereien, Maulereien. Warum? Wir gehen Tag für Tag grußlos aneinander vorbei, in den Betonwohnblocks, auf dem Weg zur Arbeit, interessieren uns mehr für 52 Fernsehprogramme und das Online-Universum als für den Nachbarn. Die Losung lautet: Jeder sich selbst der Nächste, alle und jeder mit sich selbst beschäftigt.
Wir haben uns eine zweckmäßige, sachliche, moderne Welt geschaffen. Aber gleichzeitig beklagen wir die daraus resultierende Kälte und schwindelnde Humanität, den gnadenlosen Existenzkampf. Sachlichkeit in Sachfragen gut und angebracht. Der Mensch jedoch ist nicht allein zweckmäßig ausgerichtet.
Folglich darf es keine verschämte Lippenbeichte bleiben, daß es kalt geworden ist zwischen den Menschen. Warum bekennen wir uns nicht zu Ehrfurcht und Ergriffenheit, zu Sentimentalität und Sensibilität? Nach den flirrenden Irrlichtern des ablaufenden Jahres laden uns die Weihnachtstage förmlich ein zur Andacht. Welch eine großartige Chance, zwischen Atomkraft und Gen-Manipulationen, zwischen zweifelhaften Wundern der Technik und geschundener Natur durch das sogenannte Fest der Feste einen Rastplatz im immer geschwinder routie-renden Zeitgetriebe zu finden!
Simpel, Maulerei und Meuterei über Althergebrachtes. Höchst schwierig hingegen, Neues zu schaffen, das Sinn gibt, das Werte überträgt oder das den sich mehr und mehr isolierenden Individuen ein fremd gewordenes Gemeinschaftsgefühl vermittelt.
Schwer möglich darüber hinaus, den gesamten Umkreis des Weihnachtserlebens repräsentativ darzustellen. Was Weihnachten wirklich bedeutet, diese Frage stellt sich jedem von uns immer wieder neu. Ob das Fest der Feste so begangen werden muß wie heute, auch darüber ließe sich lange und kontrovers diskutieren. Im Vordergrund stehen sollte zunächst die Besinnung, die Anregung zum Nachdenken über des Menschen Dasein.
Sicher: Weihnachten ist nach wie vor ein Intervall voll von symbolischer Leuchtkraft in der „dunklen Jahreszeit“. Deshalb ebenso sicher:
Wir werden und müssen vorerst das an Tradition wahren, was wir haben. Weihnachten läßt sich nicht einfach gegen anderes austauschen – weder durch reformatorische Christen noch durch harsche Kritiker, denen der Festrummel etwa während dem Printen-Wochenende in Kommern oder auf dem Weihnachtsmarkt Ahrweiler organisierter Jesulein-Kitsch bedeuten muß.
Adventsstimmung in der Ahrweiler Niederhutstraße.