P. Otto Fuhrmann OMl aus Niederzissen und der Fliegende Pater Paul Schulte
VON JOSEF KREUTZBERG
Der im Jahre 1895 in Niederzissen im Brohltal, Kreis Ahrweiler, geborene Otto Fuhrmann wurde im Jahre 1922 zum Priester geweiht. Als Oblatenpater wurde er 1923 in die Mission geschickt und starb am 23. Juni 1925 auf vorgeschobenem Missionsposten in Afrika an Lungenentzündung und Malaria. Kein großes Schicksal, keine welterregenden Leistungen in seinem Leben. Und doch: Es gibt Gräber, die ihren Mund nie schließen, die eine Botschaft in die Welt schreien, die Botschaft dessen, der im Grabe liegt. Die Welt hört sie, den Ruf eines Gandhi, eines Kennedy, eines Martin Luther King, Otto Fuhrmann war das Kind bäuerlicher Eltern eines Eifeldorfes, in dem eine fromme katholische Atmosphäre herrschte. Er besuchte die Volksschule, übersprang mehrere Klassen und wurde Schüler des humanistischen Gymnasiums in Andernach. Bei seiner ersten hl. Kommunion am 7. 4. 1907 stand sein Beruf für ihn fest, und seine Eltern kamen seinem Wunsch entgegen und brachten ihn in das Oblatenkolleg nach Valkenburg in Holland. Hier schloß er Freundschaft mit einem gleichaltrigen Studiengenossen, Paul Schulte. Beide bestanden zusammen das Abitur, beide traten zugleich ins Noviziat der Oblaten ein. Mit Ausbruch des Krieges 1914/18 erfuhr die Ausbildung eine Unterbrechung. Sie wurden zur Fahne einberufen und brachten es fertig, in das gleiche Regiment (4. Garderegiment Augusta, Berlin) eingestellt zu werden. Sie waren „lange Kerle“, über 1,90 m groß. Schwere Schlachten und Kämpfe hatten sie zu bestehen, wobei ihre Freundschaft und Kameradschaft sie immer fester aneinanderbanden. Paul Schulte schildert seinen Freund so: „Otto Fuhrmann war mir während zweieinhalb Jahren im Ersten Weltkrieg der liebste Kamerad. Damals war er wie ich Student, wir dienten bei einem Garderegiment. In Ost, West und Süd hielten wir treu zusammen, bis das Lazarett uns trennte: er zog weiter nach Italien, ich südwärts nach Palästina. Warum waren wir im Felde so eng miteinander befreundet, daß wir alle Freude, alle Sorge, aber auch das tägliche Brot und jede Liebesgabe teilten? Wir wurden oft für Brüder gehalten. Was mich an ihn fesselte, war sein mannhaft gerades Wesen, rauh die Schale, echt der Kern. Er war ein lauterer Kamerad.
Aus seiner religiösen Gesinnung machte Otto keinen Hehl und praktizierte sie offen. In seiner Gegenwart fiel kein unanständiges Wort. Er gewann mehr und mehr Freunde. Feinde hatte er keine. Als Vorgesetzter war er geliebt, nicht gefürchtet, treu den Kameraden in Not und Gefahr. Galt es, Kameraden zu helfen, lachte er der Maschinengewehre, des Trommelfeuers und der Strapazen.“ In Palästina hatte Paul Schulte unterdessen Geschmack und Freude an der Fliegerei gefunden. Er wurde Feldflieger.
Die beiden Freunde überstanden den Krieg und trafen sich wieder zum Studium der Philosophie und Theologie in den Oblatenklöstern Hünefeld bei Fulda und Engelport an der Mosel. Im Jahre 1922 wurden beide zu Priestern geweiht. Nicht lange danach wurde P. Otto Fuhrmann in die Mission nach dem ehemaligen Deutschsüdwestafrika geschickt. Nachdem er sich dort kurz eingelebt hatte, ging er 1924 in das Ovambuland, ein Gebiet mit 300 000 Einwohnern in der ehemaligen deutschen Kolonie. Er war hier der erste Missionar, Im Auftrage seines Bischofs Msgr. Gotthardt baute er unter unsäglichen Mühen in einem mörderischen Klima eine Missionsstation mit einer Kirche in Ukuambi auf, das einige hundert Kilometer weit hinter Urwald, Flüssen und Sumpf lag. P. Fuhrmanns Missionsarbeit bei den wilden Ovambos zeitigte die ersten Früchte, da überfiel ihn bereits nach einem Jahr eine Lungenentzündung mit einer tropischen Malaria dazu. Er mußte schon bei den Wilden Ansehen und Zuneigung gefunden haben; denn sie versuchten, den Kranken durch den Urwald hindurch zu einem Hilfslazarett der evangelischen finnischen Mission in Oniipa zu transportieren. Der Schwerkranke wurde auf einen Eselskarren gebettet, jedoch waren die Wegehindernisse so unüberwindlich, daß die Schwarzen den Todkranken fünf Tage und Nächte lang auf den Schultern ans Ziel brachten. Eine Missionsärztin bemühte sich aufopfernd um ihn. Nach einer scheinbaren Besserung starb er am 23. Juni 1925. In der Nähe der Mission wurde er bestattet.
Die Nachricht des Bischofs über den Opfertod P. Fuhrmanns traf in der Heimat niemand härter als seinen Freund P. Paul Schulte. Er schreibt: „Dieser tapfere Kamerad, dieser heldenmütige katholische Priester und Missionar, Pionier Gottes und des Vaterlandes auf weit vorgeschobenem Posten, sank allzu früh ins Grab, Opfer einer tückischen Krankheit nach einer anstrengenden Expedition, Tagelang schleppte man den Todkranken auf den Rücken der Eingeborenen. Gab es denn gar kein Mittel, ihn zu retten?“ Dann: „Wäre ich mit einem Flugzeug drüben gewesen, so hätte ich meinen Freund wohl retten können. In 2 1/2 Stunden! Es war ein Jammer, zusehen zu müssen, wie die Besten starben, obwohl ein geeignetes Verkehrsmittel vorhanden war. Tausend Hände sah ich bittend ausgestreckt aus den Urwäldern Afrikas, aus dem Inselgebiet Australiens, aus den Schneehütten der Eskimos, den Savannen Südamerikas: Kommt herüber und helft mit euren schnellen Verkehrsmitteln, mit Kraftwagen, Motorbooten und Flugzeugen.“ Das waren die Gedanken und Stimmungen, die P. Schulte unablässig bewegten, als ich ihn damals kurz nach P. Fuhrmanns Tode kennenlernte. Er hatte sich als Volksmissionar in Deutschland heiser gepredigt und kam in das Krankenhaus zu Köln, wo ich damals als junger Assistenzarzt tätig war. Paul Schulte war so besessen von seiner Idee, die Mission mit motorisierten Fahrzeugen zu versorgen, daß es für ihn kein anderes Gesprächsthema mehr gab, und er uns alle ansteckte. Indes, er war ein armer Ordensmann, und die Aufgabe, die er sich gestellt hatte — Christus entgegen zu Wasser, zu Lande und in der Luft — forderte Geld, Verbindung und Mithilfe. Eines Nachmittags lud ich mit bewußter Absicht P. Schulte und einen anderen Patienten unseres Krankenhauses auf meine bescheidene Assistentenbude zum Kaffee ein. Ich stellte meine Gäste einander vor. Der Pater trug dem Prälaten seine Ideen so leidenschaftlich vor, daß Prälat Mosterts mit der gesamten Jugendorganisation des damals noch ungeteilten Erzbistums Köln hinter P. Schule trat. Wenige Tage später kam eine Audienz bei Kardinal Schulte zustande. Die Miva — Missionsverkehrsarbeitsgemeinschaft — war geboren. Präsident wurde der Fürst zu Löwenstein, i. Vorsitzender Konrad Adenauer, Geschäftsführer P. Paul Schulte. Die Miva fand Hilfe und Anhänger in Deutschland, Österreich/ Holland und der Schweiz. Unzählige Kraftwagen, Flugzeuge, Motorräder, Motorschlitten und Treibstoff gingen in die Mission. Andererseits organisierte P. Schulte, der während des Zweiten Weltkrieges in Amerika interniert war, in der folgenden Notzeit den Versand von 14 ooo Liebesgabenpaketen aus USA nach Deutschland. Später kam noch eine neue Aufgabe hinzu, die Diaspora-Miva für die Ostzone. 2000 Priester wurden motorisiert, 600 große Busse für den Kirchgang der Gläubigen bereitgestellt.
Reproduktion: Kreisbildstelle
Das Werden, Wachsen und der Segen der Miva können hier nur in Andeutungen gestreift werden. Die vier Bücher des „Fliegenden Paters“ über seine Erlebnisse von Afrika bis in die Arktis geben davon Zeugnis. Im Jahre 1930 ist P. Schulte in Afrika, um das Grab seines Freundes Otto aufzusuchen, Er läßt es öffnen und überführt die Gebeine auf den Friedhof der von Otto Fuhrmann gegründeten und jetzt blühenden Missionsstation Ukuambi. Wir sehen auf dem Umschlagbild seines Buches „Der fliegende Pater in Afrika“ den hünenhaften P. Schulte in Tropenuniform vor einem offenen Grab stehen. In den Händen hält er den Totenschädel seines Freundes und hat eine letzte stumme Zwiesprache mit ihm: „Otto, Otto.“ Im Hintergrund wartet das Flugzeug, Otto! Man kann den Namen von vorn und hinten lesen und sprechen. Am Anfang ist das Ende, im Ende der Anfang beschlossen. Die Mitte bleibt. Nomen est omen? Ist der Name das Sinnbild seines Lebens und Todes gewesen? Sein Opfertod rief ein weltweites Hilfswerk ins Leben/ und deshalb soll das Andenken unseres Landsmannes gesegnet sein und bleiben.