Alte Tradition liebevoll gepflegt — die Adenauer Gerberzunft
Karlheinz Korden
Adenau’s Heimatfest 1978 stand ganz im Zeichen seiner noch existierenden drei Zünfte, die als Bindeglied an eine einst stolze und wohlhabende Vergangenheit der Johanniterstadt erinnern. Diese Handwerkervereinigungen, die Gerber-, Wollenweber- und Hammerzunft werden liebevoll gepflegt, und obwohl sie heute keine wirtschaftliche Bedeutung mehr besitzen, geben sie den wohl bedeutsamsten Hinweis auf den ehemaligen Handwerksgeist, der das Wachsen und Blühen der Eifelmetropole bestimmte.
Die Zünfte entstanden im 12. Jahrhundert als Zusammenschluß der von der Hofhörigkeit befreiten Handwerker und wurden bald neben den Patriziern zu den Trägern der mittelalterlichen Städte. Es waren meist pflichtmäßige fachliche Vereinigungen und hatten strenge, geschriebene Satzungen und waren getragen von christlichen Grundsätzen. Die Zunftbriefe, Zunftrollen, auch Schrägen genannt, bestimmten die Zahl der Meister, die Lehrlingsausbildung und hatten große Einflüsse auf Preis- und Qualitätsvorschriften.“ Durch die Aufhebung ihrer Vorrechte durch die Gewerbefreiheit im norddeutschen Bund 1869 verloren die Zünfte ihre Bedeutung und haben heute
weitgehend ihren Nachfolger in den Innungen und Handwerkskammern gefunden. Adenaus jüngste Zunft, die Hammerzunft, gegründet im Jahre 1746, versammelt sich alljährlich am Namensfeste ihres Schutzpatrons, St. Joseph, am 19.3. und bei dieser Gelegenheit hat der Interessierte die Möglichkeit, das in der Zunftlade wohlverwahrte und behütete alte, vergilbte Zunftbuch einzusehen und mit Staunen wird er zur Kenntnis nehmen, daß bei der Gründung der Hammerzunft im Jahre 1746 bereits 49 Meister vorhanden waren, die als Schlosser, Schreiner, Zimmerer, Glaser, Maurer, Schmiede und Nagelschmiede und Leyendecker ihr Handwerk ausübten.
Die Wollenweberzunft basiert auf dem noch vorhandenen Zunftbrief aus dem Jahre 1700. Hierin und im alten Zunftbuch sowie in anderen Unterlagen ist stets von einer Neugründung der Zunft zu lesen, sodaß die Wollenweberzunft mit Sicherheit bereits lange vorher bestanden haben muß und aus nicht mehr feststellbaren Gründen einst aufgelöst wurde. Das Protokollbuch der Wollenweberzunft verlegt die Gründung in das Jahr 1648, was urkundlich jedoch nicht zu belegen ist. Durch die einst blühende Adenauer Tuchindustrie und durch das bekannte Adenauer Tuch hatte gerade die Wollenweberzunft eine besondere Bedeutung. Erstaunlich ist auch die Tatsache, daß die Zunft bei ihrer Neugründung wieder 71 Meister umfaßte, was, im Zusammenhang mit der Hammerzunft auf eine geradezu unwahrscheinliche handwerkliche rege Tätigkeit in Adenau und seinem Kirchspiel schließen läßt.
Das frühere „Wirkes“ in der Wimbachstraße, in dem die Lohkuchen getrocknet wurden Foto: Esch
Die anläßlich des Heimatfestes in Adenaü zusammengetragene Ausstellung von wertvollen Zeugnissen einst blühender Handwerkskunst untermauert die Aussage der alten vergilbten Urkunden der Zünfte und läßt die Achtung vor den fleißigen Vorfahren steigen. Über die Hammer- und Wollenweberzunft wurde bereits in den Heimat-Jahrbüchern 1955 und 1957 ausführlich berichtet. Im folgenden soll daher die-Gerberzunft dargestellt werden, die etwas im Verborgenen blüht, obwohl sie die älteste und wohl bedeutendste der Adenauer Zünfte war.
Die auch bei dieser Zunft wie ein Augapfel gehütete Zunftkiste enthält wertvolle und kostbare Unterlagen, die vom Wachsen und Gedeihen dieser Bruderschaft künden. Die Truhe enthält Ernennungsurkunden, ein Buch mit alten Lehrlingsverträgen, das Gesellen-und Meisterbuch, ein Satzungsbuch und alte Beitragsquittungen. Natürlich fehlt auch nicht die alt ehrwürdige Zunftfahne und der Zweispitz. Folgt man den Urkunden, so wurde die Gerberzunft am 2. Nov. 1603 als Bruderschaft gegründet. Zu jener Zeit hatten sich Adenaü bereits unter dem milden Regiment der Erzbischöfe von Köln zu einem ansehnlichen Flecken entwickelt, wozu nicht zuletzt die im
Jahre 1601 verliehenen Märkte beitrugen. Auf den bei diesen Märkten getriebenen Handel hatten gerade die Zünfte großen Einfluß und wachten argwöhnig auf die Einhaltung der strengen Bestimmungen.
Die erste, noch vorhandene landesfürstliche Bestätigung der Satzungen der Gerberzunft datiert vom 20. Februar 1647 durch den Erzbischof und Kurfürsten Ferdinand von Bayern (1613—1650). In dieser in Bonn ausgestellten Urkunde sagt derselbe, daß schon seine Vorfahren auf dem erzbischöfli-schen Stuhle, sowie er selbst noch als Coadjutor seines Onkels, am 2. Nov. 1601 „Flecken und Freiheit Adenaw im Amte Nürburg zu dessen besseren Gedeihen vier Jahrmärkte und gewisse Wochenmärkte gestattet und dazu sicheres Geleit erteilt hätten, daß ferner den Einwohnern von Adenaw, vorab Löhrer (Gerber), Schuster, Sattler, Kürschner, die zu Ehren Gottes sub patrimonio des hl. Bischofs Blasii eine Bruderschaft aufgerichtet, des göttlichen Segen desto mehr zu ihrer Wahrung erhoffend, darum zu besser solcher Bruderschaft, das Recht erteilt worden sei, von allen Kaufleuten, welche zum erstenmal die Märkte des Amtes Nürburg mit Leder oder Lederwaren besuchten, einen Einstand oder Verhausung zu fordern.“ Alles dieses wird von Neuem erteilt und bestätigt.
Ganz in derselben Weise und fast mit denselben Worten werden diese Rechte und Freiheiten des Fleckens Adenau und der Gerberzunft, ebenfalls „Bruderschaft sub patrimonio des hl. Blasii“ genannt, sowie deren Statuten von dem Erzbischof Clemens August (1723-1761) am 23. März 1732 zu Bonn bestätigt.
Das Recht der Verhausung bestand darin, daß jeder fremde Kaufmann, der Leder oder Lederwaren auf diesen Märkten zum ersten Male zum Kauf auslegte, in die Zunftkasse ein Standgeld für allemal zahlen mußte, einen Goldgulden, einen Reichstaler, eine Flasche Wein und ein halbes Kopfstück für die Armen.
Bereits im Mittelalter war keine Zunft angesehener als die Gerber, ihre Angehörigen waren durchweg wohlhabende und geach’tete Leute. So war es natürlich auch in Adenau und kennzeichnend für das Ansehen der Gerberzunft war, daß ihre Mitglieder das Recht hatten, in der Fronleichnamsprozession unmittelbar hinter dem hochwürdigsten Gute zu schreiten. Bei der Gerberzunft bezogen sich die Statuten auf die Wahl und Pflichten der Meister, Gesellen und Lehrlinge, auf die Verarbeitung der Felle, den Verkauf des Leders usw. Selbst in Bezug auf den Zunftgottesdienst sind die strengen Regeln überliefert und hier heißt es: „Dieweilen alles mit Gott anfangen und in demselben sich endigen soll, so ist zur Amts-Regul gesetzt und statuiert: Erstlich, daß alle Meystern, Zunftbrüder und Schwestern und deren Nachkommen alle und jedes Jahr in der Pfarrkirche allhier zu Adenaw auf St Blasii-Tag beym Ambt der hl. Mess erscheinen, in Anhörung derselben für die Abgestorbenen Brüder und Schwestern andächtig beten, auch ordentlich zum Opfer umbgehen und Keine ohne redliche erhebliche Ursach und vorherige Entschuldigung ausbleiben solle“.
Das alte Zunftsiegel der Gerberzunft ist ein Rundsiegel, in der Mitte geteilt; im untern Teile über 2 Palmzweigen Handwerkgeräte, in der oberen Hälfte das Bild des hl. Blasius, links vor demselben das Lamm Gottes, das Prümer Wappen, die Umschrift des Siegels lautet: Loher, Weisgerber, Schuhma-Zunft in Adenaw.
Leder wurde schon immer gebraucht. Römische Legionäre trugen ihre Sandalen, die drei Musketiere ihre Sättel und auch „Lederstrumpf“ schmückte seine Beine mit haltbarem Leder. Noch nicht lange ist es her, daß die letzten Spuren der Gerber in Adenau entschwanden und im Bereich der Wimbachstraße stand noch lange „das Wirkes“, wo einst unsere fleißigen Vorfahren, die Mitglieder der Gerberzunft wirkten. Hier rollten einst die knarrenden Ochsenfuhrwerke aus dem Hinterland heran, um die Häute abzuladen. Bei einem Pfeifchen wurde ausgehandelt, ob bereits die Haut den Besitzer wechseln sollte, oder ob man das Fell, das man dem dahingeschiedenen Rindvieh über die Ohren gezogen hatte, in eigener Regie gerben lassen wollte. Beides besorgten die Adenauer Gerber zur vollen Zufriedenheit ihrer Kundschaft. Eineinhalb Jahre dauerte es, bis aus einer schlüpfrigen Haut brauchbares Leder wurde. Die angelieferten Ochsen- und Kuhhäute, die Kalb- und Ziegenfelle wurden sorgfältig sortiert und reichlich eingesalzen. Danach unterzog man die Häute einer gründlichen Säuberung. Anschließend hing man sie dicht nebeneinander zum Schwitzen in fast luftdicht abgeschlossenen Kellern auf. In dieser „Sauna“ lösten sich die Haare, Der Rest wurde abgeschoren, nachdem der Gerber die Haut über den „halben Baum“ gespannt hatte. Die Fleischseite wurde mit dem „Degen“, einem scharfen Messer, das an jeder Seite einen Griff hatte, sorgfältig gesäubert. Verwendung fanden auch die dabei abfallenden Produkte. Die Haare erhielt der Polsterer, die schlüpfrigen Fleischreste wurden zu Leim verkocht. Nach dieser Behandlung nahmen die Häute in tiefen Gruben ein langwieriges Bad in einer Brühe aus gemahlener Eichenrinde, der sogenannten Lohe. Sie gab dem Leder den typischen Farbton. Damit dieser gleichmäßig ausfiel, mußten die Häute aus der Grube „gehoben“ werden. Drei Wochen später schichtete man die Häute und Lohe wiederum in Gruben säuberlich aufeinander. Dann hatten die Halbprodukte eineinhalb Jahre Zeit, sich zu strapazierfähigem Leder zu entwickeln. Alle sechs Monate mußte der Gerber, der sein Werk im Auge behielt, das werdende Leder hervorholen, abbürsten und wieder stapeln. Das Leder bekam seinen letzten Schliff mit einem besonderen hölzernen Instrument, mit dem es gewalkt und in mühsamer, anstrengender Handarbeit zu einem qualitativ hochwertigen Material gemacht wurde. Die Gerber, ihre Gruben und die mühsame, langwierige Arbeit sind verschwunden. Geblieben ist nur die Erinnerung an fleißige Bürger und an einen einst blühenden Zweig des Handwerks in Adenau.
Treffen sich wieder alljährlich, jeweils am 2. Februar, dem St. Blasiustag, die Mitglieder der Gerberzunft im Gasthaus zum Schloß, wie seit Jahrhunderten, so hält man auch hier am alten Brauch fest. Eröffnet wird der Zunftabend mit dem alten überlieferten Gebet und dann läßt man sich „Schößchen mit Limburger Käse“ munden, wozu auch der edle Gerstensaft hervorragend schmeckt. Wie auch in den beiden anderen Zünften müssen die Mitglieder heute nicht mehr unbedingt ihr Brot mit Lederprodukten verdienen. Jedermann ist herzlich als Mitglied willkommen, um einen bemerkenswerten ^Meilenstein in Adenaus Geschichte zu erhalten.