So wurde unser täglich Brot

So wurde unser täglich Brot

VON HEINRICH O. OLBRICH

Der besten Dinge bestes bleibt das Brot“ (aus dem Indischen)

„Die Geschichte feiert die Schlachtfelder, auf denen uns der Tod ereilt; aber sie spricht nicht von den Kornfeldern … Sie ist nicht fähig, uns von dem Ursprung des Weizens zu erzählen. — Welch ein Weg menschlicher Torheit“ (Henri Fahre). Dabei ,,gibt es kein Stückchen Brot in der Welt, an dem nicht Religion, Politik und Technik mitgebacken hätten“ (H.-E. Jacobs). Der Mensch hat rund 10000 Jahre gebraucht, bis es ihm gelang, die Getreidesorten zu entwickeln, deren Körner er anfangs röstete oder als Mus aß. Die Bereitung des Brotes im heutigen Sinne hat noch tausende von Jahren auf sich warten lassen. Darum stellen wir gleich eingangs die Frage: Wer erfand nun das Brot? Wir wissen es nicht mit Bestimmtheit, nehmen jedoch an, daß es die Ägypter waren, deren uralte bäuerliche Kultur sich den ausgeprägten Versuchssinn des Chemikers, der bei diesem Volke sehr früh entwickelt war, dienstbar gemacht hat. Und dieses vieltausendjährige Brot ist bis zum heutigen Tage noch nicht zu Ende gebacken. Zum. Beweis für diese Tatsache mögen wir nur versuchen, unsere verschiedensten Brotsorten der Gegenwart mit dem gesunden und schmackhaften Landbrot unserer Kindheit zu vergleichen. Also geht die Geschichte des Brotes weiter, technisch, religiös, politisch und naturwissenschaftlich. Ja, auch religiös, denn die Geschichte aller großen Religionsgemeinschaften nimmt im Hinblick auf das Brot einen beachtlichen Teil ein.

Alle Kulturreligionen strebten ernsthaft an, „Brotreligionen“ zu werden und zu bleiben. Und unsere christliche Religion? — Bethlehem bedeutet „Platz des Brotes“. Von hier aus ist das Brot des Lebens ausgegangen und wird von der ganzen christlichen Welt verehrt. — Die Bittprozessionen führen die Gläubigen seit jeher auf die Feldfluren und flehen den Segen Gottes für die Feldfrüchte herab, damit das „Brot“ gedeihe. Darüber hinaus hat z. B. die Gemeinde Arem-berg unseres Kreises, wie vielerorts auch, eine besondere „Brotprozession“, die nach einem sehr alten Gelübde am Dreifaltigkeitssonntag die Pfarrkinder zur Schutzengelkapelle führt, wo eine Brotsegnung vorgenommen wird. — Den Höhepunkt in der Brotfeier und Brotsegnung erlebt die katholische Christenheit am Fronleichnamsfeste, wo es gilt, an diesem Tage allen Aufwand, alle Frömmigkeit und tiefe Verehrung der heiligen Hostie durch die Prozessionsteilnehmer darzubringen, jener kleinen Scheibe ungesäuerten Brotes, an der sich nach katholischem Glauben im Meßopfer die Wandlung des Brotes in den lebendigen Leib Jesu vollzieht. Das Erntedankfest ist für uns alle die Besinnung auf das Brot.

Der engste Freund des Brotes in seinem Werden ist der Pflug. Die Menschheit hat in der so langen Entwicklungszeit nichts besseres erfunden, als den Pflug. Er allein war jenes Werkzeug, das den Menschen geholfen hat, ihn in der Gewinnung des Brotgetreides zu unterstützen und die Landschaft zu verändern. Und der Mensch, der von dem hierzu geeigneten Ast zum Aufreißen der Mutter Erde überging zum Spaten und schließlich zum Pflug, lernte sie erst dann werten und lieben. Der Pflug brachte erst das Bewußtsein des Eigentums und damit die Freude am Besitz der Scholle.

Von Anbeginn bis heute beherrscht den Ackerbauer das Verlangen, das Reich der Pflanzen zu vermehren und zu veredeln. Leider sind wir auch heute noch nicht in der Lage, den „Wettkampf der Getreidesorten“ abschließend zu beurteilen. Wohl wissen wir, daß alles Getreide einmal Gras war, dessen geringe Samen den Frühmenschen schmeckten. Jahrtausende aber mußten vergehen, bis es dem unermüdlichen Fleiß der Menschen gelang, aus besonderen Exemplaren bestimmter Gräser den Kulturweizen, den Kulturroggen usw. zu züchten. Entscheidend dabei war nun, daß Pflanzen mit Ähren gezüchtet wurden, welche die Fähigkeit besaßen, ihren Samen bis 7,ur Reife festzuhalten. Nachdem dieses Stadium erreicht war, schuf der Mensch den harten Dreschboden, die Tenne, die zum Schlachtfeld für die Gewinnung des Brotmehls wurde. Es ist bewiesen, daß seit der Urzeit des Menschen der Reihe nach entwickelt wurden: Hirse, Hafer, Gerste, Weizen, zuletzt der Roggen. Durch Columbus wurde in Amerika der Mais entdeckt. — Von diesen 6 Getreidearten lebte und lebt seit 1OOOOJahren die Menschheit. Die Gelehrten, die den Urgeschichtsboden durchforscht haben und noch erforschen, haben je nach Landschaft diese Getreide festgestellt. Das älteste Getreide war die Hirse, die wohl lange vor der Erfindung des Pfluges dem Menschen die wichtigste Nahrung spendete. Nachweislich waren seine Anbauer niemals reich und kriegerisch- Ihre Hauptanbaugebiete waren die großen mongolischen und kirkisischen Steppen sowie Indien.

Die Gerste war das Spezialkorn der Völker im heutigen europäischen und vorderasiatischen Raum. Europäer besiegten mit ihrem neuen kräftigen „Brot“ die Nachbarvölker und verbreiteten die Gerste im ganzen Südostraum des Mittelmeeres bis nach Babylomen und Indien. Die Gerste gedieh zunächst als Sommerfrucht, und zwar nur in besseren Lagen. Sie war für eine Brotbereitung in unserem Sinne wenig geeignet und „wurde als Fladen, die geröstet wurden, genossen. Die Fladen sind bis zum heutigen Tage in der Türkei noch gebräuchlich. — Die Bibel schreibt vom Gerstenbrot als einer etwa zweitrangigen Nahrung.

Der Hafer wurde aus dem Wildhafer zu einem sehr begehrten Brotgetreide entwickelt und diente nicht nur dem Menschen, sondern auch dem Vieh als Nahrung. Trotz seines erkannten hohen Nährwertes wurde er deshalb von den Römern verachtet, von den Germanen und Skythen sehr geschätzt.

Der König des Getreides, der Weizen, wurde von Ägyptern entwickelt, die wiederum angeregt worden sind durch die Züchtungserfolge der Abessinier. Diese hervorragende Getreidefrucht fand zunächst rasche Verbreitung im ganzen Mittelmeerraum. Etwa 3000 Jahre vor Christi genoß der Weizen bei den Ägyptern kultische Verehrung. Die Römer trugen viel zur Veredelung des Weizens bei und förderten seine Verbreitung in dem ausgedehnten Römerreich. Geschichtlich einwandfrei nachgewiesen ist die Entwicklung des Roggens. In der einst sehr guten Weizenlage zu Pontos am Schwarzen Meer sollten Kornschiffe verladen werden, die Weizen nach Rußland zu bringen hatten. Unter den Weizen mischten sich Samen von Kräutern, die bisher niemand kannte.

Mutter segnet das Brot Nach einem Gemälde von Nikolaus Maes

Auch sie kamen zur Aussaat und entwickelten sich auffallend auf dem für sie besonders geeigneten Boden zu starken Pflanzen, die man mit großem Interesse beobachtete. Der Roggen war entdeckt. Überall, wo der Boden bereits weizenmüde wurde, gedieh der Roggen ausgezeichnet. Die unverbrauchte Kraft des neuen Samens entwickelte sich rasch im ganzen europäischen Raum über Deutschland nach England und Frankreich. Es gelang dem Roggen aber nicht, den Weizen zu verdrängen. Die germanisch-russische Roggenplatte beherrscht seitdem bis nach Sibirien den Roggenanbau. In Ostrußland wird heute noch der Roggen als „Schwarzer Weizen“ bezeichnet. Aber auch eine Mischung von Weizen mit Roggen wird in diesem Raum als gern gesehenes Brotmehl geschätzt.

Das Brot, das ein besonderes Erzeugnis des Backprozesses ist, konnte man nicht aus Hirse, Hafer oder Gerste herstellen; vielmehr basiert die Geschichte des Brotes nur auf Weizen und Roggen. Brot, im technischen Sinne gesehen, war eine chemische Erfindung der Ägypter. Es war dies eine der größten Erfindungen überhaupt. Das in einem besonders konstruierten Ofen gebackene Erzeugnis wurde aus Teig hergestellt, der durch Sauerteig aufgelockert wurde. Die eingeschlossenen Gase wollen bei diesem chemischen Vorgang verflüchtigen; aber durch die äußere Hitze werden die Poren immer härtet und halten die Gase fest. Es bildet sich so die Brotkruste, die als Krume das Brot umgibt. Nur der Teig von Weizen oder Roggen hat die Fähigkeit, die Gase festzuhalten. Es ist verständlich, daß dieses so gebackene Brot alle sonstigen Versuche mit Getreidemus oder Fladen rasch verdrängte. Ja, wo seit etwa 6000 Jahren Brot gebacken wurde, steckte sich die Zivilisation der westlichen Welt ab, denn wie kein Ereignis vor oder nach ihm hat das Brot die antike Welt in wirtschaftlicher und geistiger Weise beherrscht. Auf dieser epochalen Erfindung bauten die Ägypter ihr ganzes Verwaltungsleben auf. — Die Israeliten machten das Brot zum Ausgangspunkt ihrer religiösen und sozialen Gesetzgebung. — In Griechenland entstand die „Brotkirche“ von Eleusis, und die Griechen erfüllten sie mit tiefen und festlichen Legenden.— Die Römer aber machten aus dem Brot ein Politikum; „sie herrschten damit, eroberten den Erdkreis und vernichteten ihn um seinetwillen.“

Es kam nun der Zeitpunkt, daß alles, was vorher über das Brot gedacht, gefühlt und gehandelt worden war, Jesus Christus der Menschheit erstand und verkündete: „Esset, ich bin das Brot.“

Die Entdeckung der Backkunst

Wir haben bereits gehört, daß den Ägyptern die Erfindung des Backens aus Weizen zugesprochen wird, die wiederum an gewisse Voraussetzungen gebunden war, denen wir zunächst nachgehen wollen.

Es ist bekannt, daß der Nil mit seinem jährlichen Kreislauf regelmäßig aus seinen Ufern tritt und beiderseits sein Gestade überflutet. Die Regelmäßigkeit dieser Naturerscheinung hat daher auch seit jeher die Jahreseinteilung der Ägypter und damit auch ihre Beschäftigung bestimmt. Sie waren Ackerbauer. Die Nilflut brachte nicht nur das ersehnte Wasser, sondern auch den fruchtbaren Schlamm, der die Ägypter zwang, den so gedüngten Boden sofort sorgfältig zu nutzen. Nach der Überflutung kam ihnen die Sonne zur Hilfe. Die obere Ackerkrume wurde leicht trocken und zerbarst, so daß Luft in die Tiefen eindringen konnte. Ein Pflügen in unserem heutigen Sinne war nicht mehr notwendig; vielmehr wurde der Boden nur leicht aufgerissen. Das Saatgut für das ganze Land wurde durch die staatlichen „Kornschreiber“ ausgegeben und die Aussaat kontrolliert. Nach erfolgter Saat wurden Schafherden über die Felder getrieben, welche die Körner in das Erdreich drückten. Wenn der Weizen reif war, wurden mit Sicheln nur die Ähren abgeschnitten. Der Drusch nur der Ähren war leicht. Die Esel, die die Ähren auf die Tennen brachten, mußten solange auf ihnen herumtrampeln, bis die Ähren leer waren. Die Reinigung des Getreides von der Spreu geschah mit einfachsten Mitteln und war Aufgabe der Frauen. Rund 3000 Jahre hat das ägyptische Volk seinen Königen, den Pharaonen, gedient und wurde von diesen durch seine Staatsbeamten entlohnt, indem es das erforderliche Brotgetreide zugeteilt erhielt, das in besonderen Getreideschatzhäusern unter Kontrolle von Staatsbeamten lagerte. Das ganze ägyptische Volk hat also durch seiner Hände Arbeit die Schatzkammern der Könige gefüllt und wurde dafür von ihnen ernährt, und das Volk war mit diesem Verwaltungssystem zufrieden, obwohl der Hauptteil des Getreides in den Händen der Großen blieb. So hat der Nil auch das ganze Denken der Ägypter gesteuert, denn er brachte alljährlich soviel fruchtbare Ackernahrung, daß nicht nur das Volk satt wurde, sondern auch die Künste gedeihen konnten. Auf diesen ausgeglichenen Voraussetzungen baute sich auch ihre Chemie auf, bis sie eines Tages die Backkunst des Brotes als überrageriste Erfindung erbrachte. Damit hat sich Ägypten schlagartig über die „Brei- und Fladenvölker“ erhoben. — Als die Germanen mit den Römern zusammenstießen, kannten sie nur Hafergrütze; die Slawen noch viel später nur die Kasha, die Hirsegrütze.

Der griechische Geschichtsschreiber Hermlot  klärte seine Zeitgenossen über die Erfindung des Brotbackens auf und wies auf die Praktiken der Ägypter hin, die es eben verstanden haben, mit ihrem Weizenmehl anders umzugehen, als die Nachbarvölker.

Während die Menschheit Furcht hatte vor dem Genuß von an- oder verfaulten Nahrungsmitteln, so sorgten die Ägypter dafür, den hergerichteten Teig kurz säuern zu lassen, ihn also in den ersten Grad der Fäulnis zu versetzen. Der Teig kam in Gärung. Die Sporen von Hefepilzen stürzten sich hierbei auf das Gemisch von Mehl und Wasser. Dieser Vorgang wurde mit großem Eifer beobachtet. Aus der zähen Teigmasse konnten die Sauerbläschen nicht entweichen und blähten und lockerten sie auf. Die dabei entstandene Kohlensäure hinterließ im gebackenen Teig große und kleine Poren.

Dieser von den Ägyptern so veränderte Teig konnte nicht wie einst in der Aschenglut des Herdes gebacken werden. Sie bauten vielmehr dafür besondere Backöfen aus Nilschlammziegeln, die eine zylindrische Form hatten und sich oben zum Kegelstumpf verjüngten. Innen wurde der Raum durch eine Platte geteilt. Der untere Teil war das Feuerloch und diente der Hitzeerzeugung, der obere nahm den in verschiedenen Formen gefertigten Teil zum Backen auf. Durch eine besondere Öffnung zogen die Gase ab. Aber erst dann, wenn der Teig gut durchgeknetet war, wurde er dem Backofen anvertraut. —

Der Erfolg war verblüftend. Durch mehrfaches Bestreichen des hackenden Teiges mit Wasser wurde die Brotkruste schön glänzend. Bald hatten auch die Ägypter erkannt, daß der Sauerteig fortgepflanzt werden kann. Von nun an war er in allen ägyptischen Haushaltungen, indenen Brot gebacken wurde, unter ständiger Beobachtung. Findige Bäcker kamen schon damals darauf, den Teig vor dem Backen mit Mohn, Sesam oder Kampfer zu bestreuen, wodurch verschiedene Geschmacksrichtungen des Brotes erreicht wurden.

Grabmalerei: Ägyptisches Pflügen

Durch die Ägypter wurde der Backofen zum ersten chemischen Versuchsofen, denn der ihm anvertraute Teig wurde durch den Backprozeß zu einem bis dahin noch unbekannten Erzeugnis. Es darf uns nicht verwundern, daß die damals bekannte Welt das Nilvolk wegen dieser umwälzenden Erfindung als Zaubervolk bezeichnet hat. Das waren die „Brotesser“. Die Kenntnis über diese Vorgänge verdanken wir den bis auf den heutigen Tag gut erhaltenen Gräbern der Ägypter und den darin enthaltenen Wandmalereien. Der Geschichtsschreiber Diodor erzählt, daß die Ägypter im Gegensatz zu ihren leicht gebauten Häusern in ihren Gräbern aber Dauerwohnungen der Toten sahen. Diese wurden in Stein gehauen oder aus Stein gebaut. Den mumifizierten einstigen Erdenbewohnern brachten die Ägypter fast täglich Brot und Wein. Die wichtigsten Vorgänge des Lebens stellten sie in Wandbildern dar und suchten so die Toten in ständiger Verbindung mit den Lebenden zu erhalten.

Der nebenstehende Abdruck eines solchen Grabgemäldes, das den Backvorgang darstellt, sagt uns: Kräftige Männer haben den Teig in einem Holztrog mit den Füßen zu kneten. Sie halten Stangen in den Händen, um nicht auf dem Teig auszurutschen (Jahrhunderte später spotteten die Griechen darüber, daß ein Volk den Teig mit den Füßen knetet, aber den Ton mit den Händen bearbeitet). Unter Zutun von Wasser wurde dann der Teig mit den Händen gewalzt und in verschiedene Formen gebracht. Daneben wurde eine Backpfanne von unten angeheizt, auf die mit einer schaufelartigen Zange der Teig gelegt wurde. Ein anderer Helfer beobachtete das Backen. Kleinere Backformen kamen in besondere Öfen.

Das so gewonnene Brot wurde nunmehr nicht nur für die Ägypter die Hauptspeise, sondern nach und nach für alle Völker, soweit sie die Backkunst angenommen haben. Wegen der Gleichheit der Brotformen, also des Gewichts, wurden Brote zu einer Maßeinheit; man zahlte mit Brotlaiben. Viele Brote bedeuteten Reichtum. Jahrhunderte hindurch wurden ganze Völker mit Broten entlohnt. Ein Ackerbauer erhielt damals täglich 3 Brote und 2 Krüge Bier; denn neben dem Gemeinschaftsbackhaus stand meist auch das Brauhaus.

Das Weizenbrot der Israeliten glich an Größe unserer heutigen Semmel. Es war flach geformt und wurde daher nur gebrochen. Ihr ungesäuertes Brot hat sich als Erinnerungsmal an den Auszug aus Ägypten bis in die Gegenwart erhalten; ebenso wie die Hostie ungesäuertes Brot ist. Die ungeheuere Bedeutung des Brotes wurde immer mehr erkannt. So schrieb der Franzose Parmentier (1772) darüber: „Das Brot ist ein großmütiges Geschenk der Natur, eine Nahrung, durch keine andere ersetzbar. Wenn wir krank sind, verlieren wir zu allerletzt den Geschmack am Brote. Sobald wir ihn aber wieder erlangen, ist es ein Zeichen der Genesung. Das Brot entspricht jeder Tageszeit, jedem Lebensalter und jeder Gemütsart; es verbessert die übrige Nahrung. Mit Fleisch oder anderen Speisen genossen büßt es nichts von seinem Reiz ein. Es ist so sehr für den Menschen gemacht, daß, wenn wir kaum geboren sind, wir unsere ganze Gunst ihm zuwenden und daß wir bis zur Todesstunde nie seiner überdrüssig werden.“

Grabmalerei: Ägyptische Brotbäckerei

Was die Form des Brotes anbelangt, haben die Ägypter neben der Rund- und Langform auch Schnecken-, Zopf- und Tierformen gewählt, die bis auf den heutigen Tag Gültigkeit haben.

Der Mais als Brotfrucht

Erstmals wird über den Mais 1492 von Columbus durch die Entdeckung Amerikas berichtet, „daß er wohlschmeckend sei und als Volksnahrung dient“. Die Spanier staunten vor allem über die kurze Wachstumsperiode der bisher unbekannten Maisfrucht, die in 90 Tagen reif war. Der Mais war damals das Volksnahrungsmittel der Neuen Welt.

Der Anbau war, da die Bewohner den Pflug noch nicht kannten, höchst einfach. Es wurden Löcher in den Boden gehackt, 3 bis 4 Maiskörner in den Boden gelegt und leicht behäufelt. Wo der Boden gründlich gedüngt war, gedieh er besonders üppig. Von den Azteken in Mexiko wurde seit malten Zeiten alljährlich den Göttern als Dank für die Maisfrucht ein Jüngling von außerordentlichem Wuchs geopfert. Die eigentliche Entwicklung der Maisfrucht ist bis zum heutigen Tage ungeklärt, obwohl der Mais in der ganzen Neuen Welt verbreitet war. Für den Anbau dieser Frucht trafen die Spanier künstliche Bewässerungsanlagen an, die den römischen Aquädukten nicht nachstanden. Die Priester der Inkas vollzogen die Feier der Sonnenwende mit Maisbroten, die die Form von Äpfeln hatten, und mit Maiswein. Columbus brachte bereits mit der ersten Rückreise die Maisfrucht nach Spanien, wo sie zuerst in der Provinz Andalusien angebaut wurde.

Die Spanier wiederum führten in der Folgezeit ihren Weizen in Amerika ein und suchten, durch Staatsmittel gefördert, dort die „christliche Frucht“ zu verbreiten.

Die Mittelmeervölker, die zu dieser Zeit ausgehungert waren, griffen gern zu dem neuen Volksnahrungsmittel, namentlich in Südeuropa und in der Türkei. Man nannte den Mais das „türkische Korn“. Venedig war der Mittelpunkt des Maishandels (Polenta).

Die Kartoffel als Brotmehl

Im Jahre 1551 lernten die Spanier die Kartoffel und ihren sorgfältigen Anbau kennen. Sie aßen sie geröstet oder gekocht, fanden sie zwar im Geschmack eintönig aber sättigend. Als die Kartoffel nach Italien kam, hieß sie „Tartuffole“. Die Franzosen nennen sie „pomme de terre“ und die Engländer „potato“. Daß die Kartoffel den Deutschen und anderen Völkern als Volksnahrungsmittel erst mit staatlicher Autorität aufgezwungen werden mußte, ist bekannt.

Besonders in Frankreich, jenem verwöhnten Weizenland, wurde die Kartoffel abgelehnt. An ihrem mehligen Charakter hat man aber doch erkannt, daß sie auch als Brotmehl Verwendung finden könnte. Als die Ernährungslage in Frankreich immer bedrohlicher wurde, errichtete man in Paris unter staatlicher Aufsicht eine besondere Bäckerschule, die das Kartoffelmehl als Ausgleich für das schrumpfende Getreidemehl erproben und anpreisen mußte. Die „Revolution um das Brot“ konnte aber nicht mehr verhindert werden. Heute wird das Grabmal Parmentiers, des eifrigen Verfechters der Kartoffel in Frankreich, alljährlich mit Kartoffelstauden bepflanzt. Die Franzosen schufen mit Hilfe der Kartoffel eim Einheitsbrot, genau so, „wie im 17. Jahrhundert durch die Kartoffel die drohende Hungersnot in England verhindert wurde. Was wir Deutsche der Kartoffel als Gemüse und Brotzusatz zu verdanken haben, ist rühmenswert.

Der Bäcker, der älteste Gcwerbestand

Die Geschichte der Ägypter berichtet uns laufend, daß mit der Erfindung des Brotbackens das ganze Volk an der Steigerung der Weizenernten beteiligt war. Es diente zwar damit dem Alleinbesitzer des Weizenbodens, dem Pharao und seinen Großen, sorgte aber mit Fleiß auch für sich selbst, um das nötige Brot zu erarbeiten. Dieses gleichgerichtete Sinnen und Trachten des ägyptischen Menschen bestimmte auch die Struktur der Verwaltung dieses Landes. Der Staat richtete unter Aufsicht von Beamten Großbäckereien ein, und die Bäcker nahmen durch ihre öffentliche Mitarbeit im Staat Vertrauensstellungen ein. Sie bildeten einen eigenen neuen Stand, der seine besondere Gewerbeordnung erhielt.

Die Völker, die als nächste Nachbarn von den Ägyptern die Kunst des Brotbackens übernommen haben, wie die Israeliten und die Römer, entwickelten gleichfalls den Stand der Bäcker, der nur in den Städten wirksam wurde und sich zu Zünften zusammenschließen mußte. Schon das alte Jerusalem hatte eine Bäckerstraße, wo die Meister und Gesellen, deren Lehrzeit genau umrissen war, wohnten. Das schöne Weizenmehl wurde allerdings zu jener Zeit in den verschiedensten Spielarten für die Reichen verbacken, indessen die Masse der Juden sich von Gerstenbroten nähren mußte.

Auch die Römer förderten mit der Übernahme der Backkunst den Bäckerstand, der anfangs zum größten Teil von Sklaven vertreten wurde. Geschickte Sklaven des Bäckerhandwerks erhielten oft die Freiheit und brachten es zu großem Reichtum.

Das deutsche Mittelalter weist die gleichen Erscheinungen in der Entwicklung dieses Standes auf.

Bäckereien, wie sie Jahrhunderte vor Christi bestanden haben, können wir heute noch in Süditalien besichtigen.

Im Jahre 79 nach Chr. wurden bei einem gewaltigen Ausbruch des Vesuvs die Städte Herculaneum und Pompeji durch glühende Aschenmassen verschüttet. Die gesamte Kultur dieser Städte schien mit dem Auslöschen aller Lebewesen vernichtet, bis die Ausgrabungen der Archäologen erkennen ließen, daß die Anlagen der Straßen und die Steinhäuser mit ihren Einrichtungen erstaunlich gut erhalten geblieben sind. Selbst prächtige Wandgemälde und Wasserleitungen in den Häusern scheinen kaum beschädigt.

Der Verfasser dieses Beitrages hatte im Hl. Jahr 1925 als Leiter eines Pilgerzuges aus Oberschlesien nach Rom und Süditalien Gelegenheit, unter Führung eines Archäologen das ausgegrabene Pompeji zu besichtigen. Er zeigte uns u. a. eine römische Bäckerei, wie sie also vor mindestens 2000 Jahren im Betrieb war. Mit der Bäckerei war eine Mühle verbunden. Nun standen wir vor dem großen Backofen. Wir konnten bald erkennen, daß sich die Bauweise unserer Backöfen nur unwesentlich von der damaligen Bauweise verändert hat. Wir bewunderten die Sorgfalt, mit der die römischen Ofenbauer die leichtgewölbten Ziegelöfen mit einem viereckigen Vorraum umgeben haben, der die erhitzte Luft festhielt. Ein Rauchzug sorgte für die Entlüftung und Wasserbehälter ermöglichten es, daß während des Backprozesses die Rinde des Brotes mit Wasser bestrichen wurde, um einen bräunlichen Glanz der Krume zu erreichen. Der Teig wurde in einer besonderen Backstube vorbereitet, wofür Gefäße und Tische aus Marmor vorhanden waren. Gemälde an den Wänden erläuterten und bestätigten uns die damaligen Handhabungen der Bäcker. An der Straßenfront war der Bäckerladen mit marmornen Tischen und Regalen ausgestattet. An der Wand gegenüber dem Verkaufsstand befand sich eine Freske: die römische Ofengöttin Fornaxschaut mit Wohlgefallen auf das Brot. — Ihr wurde alljährlich von den Römern ein Volksfest bereitet.

Aber der Mensch soll „im Schweiße seines Angesichts“ sein Brot essen. Der wahre Sinn dieses Wortes ist von der Menschheit erst nach vielen Jahrhunderten erkannt worden. Die Geschichte aller Völker Europas zeigt auf, daß die Menschen dieses Kontinents bis ins späte Mittelalter immer wieder von schweren und schwersten Hungersnöten heimgesucht -worden sind, deren furchtbare Auswirkungen in der menschlichen Gesellschaft kaum zu schildern sind.

Aber als die Ackerbaukultur schon beachtliche Fortschritte gemacht und auch gute Ernten erbracht hat, gab es immer auch Zeiten, wo dem. Wohlergehen der Übermut auf dem Fuße folgte. Man wich dem geforderten Schweiß geflissentlich aus und übersah die Verpflichtung der gründlichen Ackerpflege. Es folgten Hungersnöte, Aufruhr und schließlich Kriege. Immer erst nach Zeiten des Unglücks kamen die Menschen zur Besinnung und erkannten erneut, daß die Mutter Erde liebevoll, verständig und im Schweiße des Angesichts gepflegt werden muß, um immer neues und gutes Brot für alle zu scharfen. — Wir Menschen der Gegenwart haben, bis auf geringe Ausnahmen, den Hunger erlebt und auch erst unser Gebet richtig verstanden: Unser täglich Brot gib uns heute.