Rotweinwanderweg – Treffpunkt der Freunde des Wanderns und des Weins

Der Rotweinwanderweg entstand ..
Foto: Kreisbildstelle

Rotweinwanderweg

Treffpunkt der Freunde des Wanderns und des Weins

VON IGNAZ GÖRTZ

Am 3. Juni 1972 übergab Landrat Korbach in Anwesenheit vieler Wanderfreunde, einer Reihe von Ehrengästen und einem starken Aufgebot von Presse, Rundfunk und Fernsehen den Rotweinwanderweg der Öffentlichkeit. In vier Gruppen waren vorher die Wanderfreunde diesen neuen Weg im Zeichen der roten Traube in Abschnitten gewandert, hatten bei warmer Junisonne die herrliche Landschaft der Ah r erlebt und in den durchwanderten Lagen den Ahrburgunder gekostet. Voller Begeisterung trafen alle in der „Schieferlay“ zwischen Mayschoß und Rech ein, wo die offizielle Übergabe stattfand.

Im Kreise der Wanderfreunde erläuterte Landrat Korbach den Gedanken des Rotweinwanderweges, der ein Gebiet erschließt, das dank seiner Felslandschaft bevorzugtes Wandergebiet und gleichzeitig Deutschlands größtes geschlossenes Rotweingebiet ist. Dieser Weg schafft die Möglichkeit, die Menschen an der Sonne wandern zu lassen, die Landschaft und den Weinbau unmittelbar zu erleben und den köstlichen Rebensaft zu genießen.

In launigen Worten begrüßten auch die anwesenden Weinköniginnen der Weinbau orte diese Verbindung von Wandern und Wein mit dem Wunsch, „daß durch diesen Weg alle Freunde des Wanderns auch Freunde des Weins, und alle Freunde des Weins auch Freunde des Wanderns werden“. Liedvorträge und Böllerschüsse umrahmten die feierliche Enthüllung der Gedenkplatte, mit der jedoch dieser Tag nicht zu Ende ging. In froher Runde feierte man weiter, oben auf dem sonnigen Wanderweg und unten in den Weinbaugeminden, wobei natürlich dem Ahrburgunder die gebührende Referenz erwiesen wurde.

Der Rotweinwanderweg

Seit der offiziellen Übergabe sind viele Wandergruppen und Einzelwanderer diesen Weg gewandert, ein Zeichen dafür, daß dieser Rotweinwanderweg einem dringenden Wunsch der Freunde des Ahrtals, seiner Landschaft und seines Weins entspricht.

Die Felslandschaft ist seit rund 150 Jahren Wandergebiet. Örtliche Spazier- und Wanderwege gibt es in Fülle. Wirtschaftswege erschließen die Weinlagen. Aber diese vielen Wege sind immer nur auf den einzelnen Weinbauort ausgerichtet, während der Rotweinwanderweg nun die überörtliche Verbindung und damit die Möglichkeit schafft, die Weinbergslagen des gesamten Weinbaugebietes ununterbrochen zu durchwandern, durch die Weinberge von Ort zu Ort zu ziehen und in den Wcinbauorten, die Gewächse der durchwanderten Lagen im Pokal zu kosten.

Der Rotweinwanderweg führt von Altenahr, oberhalb Reimerzhoven und Laach, nach Mayschoß und weiter über Rech, Dernau, Marienthal, Walporzheim, Ahrweiler, Lantershofen, Bad Neuenahr, Heppingen und Heimersheim nach Lohrsdorf. Von allen Weinbauorten ist eine Verbindung zum Auf- oder Abstieg gegeben. Man braucht nur der Markierung des Weges, der roten Traube, zu folgen. Wer sich vor und während der Wanderung informieren will, wird die vom Eifelverein in Zusammenarbeit mit dem Kreis Ahrweiler herausgegebene Wanderkarte „Das Ahrtal“ mitnehmen, in der nicht nur der Rotweinwanderweg und alle Örtlichen Wanderwege eingezeichnet sind, sondern auch Wissenswertes über Land und Leute im Bereich des Rotweinwanderweges berichtet wird.

Die Gesamtlänge des Weges ist rund 30 Kilometer. Dabei ist jedem kundigen Wanderer klar, daß man diesen Weg durch die Sonnenhänge nicht in einem Tag schaffen kann und auch nicht soll. Wer diesen überwiegend im Hang, aber auch über die Höhen führenden Weg, zwischen Weinbergen und bizarren Felsformationen wandert, kann manchen Wanderkilometer doppelt anrechnen. Es wäre auch nicht im Sinne dieses Rotweinwanderweges, möglichst viele Kilometer hinter sich zu bringen. Der Rotweinwanderweg soll die wechselvolle Felslandschaft, das Weinbaugebiet und auch die Weinbauorte erleben lassen.

Die Landschaft

Die Felslandschaft des Ahrtals wird bestimmt vom devonischen Gestein des Rheinischen Schiefergebirges, das stellenweise durchbrochen wird von vulkanischem Gestein der Tertiärzeit. Die unterschiedlich starken, häufig wechselnden weicheren Schiefer- und die härteren Grauwackeschichten sind die Ursache für die vielen zerklüfteten Felspartien.

Auf ihrem Weg zum Rhein hat sich die Ahr in die Hochfläche der Ahreifel eingegraben. Im mittleren Ahrtal bei Kreuzberg stieß sie auf die härteren Gesteinsschichten. In großen Schleifen muß nun das Hindernis umflossen werden. Der Taleinschnitt ist sehr eng, stellenweise nur 80 m breit, so daß Fluß, Straße und Eisenbahn nicht nebeneinander Platz fanden, und die Eisenbahn in den Hang aus weichen mußte und durch Tunnels geführt wird. Tief ins Gestein schnitt sich der Fluß ein und legte überraschende Felsformationen frei: steilauftragende Felsen, glatte Felswände, bizarre Felsgrate und überhängende Felsnasen. Die ideale Landschaft für den Romantiker, aber nicht minder für den Geologen! Und zwischen die Felsen eingefügt die unzähligen weinbepflanzten Terrassen, die einmal die von Natur schwache Bodenkrume am Hang halten, zum ändern durch die veränderte Neigung des Hangs die Wirkung der Sonneneinstrahlung steigern.

Foto: Kreisbildstelle
Blick vom Rotweinwanderweg ins Ahrtal

Unterhalb des Felsentores der „Bunten Kuh“ wird von Walporzheim abwärts das Tal weiter, erreicht eine Breite von rund einem Kilometer, aber auch hier begleitet von den Weinbergsterrassen an den Sonnenhängen. Beherrscht wird dieser Teil des Tals von den vulkanischen Kuppen der Landskrone und des Neuenahrer Berges, deren Existenz auf den vulkanischen Ursprung der Heilquellen dieses Raumes hinweist.

Das Weinbaugebiet

Eine Wanderung auf dem Rotweinwanderweg bedeutet auch Bekanntwerden mit dem Weinbaugebiet, dem Wein und der oft schweren Arbeit der Winzer. Dabei darf daran erinnert werden, daß das Weinbaugebiet Ahr nicht nur das größte geschlossene Rotweingebiet Deutschlands ist, sondern auch das nördlichste geschlossene Weinbaugebiet der Welt. Weinbau ist nur dank des günstigen Sonderklimas möglich, das auch den Wanderern zugute kommt: Geringe Niederschläge und verhältnismäßig lange Sonnenscheindauer, da das Ahrtal im Windschatten der Hocheifelhöhen liegt; außerdem für die nördliche Lage noch hohe Durchschnittstemperaturen durch Speicherung der Sonnenwärme im zerklüfteten Schiefergestein. Das Weinbaugebiet Ahr umfaßt eine bebaute Rebfläche von rund 650 Hektar. Der durchschnittliche Ertrag eines guten Weinjahres kommt auf rund 30000 Hektoliter Most. Die wichtigsten Rebsorten sind Früh- und Spätburgunder, Portugieser, Riesling und Müller-Thurgau.

Wahrscheinlich pflanzten die Römer den ersten Wein an der Ahr. Sicher prägt er seit rund 1200 Jahren das Gesicht der Landschaft und ist mitbestimmend für das Schicksal der Orte und ihrer Bewohner. Urkundliche Erwähnungen reichen zurück bis ins 8, Jahrhundert. Das Güterverzeichnis der Benediktinerabtei Prüm nennt im Jahre 893 größeren Weinbergsbesitz in acht Orten des Ahrtals. Zur Zeit der Salier und Staufer dehnte sich der Weinbau an der Ahr stark aus. Neben den adeligen Grundherren hatten während des Mittelalters 28 Stifte und Klöster Weinbergsbesitz im Ahrtal. Die Säkularisation griff stark in die Besitzverhältnisse ein und störte so den Absatz der Ahrweine, die vorher größtenteils von den adeligen und geistlichen Grundherren übernommen wurden. Hinzu kam in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine verstärkte Einfuhr billiger ausländischer Weine und sogar die Herstellung künstlicher Weine, so daß die Winzer der Ahr in große Not gerieten. Aus dieser Situation schritten sie zur Selbsthilfe. Im Jahre 1868 wurde in Mayschoß die erste Winzergenossenschaft der Welt gegründet, der bald weitere in den Nachbarorten folgten.

Das Problem unserer Tage ist die Verbesserung der Ertragsstruktur der Weinbaubetriebe sowohl auf der Absatzseite als auch in der Produktion, hier vor allem Beseitigung der Kleinparzellierung durch Zusammenlegung; die in einigen Gemeinden im Gange ist und der wir beim Wandern im unteren Teil des Rotweinwanderweges begegnen.

Die Weinbauorte

Neben dem Erlebnis der Landschaft und des Weins vermittelt der Rotweinwanderweg die Bekanntschaft mit einer Reihe von Weinbaugemeinden, die in alten Kellergewölben oder stimmungsvollen Weinstuben und Gaststätten den edlen Ahrwein kredenzen, die aber auch geprägt sind von einer reichen Geschichte und bedeutende historische Denkmäler besitzen. Es würde hier zu weit führen, die einzelnen Denkmäler aufzuführen, die Burgruinen und Rittersitze, die Kirchen und Kapellen, die alten Bürger- und Winzerhäuser, Wegekreuze und Grabmäler und manch anderen Zeugen der Vergangenheit.

Sie alle berichten von der wechselvollen Geschichte des Gebiets und der Orte. Daß hier schon die Römer siedelten, daß die meisten Orte auf die Zeit der fränkischen Siedlungsperiode zurückgehen, wird nur noch durch die Orts- und Flurnamen und Bodenfunde belegt. Aber aus der Zeit des hohen Mittelalters, der Zeit des höfischen Ritterlebens, in der die jüngsten Siedlungen des Tals bei der Ansiedlung von Winzern zur Bebauung der sich ausdehnenden Weinbergsflächen entstanden, ist manches Denkmal erhalten.

Burgen und Stadtmauern berichten von der politischen Entwicklung des Gebiets, das einst zum fränkischen Ahrgau gehörte, dann größtenteils zum Bereich der Grafschaft Are, um schließlich in verschiedene Herrschaftsgebiete zu zerfallen. So zerrissen sich die Felslandschaft dem Auge zeigt, so zerrissen waren auch die politischen Verhältnisse bis zur französischen Revolution. Wäre man vor 1794 den heutigen Rotweinwanderweg gewandert, man hätte auf seiner Wanderung fünfmal das Herrschaftsgebiet gewechselt.

Die starke Zertalung verhinderte jede Verkehrserschließung. Der Wein wurde auf dem Rücken der Winzer oder mit kleinen Karren über die nördlichen Höhen weggeschafft. Nach 1800 wurde durch die französische, und nach 1815 durch die preußische Regierung der Straßenbau verstärkt durchgeführt. Im Jahre 1834 fand der Bau der ersten Straße durchs Ahrtal von Ahrweiler nach Altenahr mit der Eröffnung des Straßentunnels bei Altenahr, dem ersten in preußischen Landen, seinen Abschluß. Mit den ersten Besuchern kamen die Dichter und Maler der Romantik, die das bis dahin unbekannte Tal in der Welt bekannt machten. Die Zahl der Besucher stieg von Jahr zu Jahr, angelockt von der romantischen, noch unberührten Landschaft, dem Wein und der Ursprünglichkeit und Gastlichkeit der Bewohner. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab die Entdeckung der Heilquellen und die Entstehung des Bades Neuenahr dem Fremdenverkehr im Ahrtal starken Auftrieb. Heute bestimmt der Fremdenverkehr neben dem Weinbau entscheidend das Bild der Orte, in denen in über 100 Jahren im Kontakt mit dem Gast eine leistungsfähige Gastronomie gewachsen ist.

Zur Gewinnung neuer Freunde dieser Landschaft, des Weins und der Orte im Weinbaugebiet Ahr wurde nun der Rotweinwanderweg geschaffen. Hoffentlich folgen bald ähnliche Wanderwege! Wie Landrat Korbach bei der Eröffnung des Rotweinwanderweges feststellte, wird der Kreis Ahrweiler jede Initiative unterstützen, die die landschaftlichen Besonderheiten der zum Kreis gehörenden Gebiete erschließt. Umfaßt doch der Kreis Ahrweiler neben dem Weinbaugebiet Ahr, eine Reihe bekannter Heilbäder, die Landschaft am Rhein, das Vulkangebiet im Bereich des Laacher Sees und des Brohltals und das weite Gebiet der waldreichen Eifelhöhen!

Foto: Kreisbildstelle 
Wegweiser Rotweinwanderweg