Der Kölner Kurfürst Maximilian Friedrich und die Wüllenweber-Zunft zu Adenau

VON HANS KLEINPASS

Eine von dem Kölner Kurfürsten und Erzbischof Maximilian Friederich am 15. April 1780 erlassene „Edictal-Verordnung in Betreff der Einführung ausländischer Wullentücher“ ist in mehrfacher Hinsicht interessant und für die Stadt Adenau sogar von lokalhistorischer Bedeutung. Rein stilistisch zeichnete sich das Amtsdeutsch der damaligen Zeit durch seine vielfach unmäßig langen Sätze aus, über die auch heute noch oft berechtigte Klage geführt wird. Mancher wird daher den folgenden Text der alten Edictal-Verordnung wohl zweimal lesen müssen, um den Sinn ganz zu erfassen:

„Von Gottes Gnaden Wir Maximilian Friederich, Erzbischof zu Köln, des heiligen Römischen Reichs durch Italien Erzkanzler und Kurfürst, Legatus Natus des heiligen apostolischen Stuhls zu Rom, Bischof zu Münster, in Westphalen und zu Engern Herzog, Burggraf zu Stromberg, Graf zu Königsegg-Rottenfels, Herr zu Odenkirchen, Borkelohe, Werth, Aulendorf und Stauffen etc.

Demnach Uns mißfalligst zu verrnehmen vorgekommen, was missen mehreren von Unseren Herren Vorfahren an der Kur, wie auch Uns selbsten vor und nach erlassenen, aller Orten behörend verkündeten Edictal-Verordnungen ohngeachtet, noch immer ausländische Handelsleute, besonders die sogenannte Brabänder sich unterstehen, auch ausserhalb denen gewöhnlichen Jahr- und Wochenmärkten mit Wüllentüchern, Kirseyen, und dergleichen Waaren in Unserm Erzstifte zu hausiren, und solche mit der Ehle zu verkaufen, weniger nicht auf den gestatteten öffentlichen Jahr- und Wochenmärkten zu schmale und allzustark gestreckte, die erforderliche Breite von neun Viertel binnen Leist nicht habende Tücher feil zu halten; Wir aber dem von daher dem gemeinen Mann sowohl als Unseren eigenen Erzstiftischen nach ihren Artikulen sich betragenden Tuch-Fabrikanten zuwachsenden Schaden, Betrug und Unterschleiffen ein für allemal gnädigst abgeholfen wissen wollen; Als verbiethen Wir nicht nur denen Ausländern und sogenannten Brabändern hiermit wiederholter überhaupt, gestalten sich allen obgedachten Hausirens ausser denen Jahr- und Wochenmärkten bey wirklicher Confiscations-Strafe sothaner ihrer Waaren gänzlich zu enthalten, sondern auch denenselben, als wohl Unseren Einheimischen bey nämlicher Strafe keine allzustark gestreckte, und obengemeldte Breite binnen Leist nicht habende Tücher auf den gewöhnlichen Jahr- und Wochenmärkten feil zu halten, jenen Ausländeren aber, in deren Land, und Staaten Unseren Landes-Unterthanen die Einführung der Wullentücher und gleicher Waaren durchaus verbothen ist, verbiethen wir auf gleiche Art und gleiche Strafe, weder auf noch aussen besagten Märkten und zu keiner Jahreszeit solche Tücher und Waaren in Unsern Erzstift zum Verkauf einzubringen; Wir wollen, und verbiethen annebenst, daß zu desto besserer Flor und Aufnahm Unserer dermalen wohl bestellter Wüllenweber-Zunft zu Adenau in Unserm Amt Nürburg keine Landes-Wolle von den angränzenden fremder Landen Unterthanen, in deren Staaten denen Unsrigen ein gleiches verbothen ist, vor St. Laurenii aufgekauft, widrigens solche bey Ertappung des Ankäufers nicht nur confiseiret, sondern auch der Verkäufer mit gemessener Brüchten-Strafe dafür anversehen werden solle; Womit sich nun niemand mit der Unwissenheit dieser Unserer gnädigster Verordnung entschuldigen möge, so befehlen wir, daß solche sowohl von den Kanzlen öffentlich verkündet, als sonsten gewöhnlicher Orten affigiret werde. Urkund dieses. Geben in Unserer Residenzstadt Bonn, den 15ten April 1780.

Maximilian Friedcrich Kurfürst (L. S.) Vt. F.J. Haes.“

Zum Schütze des einheimischen Gewerbes gab es im Kurfürstentum Köln, zu dem seit 1276 auch das langjährige kurkölinsche Amt Nürburg gehörte, zahlreiche kurfürstliche Verordnungen, die fremden Händlern entsprechende Beschränkungen auferlegten. Aus den Jahren 1656, 1681, 1682 und 1752 sind Verordnungen der Kölner Kurfürsten bekannt, wonach ausländischen Händlern das Feilhalten von Textilwaren nur auf den privilegierten Jahr- und Wochenmärkten gestattet war. Die Händler und Hausierer hielten sich offenbar häufig nicht an die kurfürstlichen Edikte und mußten daher 1780 erneut auf die bestehenden Verbote hingewiesen werden. Der Kölner Kurfürst und Erzbischof Maximilian Friederich schloß sich mit dieser Verordnung den Maßnahmen seiner Vorgänger zum Schütze der Wirtschaft des Kurfürstentums an. Wüllentücher, Kirseyen und dergleichen Waren durften also nicht im Hausierhandel angeboten werden. Die auf den Jahr- und Wochenmärkten feilgehaltenen Tücher mußten zudem die erforderliche Breite von „neun Viertel binnen Leist“ haben und durften nicht allzu stark gestreckt sein. Diese Weisungen waren namentlich an die sogenannten „Brabänder“, d. h. an die Tuchhändler aus Brabant gerichtet. Durchaus gerecht war auch die Bestimmung, wonach Wüllentücher usw. nur aus solchen Ländern eingeführt werden durften, die selbst kein Einfuhrverbot hatten.

Kurfürst Maximilian Friederich wirbt sodann für die „ . . . dermalen -wohl bestellter Wüllenweber-Zunft zu Adenau . . . „, eine Formulierung, die über den werbenden Charakter hinaus wohl als einzigartiges Lob für diese Adenauer Zunft zu werten ist. Zum Schütze der Adenauer Wüllenweber-Zunft durfte schließlich in den angrenzenden Ländern vor St. Laurentii keine Wolle aufgekauft werden. Anderenfalls wurde die Ware „confiscirct“, und der Verkäufer mußte mit einer angemessenen „Brüchten-Strafe“ rechnen.

Adenau, im damals noch kurkölnischen Amte Nürburg, durfte sich diese kurfürstliche Werbung sicher als hohe Ehre anrechnen. Die Wollweberzunft in Adenau muß bereits vor 1700 bestanden haben. Sie wuchs bis 1788 auf 141 alte Meister an und wird damals einschließlich der Gesellen und Lehrlinge, der Wollspinner, Färber, Tuchspinner und Walker rund 100Ü Personen beschäftigt haben. Von diesem Wirtschaftszweig der Stadt Adenau wurde in der Folgezeit immer wieder berichtet. Restorff erwähnt 1830 die Tuch-, Wollenzeug-und Leinwebereien von Adenau. Im Rheinischen Antiquarius heißt es 1864: „ . . . Adenau selbst mit 268 Häusern . . zählt an 1600 Einwohner, die von Viehzucht, Kramerei, Wollenweberei sich nähren, wiewohl das hier gefertigte blaue Tuch weniger beliebt geworden ist, seit die feineren Stoffe dem zu Wohlstand gelangten Landmann zugänglich geworden sind …“

Adenauer Tuch hat jedoch immer noch einen Namen von alters her und kann auf eine sehr alte und bedeutsame Tradition zurückblicken. Historisch interessant ist schließlich auch die Art der Verbreitung dieser kurfürstlichen Edictal-Verordnung von 1780. Sie mußte sowohl in den Kirchen „von den Kanzlen öffentlich verkündet“, als auch „gewöhnlicher Orten affigiret“ werden. Unabhängig von dem Inhalt der Edikte wurde diese Form der Bekanntmachung im 17. und 18. Jahrhundert sehr oft angewandt, was sich an vielen Beispielen nachweisen läßt. So mußten z. B. die Pfarrer 1696 die Biersteuer und 1718 die Verpachtung der Rheinfähre bei Linz von der Kanzel verkündigen. Edikte verbreitete die kurkölnische Hofkammer durch Vorlesen von den Kanzeln bzw. durch öffentlichen Anschlag. Oft wurde ersteres durch die Pfarrer verweigert, was 1788 zu einer Beschwerde vor dem Kurfürsten und zu Auseinandersetzungen mit dem Kölner Vikariat führte. Die für den öffentlichen Aushang gelieferten Druckstücke der alten Edictal-Verordnungen hatten etwa die Größe des heutigen Formates DIN A 4. Die in einem kreisförmigen Aufdruck enthaltenen Buchstaben „L. S.“ bedeuten „Locus Sigilli“ (Ort des Siegels). Schließlich enthält die hier besprochene Edictal-Verordnung von 1780 neben der gedruckten Unterschrift des Kurfürsten noch den abgedruckten Sichtvermerk (Vt. — vidit — gesehen) von F. J. Hacs, einem kurkölnischen Beamten. Geheimrat Haes, verstorben 1786, war nach zeitgenössischen Dokumenten Lehndirektor und als geheimer Referendar für weltliche Angelegenheiten Mitglied der kurkölnischen Staatskonferenz.