Ahrweiler Sizilianen
Ahrweiler Sizilianen
VON THEODOR SEIDENFADEN
Die Stadt
„Was ich erfuhr, das sah kein Mensch der Stunde:
Jahrhunderte, die in das Lärmen schweigen,
vermess’nes Toben einer wirren Runde,
die, ohne Mitte, sucht, sich zu verzweigen
und glaubt, sie lebe mit dem All im Bunde!
Die Quaderstille, meiner Türme Steigen,
verwurzelt, bleibt Geschichte: hohe Kunde
erdhaften Bauens zwischen Sternenreigen.“
Die Gasse
Geheimnis einer Gasse singt ins Schauen.
Die Fachwerkgiebel sprechen ihre Sagen,
Madonnen über Türen Weltvertrauen,
Inschriften bunter Balkenfrühes Wagen!
Das Sich-Besinnen: hier war’s gläubig Bauen.
Die alte Frau am Fenster kennt kein Klagen,
wie auch des Herbstes Tage wieder grauen!
Sie weiß: „Und stirbst du, dir wird Frühling tagen:“
Auf dem Markt
Ewig-Gespaltenes: nur Liebe kann’s umschließen.
Des Ursprungs Eins-Sein trennte sich – zu gutem Finden.
Unübersehbares muß sich ins All ergießen,
sich zwischen Trauben-Bergen seiner Ahr verbinden.
Und ob auch freche Kriege bestes Blut vergießen:
dein Licht, du Zweiturm-Dorn, heißt die Dämonen schwinden.
Dir bleibt das Höchste: selig jung der Schöpfung Sprießen:
dir, grauer Glockenträger zwischen weisen Linden.
Im Keller
Als träte ich in einer Krypta Ur-Gebete,
die raunen aus gewölbtem, fensterlosem Stein,
umfängt der Keller mich, der Ewigkeit-Durchwehte,
der in den Fuderfässern birgt des Werdens Sein.
Ich wage nicht, zu denken, was in Trauben flehte
und hier sich ausgärt letzter Eitelkeiten Schein.
Mich hat das Wunder einer weltgewissen Stete:
Vernichten zum Vergöttlichen in edlem Wein!