Das Fenster zum All. 100-m-Teleskop in der Eifel – Größte Anlage der Welt in Effelsberg

Das Fenster zum All. 100-m-Teleskop in der Eifel

Größte Anlage der Welt in Effelsberg

VON HARRY LERCH

In den Himmel geblickt haben die Menschen seit eh und je. Nicht nur die Romantiker zur Maiennacht — die klügsten Köpfe der alten Völker haben die Gestirne beobachtet, ihre Wandelbahnen, ihr Heraufsteigen und Versinken am Horizont und nicht zuletzt folgten die Heiligen Drei Könige einem zu jener Zeit besonders hellen Stern, den sie als Fixpunkt ihres Aufbruchs nach Bethlehem nahmen. Die Sternkundigen gaben den Sternbildern so schone Namen wie Cassiopeia, Andromeda und Orion, Kreuz des Südens, Sirius und Großer Wagen, Waage und Milchstraße.

Gegenüber der Astronomie als älteste Wissenschaft der Kulturvölker seit fünftausend Jahren ‚ist die Radioastronomie ein Baby. Bis vor vierzig Jahren waren Spiegelteleskop, Fernrohr und Fotografie die Hilfsmittel zur Beobachtung des Kosmos. Erst in den dreißiger Jahren entdeckte man, daß die Erde ständig Radiowellen aus dem All empfängt. Mit dem Kriegsende ging man daran, planvoll das zu empfangen und zu messen, was aus Millionen Milchstraßensystemen in Wellen zur Erde dringt.

Übrigens: Um ein Haar wäre das 100-Meter-Teleskop ins stille Aubachtal oberhalb von Neuwied gekommen, doch dann entschied sich das Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie für das Tal von Effelsberg. „Weshalb im Tal?“ fragen wir Professor Dr. Otto Hachenberg, der mit den Kollegen Prof. Dr. Peter Mezger und Prof. Dr. Richard Wielebinski den Bau dieses Teleskops geleitet hat und nun die Station in Besitz nimmt. „Unser Gerat ist windempfindlich. Für Effelsberg sprach auch, daß kein Flugplatz in der Nähe ist, denn Radarstationen stören den Empfang.“ Der Gemeinderat von Effelsberg staunte nicht wenig, als vor vier Jahren „ein richtiger Professor“ zu ihm kam, im Dorfkrug über Wissenschaft zu reden begann und bat, im Dienste der Wissenschaft diesen Talkessel abzutreten. Nachdem alle sich vergewissert hatten, dieses Teleskop sei „nichts Militärisches“, sagten dreißig Besitzer von schmalen Handtuchstreifen im Tal zu. Dieses Teleskop ist mit 100 Meter Durchmesser der größte, voll bewegliche Parabolreflektor der Welt.

Wenn das Fernrohr der Sternkunde „das Auge“ ist, liegt der Vergleich nahe, dieses Teleskop sei „ein Ohr“ für die „Stimmen aus dem All“. Doch das ist ungenau. Empfangen werden nicht nur Wellen, sondern auch elektromagnetische Strahlungen der Milchstraßensysteme. Was kann die Radioastronomie den bisherigen Beobachtungen von Vorgängen aus dem All hinzufügen? Ein solches Teleskop dringt in größte Tiefen des Weltenraumes vor und ergänzt die mit dem Fernrohr bisher gemachten Beobachtungen. Die Radioastronomie „sieht und hört“ in Weiten des Weltenraumes, die mit dem besten Fernrohr gar nicht mehr wahrzunehmen sind. Das Weltall öffnet sich . . . Dazu hören wir: „In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Radiospektrallinien entdeckt, die von Atomen und Molekülen (also von den Bauteilen unserer Welt) aus dem Weltall ausgesendet werden. Die Radioastronomie hat Himmelskörper entdeckt, deren Existenz niemand ahnte.“

Alles sammelt sich im Brennpunkt dieses Spiegels, wird aufgenommen und an den Empfänger gegeben, auf dem Schreiber oder einem Magnetband aufgezeichnet. So sind alle Aufzeichnungen stets parat, selbst dann, wenn einmal „keiner hinhört“. Vom Magnetband werden die Daten auf einer elektronischen Großrechenanlage weiterverarbeitet.

Radio-Teleskop
Foto: Kreisbildstelle

So einfach sieht es sich an. Gebaut wurde das Fundament und der Spiegel sowie das tragende Gitternetz auf eine Abweichung von l Millimeter — eine ungeahnte Genauigkeit und Festigkeit. Im übrigen arbeitet das dieses Teleskop betreuende Max-Planck-Institut mit Prof. Graham Smith vom. englischen Jodrell-Bank-Institut zusammen, geplant ist die Verständigungskette um den gesamten Erdball. Gearbeitet wird gerne nachts, weil dann die Störungen der Umwelt am geringsten sind. Interessant ist auch das: m diesem Institut arbeiten als Techniker viele Seeleute. Das hat seinen guten Grund: Wer zur See gefahren ist als Navigationsoffizier, will einmal seßhaft werden. „Einen Vorteil hat das für uns“, sagt Prof. Hachenberg: „Die kennen den Himmel und das Koordinatensystem.“ Prof. Hachenberg zu den Aufgaben des Teleskops: „Uns interessiert u. a. das Werden und Vergehen der Sterne. Vielleicht Bekommen wir dadurch Aufschluß über das Entstehen der Atome, außerdem beschäftigen uns Löcher im Weltenraum, die „Black Koks“.

Angesprochen auf die Vermutung von Leben auf anderen Sternen: „Leben auf anderen Sternen halte ich grundsätzlich für möglich, auch daß diese Wesen Signale ausstrahlen. Denn Leben ist nicht so kompliziert, daß es einmalig nur auf unserer Erde vorkommen muß. Die Natur ist immer einfach. Man hat auch im Weltraum Formaldehyd gefunden, das verwandt mit lebensähnlichen Formen ist… Doch, überlassen wir die Endeckung solcher Lebenszeichen dem Zufall. Wer sagt denn, daß ein anderes Lebensystem sich gleichzeitig auf derselben Stufe befindet? Vielleicht liegen wir mit unserer Entwicklung früher oder später als ein anderes. Vielleicht sind andere Kulturen schon längst erloschen,“

Beteiligt sich das Institut Effelsberg am Satelliten-Programm der Mondfahrt? Prof. Hachenberg: „Im weiteren Bereich, etwa beim Sonnensatelliten Helios oder bei Marssonden, werden wir Signale auffangen und Daten erfassen“.

Am 12. Mai wurde dieses Teleskop eingeweiht.