Als der Koks die Kellertür verdeckte
75 Jahre Gebr. Both in Ahrweiler
Ein Chronikblatt heimischer Firmen- und Familiengeschichte
Die Goldstimmung des sonnigen Nachmittags .. . schon gegen Abend . . . das wird gelobt an dem holländischen Maler Jan Both (1618—1652) von Utrecht. Wer einmal ins Rijksmuseum kommt, in die Galerien von Haarlem, Rotterdam, in den Louvre zu Paris und in die Wiener Albertina, wird diesen goldenen Schimmer leuchten sehen. Da dämmern bernsteingold die Farben auf, hier wie Topas und dort im Strahl von golddurchspieltem Harz. Und im Museum zu Koblenz hängt eine Dornenkrönung seines Bruders Andreas Both (1608—1645); auch hier leuchtet im Fackelschein das Bernsteingold rötlich auf . . . An den Namen Both scheinen diese Farben gebunden zu sein, denn dort wie hier diese Kostbarkeiten in Gold — bei den beiden Malern des 17. Jahrhunderts unter den haarfeinen Sprüngen der Lasur — und anderswo, in Ahrweiler, in den Flaschen. Um den Zauber zu steigern, sollte man sie beim Kerzenschein öffnen am Abend, dann leuchtet dieses Bernsteingold vielgebrochen auf, oder am Nachmittag auf der sonnigen Terrasse, oder ein Glas als Medizin am Morgen, oder . . . oder . . . man kann ihn immer um sich haben.
Wer die Familienchronik der Gebr. Both in Ahrweiler -öffnet, nimmt erstaunt wahr, daß dieser Firmenanfang aufs Jahr 1886 weist; er meint, dieser Name gehörte schon immer dieser Landschaft an, so vertraut ist die Weinbrandburg in Ahrweiler — vertraut dem Einheimischen, und am Abend ein durchs helle Blättergrün angestrahltes Wunder dem Fremden. Diese Familiengeschichte ist zugleich ein Chronikblatt Zeitgeschiente, wie in diesen Zeilen zu lesen sein wird, gespiegelt an der Wirtschaftsgeschichte des Ahrtals.
Das Leben ist mit den Mutigen
Es war im Jahre 1886, an einem Maienmorgen, als die Brüder Anton Both und Peter Both, der eine 24, der andere 26 Jahre alt, die Offene Handelsgesellschaft Gebr. Both gründen und sie eintragen lassen im Handelsregister. Ein kleines Barkapital von 10 000 Mark und die Bürgschaft ihrer Mutter steht ihnen zur Verfügung für eine kleine Weinhandlung und Brennerei. Die beiden jungen Firmengründer sind rührig, und das Glück ist mit ihnen. Fleiß und der Blick für eine wohldosierte Vorratshaltung bringen ihr junges Unternehmen voran. Sie machen Umsätze, sie vergrößern die Brennerei und Weinhandlung, und um das Jahr 1900 müssen sie Lager und Keller hinzumieten — bald sind es 25 Keller in der Stadt Ahrweiler. Das ist ein sichtbarer Fortschritt, gemessen an der Ausweitung ihres jungen Unternehmens, doch auch ein Unkostenfaktor, der in Mietausgaben zu Buch schlägt.
In den Jahren nach 1900 prüfen sie ihre Bücher, den Umfang des Unternehmens und die mögliche Amortisation besonders sorgfältig. Ein Vorhaben ist wachgeworden, das sie bald in die Wirklichkeit umsetzen: sie bauen den heutigen Burghof mit seinen Zinnen und weiten Eichentoren. Die Nachbarn und wohlmeinenden Geschäftsfreunde schütteln den Kopf über diesen Wagemut, doch trotz aller folgenden Krisen wird das Vorhaben so weiträumig geplant und gebaut, daß es die vervielfachten Umsätze der nächsten fünfzig Jahre bewältigen kann.
Foto: Jakob u. Helena Steinborn
Teilansicht der Brennerei
Zum ersten Male „Cognac“
Das Jahr 1900, der Weg in ein neues Jahrhundert scheint den Wagemut zu beflügeln, denn da wird begonnen, in der jungen Firma zum ersten Mal Wein zu brennen — Cognac, wie es damals noch heißt. Freilich, das ist jetzt noch nicht Schwerpunkt. Doch es ist der glückliche Griff, der die spätere Weinbrandbrennerei einleitet. Zunächst wollen Anton und Peter Both das Rotweinhaus der Ahr werden. Sie gewinnen den Ruf der Zuverlässigkeit und Qualität — kein Wunder, denn die jungen Firmengründer sind Männer mit Weinverstand.
1911 … es ist alles so wohlgefügt im Vaterland. In diesem Friedensjahr begeht die Firma das Silberjubiläum. Das Eigenkapital beträgt nun 350 ooo Mark. Sie rechnet mit einer gesunden Weiterentwicklung in den nächsten Jahren — da fällt 1914 der
Donnerschlag des ersten Weltkrieges. Doch noch geht es gut, die Firma kann eine außerordentlich hohe Beschäftigung durch Heereslieferungen gewinnen, allerdings hat sie auch nach dem verlorenen Krieg schwere Verluste in Währung und Substanz zu tragen.
Die neue Generation
Drei Jahre später folgt der Besitzwechsel, als Peter Both seinen Sohn Hermann Both einsetzt und Anton Both seinen Schwiegersohn Dr. Leo Schmitz=Both. Das neue Jahrzehnt stellt die neuen Firmeninhaber sogleich vor neue Probleme. Die Firmengründung war mit der Gründung, der Winzervereine der Ahr ungefähr gleichzeitig gewesen, und man hatte einander nicht gestört. Doch nach dem Kriege vollzieht sich in den Genossenschaften eine Wandlung. Hatten sie bisher nur den Großhandel beliefert, wechseln sie Verkaufs» und Absatzbrauch und sprechen die Hoteliere, die Privatkundschaft, den Einzelhandel, den Verbraucher direkt an.
Handel und Wandel sind Wandlung, sind Fähigkeit zur Anpassung und neuen Initiative! Gebr. Both weichen aus, weil ein Preiskampf zu viele Opfer herbeiführen muß. Die Firma nimmt das Prinzip der Produktion mit kühnem Griff in die Hand: sie produziert nun Weinbrände in großem Stil. Nicht genug, sie setzt sie als Markenfabrikate ab. Aus Pietät den Vätern gegenüber werden Moselweine, Rheinweine, Südweine und Schaumweine einstweilen weitergeführt, aber die Entwicklung drängt zum Weinbrand.
Wer Sorgen hat . . .
Die künftige Entwicklung kann, wie die vergangene, nicht betrachtet werden ohne Rückblick in die Zeit= und Wirtschaftsgeschichte. Die Firma erlebt Zeiten der Konjunkturen und Krisen, sie wehrt sich mutig, gewinnt und sichert den Namen, der längst verläßlich geworden ist. Wer Sorgen hat, hat auch Likör . . . man kann das Wort von Wilhelm Busch auch umkehren. In den zwanziger Jahren ist der Wein mit der unverständlichen Weinsteuer von 20% belastet.
Gesamtansicht des Packraumes im Neubau
Foto: Jakob u. Helena Steinborn
Das trifft Firmen dieser Art und trifft den Winzerstand. Verständlich, daß die hohe Steuer und Preisverteuerung den Konsum zurückgehen lassen. Im Ahrtal nicht anders als im Rhein= und Moseltal sind Sorgen zu Haus. Die Preise stürzen. Der Fuderpreis des Weines ist anfangs 1925 immerhin noch 1200 Mark. Er stürzt auf 600 Mark für das Fuder, so daß zu diesem Preis nicht zu verkaufen ist. Die Steuerschulden lasten überall, wo Reben wachsen und Wein in den Kellern lagert — da kommt es zur Zusammenrottung von 10 000 Winzern in Bernkastel mit dem Sturm aufs Finanzamt. Die Glocken läuten Sturm — das dröhnende Signal eines zum Sterben verurteilten Standes dringt nach Berlin. Die Weinsteuer wird abgeschafft. Die Weinumsätze steigen sofort wieder an, bis die Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1933 die Weinpreise von 600 Mark auf 200 Mark zurückgehen läßt, so daß ein Liter Wein mit 20 Pfennig Kaufpreis billiger ist als Mineralwasser und Bier. 1952 wird der Markenweinbrand Both=Gold von 3,— Mark auf 2,50 Mark herabgesetzt.
Stumme Keller
Das ist die Wendemarke. Die Krise wird mit dem äußersten Preis aufgefangen. Die Mehrumsätze wachsen Jahr um Jahr 30 bis 35%, also immer rund um ein Drittel. Die dreißiger Jahre bringen den größten Aufstieg der Firma, weil ihre Weinbrände echte Markenartikel geworden sind. Es könnte alles gut gehen, würden nicht 1937 schon die Grenzen vorgezeichnet in der Devisenpolitik, als die Einfuhr von Brennweinen kontingentiert wird. Das engt die Beweglichkeit ein, bald auch die freie Belieferung des Kunden, die 1942 auf Befehl Völlig eingestellt wird. Das Ende zeigt sich an, als 1944 fünf Kesselwagen Weindestillat an die Berliner Monopolverwaltung geliefert werden sollen zur Herstellung von Flugzeugtreibstoff. Das Ende ist nahe. Bomben treffen die Anlagen, wegen der Nähe der Ardennenfront wird nicht mehr gearbeitet. Die Keller sind totenstill.
Jahre der Krisen
Allein, die Zeit der Prüfungen ist noch nicht zu Ende. Sie beginnen erst. Am 7. März 1945 dringen beim Durchbruch zum Brückenkopf Remagen die amerikanischen Vorhuten ein. Fronttruppen sind hart. Es hätte genügt, hätten sie sich an den Flaschen gelabt — nein, manches kostbare Limousinfaß wird durchlöchert und fließt aus. Da vollzieht sich eine Aktion der Selbsthilfe. Es ist ein genialer, wenn auch gefährlicher Einfall, daß der Kellereingang mit Koks zugeschüttet und unsichtbar wird. Kriegslist gegen Krieg! Wie 1918 sind zuerst die Amerikaner in der Brennerei, dann die französische Besatzung. Nun ist es keine Sünde, ja, allen Kennern bekannt, daß für einen erstklassigen Weinbrand französische Brennweine der Charonde verwendet werden. Das erscheint auf einmal als Verbrechen gegen den Völkerfrieden. Weil auf Grund von Kontingenten auch während des Kriegs gekaufte französische Brennweine der Ursprungsstoff des Weinbrands sind, wird das Produkt beschlagnahmt. Bis 1948 befehligen die Franzosen das Brennprogramm und den Verkauf an die Truppe.
Primitive H a n d e l s f o r m e n
Das Brennprogramm wandelt sich. Es werden Zwetschen gebrannt. Für einen Zentner Fallzwetschen darf vom blockierten Kontingent eine Flasche Weinbrand abgegeben werden. Es wird getauscht, die Handelsformen sind wieder primitiv geworden. Das nächste Programm ist das zwangsweise angeordnete Brennen von zwangsweise bei den Winzern beschlagnahmten Weinen für die Economats.
Die Steuern, die Steuern . . . 1948 ist das Jahr der Währungsumstellung. Man atmet auf, da wird plötzlich durch Kontrollratsbeschluß die Branntweinsteuer, die in der Vorkriegszeit 2,50 Mark betragen hatte, auf 113 Mark erhöht. Ein neuer Rückschlag! Als Vorsitzender des Fachverbandes der Brenner und Destillateure trägt Dr. Schmitz=Both die Sorgen des Gewerbes der Landesregierung von Rheinland=Pfalz vor, die in langwierigen Verhandlungen mit Wirtschaftsrat und Bundesrat und den Militärregierungen eine Herabsetzung der Branntweinsteuer auf 10 Mark erreicht. Am 2. April erfolgt die Freigabe des Destillatlagers durch die französische Militärregierung, nachdem es in langwierigen Verhandlungen neu gekauft werden mußte. Das Jahr 1949 bringt aber auch den Fortschritt, daß die wesentlich erweiterte Brennanlage in Betrieb genommen werden kann.
Limousinlager im Keller des Neubaues
Foto: Jakob u. Helena Steinborn
1950 ist das glückliche Jahr der Freigabe der Brennweineinfuhren. Die alten, gereiften Destillate sind nun der Grundstock einer neuen Produktion. Diese Destillate sind das Herzstück. Der Absatz steigt, so daß im Jahre 1953 der Betrieb wesentlich erweitert werden muß und dann noch einmal im Jahre 1960. 1954 vollzieht sich eine handelsrechtliche Umwandlung von der Offenen Handelsgesellschaft in eine neue GmbH., und 1956 wird hinter die GmbH eine zweite Firma geschaltet, die Gebr. Both GmbH. u. Co. KG zur Beteiligung der den Inhabern Hermann Both und Dr. Leo Schmitz=Both folgenden Generation.
Eine Übersicht der Firmenentwicklung bietet folgende Zahlen: 1938 hat das Haus 65 Mitarbeiter, im Jubiläumsjahr 1961 sind es rund 130 Beschäftigte und 110 im Außendienst. Der Markt ist offen, nickt nur der deutsche, sondern es vollzieht sich die völlige Öffnung des europäischen Marktes — nicht ohne Sorgen zuerst, doch mit geöffneten Perspektiven für die Fässer und Flaschen in den Kellern, reifend und gefüllt mit Weinbrand. „Er macht dort sein Abitur“, hat ein Besucher einmal witzig gesagt, als man ihn vor die wohlduftendten Eichenfässer aus französischem Limousine holz führte. Das war die Stunde, als, auf rheinisch gesagt, auch das Wort geboren wurde: „De Both is joot.“ Das geht gut über die Zunge.