Burg und Herrschaft Wensberg
VON IGNAZ GÖRTZ
Verläßt man bei Liers das Ahrtal und wandert das stille Lierstal aufwärts, so gelangt man zur Ruine der Burg Wensberg, einst Mittelpunkt der gleichnamigen Herrschaft. Heute liegt die Wensburg abseits vom großen Verkehr. Früher stand sie jedoch an einer verkehrsmäßig günstigeren Stelle. Führt doch der Weg durchs Lierstal weiter über Gut Hospelt zum Michelsberg und von hier weiter über die Wasserscheide zwischen Ahr und Erft nach Osten oder Westen oder hinunter ins Erfttal nach Münstereifel. Durch einige Seitentäler, die bei der Wensburg das Lierstal weit öffnen, führen Verbindungswege nach Sierscheid, nach Harscheid und weiter nach Schuld, nach Rupperath, über Lind nach Kreuzberg oder ins Sahrtal und über Plittersdorf nach Effelsberg. Die zentrale Lage der Wensburg wird noch augenscheinlicher, wenn man im Prümer Güterverzeichnis vom Jahre 893 feststellt, daß in Hospelt, Effelsberg, Lind, Kreuzberg, Pützfeld und Kesseling Herrenhöfe des Klosters standen. Diese Tatsache macht es auch wahrscheinlich, daß schon vor dem Bau der Wensburg in dieser Talverbreiterung eine fränkische Hofanlage stand. Die Burg Wensberg wird im Jahre 1401 zum erstenmal urkundlich erwähnt, als Dietrich von Gymnich dem Erzbischof Friedrich von Köln das „Haus zu Wentzzbergh mit allen synen Muren, Portzen, Graven, Vurburge ind Getzymmere ind mit alle syme Beforengen“ als Lehen und Offenhaus aufträgt. Die Burg wird im 14. Jahrhundert neuerbaut oder anstelle einer älteren Anlage errichtet worden sein. Eine Parallele bietet Burg Kreuzberg, die räumlich nicht weit entfernt, auch im kölnischen Amt Altenahr gelegen, im Jahre 1343 durch Ritter Cuno von Vischenich von Ahrweiler mit Genehmigung des Erzbischofs Walram von Köln erbaut wurde und mit der gleichnamigen Herrschaft Altenahrer Burglehen war. Bei der Wensburg handelt es sich um eine kleinere Anlage, wie es die noch vorhandenen Bauereste ausweisen. Wenn im Jahre 1833 berichtet wird, daß „die nahe zwei Morgen einnehmende Burg“ teilweise abgebrochen wurde, so enthält diese Flächenangabe diegesamte Ausweitung innerhalb des äußeren Burgberinges. Von der Burg ist heute noch erhalten der im 19. Jahrhundert renovierte Turm mit Teilen des inneren Berings sowie die von zwei spitzbogigen Toröffnungen durchbrochene äußere Ringmauer. Früher stand bei dem Bergfried eine Burgkapelle, die dem h!. Georg geweiht war. Sie wird schon 1300 erwähnt, als für sie ein Ablaßprivileg ausgestellt wird, l §32 wurde sie mit ändern Teilen der blitz abgebrochen. DieGlocke vom Jahre 1793 kam m die Kapelle zu Obliers (vgl. hierzu Kunstdemkmäler der Rheinprovinz, Kreis Ahrweiler .
Wie schon erwähnt, wird als erster Besitzer von Burg und Herrschaft Wensberg genannt: Dietrich von Gymnich. verheiratet mit Katharina von Saffenburg. Dietrich besaß pfandweise das Amt Altenahr und wurde 1389 Amtmann zu Altenahr. Seit 1383 ist er im Besitz des Altenahrer Burglehens Uprath. das später an die von Blankart zu Ahrweiler kam. Am 22. Oktober 1405 testiert er und vermacht seiner Frau u. a. das Altenahrer Burglehen Uprath mir allem Zubehör, sowie die Hälfte des zu Altenahr und zu Wensberg vorfindlichen Hausrats und der Lebensmittelvorräte. 1420 erklären Dietrich von Gymnich und Katharina von Saffenburg ihr Einverständnis, daß Frambach von Birgel Haus Wensberg dem Engelbert von Orsbeck und seinen Verbündeten, den Vertretern des Kölner Erzbischofs übergeben hat.
Dietrichs Sohn Johann, den eine Urkunde vom 13. Februar 1443 Herr zu Wensberg nennt, hatte eine Tochter Katharina, die gemäß der Eheberedung vom 25. März 1446 im Alter von 14 Jahren dem 12jährigen Johann von Helfenstein zur Ehe versprochen wurde. In der Eheberedung wird u. a. festgesetzt, daß Burg und Herrschaft Wensberg sogleich den künftigen Eheleuten zufallen soll.
Ruine Wensberg
Am 21. Dezember 1454 stellt Johann von Helfenstein der Jüngere für Erzbischof Dietrich von Köln einen Lehnsrevers aus über das Haus Wensberg, „Offenhaus und Lehen“, sowie „dem Artland, einem Burglehen zu Aldenahr“. Dieses „Artland“ waren 1 Morgen l Viertel Weingarten und l Viertel 1 1/2 Pinten Ackerland zu Altenahr, mit dem eine Stimme bei der Wahl des Altenahrer Pfarrherrn verbunden war. Der Altenahrer Pfarrherr wurde gemäß dem Altenahrer Burgrecht vom Jahre 1166 mit den 15 Stimmen der sog. Burgmänner, das sind die Inhaber von Altenahrer Burglehen, gewählt. Einer dieser Burgmänner war der jeweilige Herr von Wensberg.
Die Eheleute Johann von Helfenstein und Katharina von Gymnich verkauften unter Vereinbarung eines Rückkaufrechts Wensberg an Engelbert von Orsbeck, Gatten der Elisabeth von Gymnich. Am 4. Mai 1506 bestätigt Johann von Helfenstein den von seinen Eltern getätigten Verkauf und verzichtet auf einen Rückkauf. Dafür zahlt ihm Dietrich von Orsbeck 200 Goldgulden als Abfindung. In der Eheberedung für Dietrich von Orsbeck und Katharina, Tochter des verstorbenen Arnold von Gymnich und der Margarete von Buschfeld, vom 21. August 1514 bringt Dietrich u. a. Wensberg in die Ehe, „wie es seine Eltern Wilhelm von Orsbeck und Sofia von Vlatten zuvor besessen“. Im Jahre 1539 verpfändet Kurfürst Hermann von Köln dem Dietrich von Orsbeck und seiner Ehefrau Irmgard von Diepenbroch für ein Darlehn von 2000 Goldgulden die aus 15 Dörfern bestehenden Kirchspiele Mutscheid und Rupperath mit „allen Rechten, Gericht, hoher Obrigkeit und Gerechtigkeit, Renten, Schatz, Diensten, Gefallen, Bruchteil und Wetten, Jagd, Fischerei und allem Zubehör“. Dieses Pfand blieb bei der Herrschaft Wensberg.
Von Dietrich von Orsbeck ging die Herrschaft Wensberg auf seinen Sohn über, Wilhelm von Orsbeck, Amtmann der Grafschaft Neuenahr und jülicher Kanzler.
Am 10. Juli 1560 läßt Wilhelm von Orsbeck vom Gericht zu Wensberg, „im Kalkofen“ genannt, ein Weistum über Grenzen und Gerechtigkeit des Hauses Wensberg aufstellen. In der zweiten Acht sprechen die sieben Scheffen und der Schultheiß dem Herrn von Wensberg zu „Gebot und Verbot, Wassergang und Glockenklang und alle gewaltigen Sachen, Rauch und Brand“. Er hätte demnach die niedere und hohe Gerichtsbarkeit gehabt, wie sie die Herren von Gymnich in der auch zum Amt Altenahr gehörenden Herrschaft Vischel besaßen. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß dieses Weistum falsch ist und dem Haus Wensberg die hohe Gerichtsbarkeit nicht zustand. Im Jahre 1596 berichten die Amtsangehörigen, daß das Altenahrer Gericht auch für die Dingstühle Herschbach, Lind und Wensberg Hauptgericht sei, an dem jeder Amtsangehörige Berufung einlegen könne. Hier ist zu beachten, daß Kanzler Wilhelm von Orsbeck versuchte, die Herrschaft Wensberg und das dazugehörige Dorf Herschbach vom Amt Altenahr zu trennen und als jülichsches Lehen zu deklarieren. Beim Wildförstergeding zu Herschbach am 26. September 1588 wird festgestellt, daß die Achten des Altenahrer Wildförsterweistums nicht strittig seien, jedoch „de verbo ad verbum“ niedergeschrieben würden, „weil Kanzler Orsbeck vor Jahren viele Punkte abstritt“. Ergänzend berichtet Kellner Wolffin diesem Protokoll, daß zwar die Honschaften Herschbach und Kalkofcn (= Wensberg) unzweifelhaft zum Amt Altenahr gehörten, daß aber Kanzler Orsbeck „die beiden Honeschaften als sein Eigentum an sich genommen und damals auch die Brüchten und was sonst dem Erzbischof und Kurfürsten von Köln zusteht, für sich genommen“. Am 7. Dezember 1596 bestellt Amtmann Heinrich v. d. Horst „den gantzen landman“ (alle Amtsangehörigen) nach Pützfeld, um das Grenzweistum des Amtes Altenahr festzustellen. Hier wird auch wieder erklärt, daß Wensberg und Herschbach zum Amt Altenahr gehörten, daß aber die Einwohner der beiden Honschaften und ihr Herr sich vom Amt Altenahr absondern wollten. Während ähnliche Bestrebungen in der Herrschaft Kreuzberg und in der Vogtei Kesseling durch das energische Eingreifen des Altenahrer Amtsmannes unterbunden wurden, kommt es zwischen dem Amt und der Herrschaft Wensberg bzw. dem Dorf Herschbach in den folgenden 200 Jahren zu weiteren Auseinandersetzungen, wobei keine der streitenden Parteien einen vollen Erfolg erringen konnte.
Auf Wilhelm von Orsbeck folgt in der Herrschaft Wensberg sein Sohn Engelbrecht. Engelbrecht von Orsbeck war Amtmann der Grafschaft Neuenahr. Am 1. Juli 1601 kauft er vom Kloster Steinfeld dessen Besitzungen im Gericht Mutscheid und Sierscheid, u. a. die Güter zu Plittersdorf, die in der Folge bei der Herrschaft Wensberg blieben. Engelbrecht starb 1615. 1623 stirbt Eremunt von Orsbeck, Herr zu Wensberg. Engelbrechts Tochter Maria heiratete Dietrich von Braunsberg, Herrn zu Burgbrohl. Anna von Braunsberg, Tochter des Dietrich und der Maria von Orsbcck, heiratete 1635 Caspar von Bourscheidt zu Oberbüllesheim und brachte demselben u. a. die Herrschaft Wensberg zu. Als Herr zu Wensberg folgt dem Caspar von Bourscheidt sein Sohn Johann Friedrich. Von den Söhnen des Johann Friedrich wird 1695 Carl Josef als Herr zu Wensberg bezeichnet, doch erhielt bei der Erbauseinandersetzung Philipp Anton Damian von Bourscheidt Wensberg. Des letzteren Sohn, Franz Karl Freiherr von Bourscheidt zu Burgbrohl trat am 14. August 1760 die Herrschaft Wensberg an seinen Schwager Franz Friedrich Freiherrn von Lützenrode ab, der 1800 starb.
Über den Besitz und die Einkünfte der Herrschaft Wensberg berichtet Gerichtsschreiber Conrad Surges in einer Zusammenstellung vom 31. Mai 1695: „Wensberg hat drei Untertanen in drei Wohnhäusern. Einen Förster, einen Halbwinner (Pächter) auf dem Hof Wensberg und einen Pächter auf dem dabei liegenden Laubachshof mit einer Mahlmühle.“ Diese drei Untertanen und ihre Familien sind die Bewohner der eigentlichen Herrschaft, des Gebietes um die Wensburg. Dieses Gebiet umfaßte zwar rund 1100 Morgen, war aber größtenteils bewaldet. Der größere Teil der Untertanen, Besitzungen und Einkünfte des Hauses Wensberg lag verstreut in der Umgebung, wie aus den folgenden Ausführungen hervorgeht. Dem Herrn von Wensberg gehörten die Bochholzbacher Mühle am Bochholzbach zwischen Ohlerath und Rupperath, eine Öl- und Mahlmühle zu Schuld sowie drei kurmütige Lehnsgüter zu Niederadenau. In Hönningen war der Herr von Wensberg Erbvogt. Er hatte dort „Ge- und Verbot, auch über Hals und Bauch zu richten. Der Kurfürst von Köln hatte das Schwert.“ Um Hönningen stand Wensberg Jagd und Fischerei zu. Im Dorf Hönningen hatte Wensberg ein Hofrecht und einige Ländereien. Wie schon oben festgestellt, gehörte zum Haus Wensberg Dorf und Gericht Herschbach. Von 80 kurmütigen Gütern wurden dort jährlich 20 Gulden Schatz (Steuer) gezahlt. Nach Absterben des Lehnsträgers war das beste Rind oder dessen Gegenwert abzugeben. Der Zehnte an Flachs, Hanf, Lämmern und Ferkeln wurde geteilt zwischen dem Pastor von Herschbach (1/3) und Wensberg(2/3). Der Wensberger Anteil betrug jährlich rund 25 Pfd. Flachs, 5 Pfd. Hanf, 6 Lämmer und 2 Ferkel. Außerdem zahlten die Herschbacher von jedem Pferd l/2 Malter Hafer. Bei einem Aufkommen von 12 bis 13 Malter pro Jahr hatte Herschbach demnach 25 Pferde. Wer kein Pferd hatte, mußte jährlich 12 Albus Dienstgeld zahlen. Schließlich hatte das Haus Wensberg m Herschbach noch einen eigenen Gutshof mit Mahlmühle, der verpachtet war. Im 18. Jahrhundert kommt Herschbach infolge Erbteilung zur Herrschaft Burgbrohl. Aus den 15 Dörfern der Kirchspiele Mutscheid und Rupperath, die zusammen einen Dingstuhl im kurkölnischen Amt Hardt bildeten, wurden jährlich abgeliefert: 181 Gulden an Geldabgaben, 142 Malter Hafer, 30 Malter Roggen, 24 Lämmer, 4 Ferkel, 45 Hähne. Dazu kamen noch die Abgaben der 1601 vom Kloster Steinfeld erworbenen Güter. Von diesen Dörfern gehört heute nur Obliers zum Kreis Ahrweiler.
Eingangstor
Foto: Görtz
Obliers hatte damals 7 Häuser, gehörte zum Amt Hardt, war aber nach Lind eingepfarrt. Die Hälfte des Zehnten von Obliers erhielt der Pastor zu Lind.
Plittersdorf gehörte zur Hälfte den von Wolfskehl, die das Altenahrer Burglehen Effelsberg besaßen. Die andere Hälfte gehörte zum Haus Wensberg. Gericht in Plittersdorf hielten die beiden Herren abwechselnd. Die fünf Untertanen des Hauses Wensberg mußten in Kriegszeiten auf der Wensburg Wachtdienste leisten. In Altenahr besaß der Herr von Wensberg das schon 1454 erwähnte Artland, dem die Stimme bei der Pfarrerwahl anhaftete. 1695 wird notiert, daß die Weingärten in Altenahr „dem Frost sehr unterworfen sind“.
Im jülichschen Hümmel und Marthel hatte das Haus Wensberg den Zehnten, der jährlich 2 Malter Hafer einbrachte. Außerdem werden noch Effelsberg, Ripsdorf und Wiesbaum genannt, die jedoch nicht im heutigen Kreis Ahrweiler liegen.
Von der Familie von Lützerode erwarb Kaspar Anton Sommer 1817 die Güter Wensberg und Hospelt, die am 17. Februar 1821 an die Brüder Johann Franz und Franz de Sales Biolley zu Verviers weiterverkauft wurden. Im Jahre 1825 kauften die Brüder Jakob Josef und Andreas Josef Franz von Grand Ry zu .Hupen den Besitz, verkauften ihn aber schon 1831 an Karl Theodor Risch zu Reifferscheid (Kreis Schieiden). Karl Theodor Risch leistete sehr viel Arbeit auf den Gütern Hospelt und Wensberg. Hr sammelte die noch vorbildlichen, die beiden Güter betreffenden Archivalien, er ließ 1832 die sehr wahrscheinlich baufälligen Teile der Burg abbrechen und renovierte den Turm. Außerdem befaßte er sich, nach dem Zeugnis seiner Zeitgenossen, „mit Culluranlagen zum Gedeihen der ganzen ziemlich sterilen (unfruchtbaren) Gegend“. Durch Erbfolge kam der Besitz an Geschwister Scheib, die ihn an die Familie Cramer, Düsseldorf, verkauften, in deren Besitz das Gut Wensberg sich noch heute befindet.