Sankt Antonius mit dem Schwein

VON J. H. FOLLMANN +

St. Antonius, der Eremit, – um diesen Heiligen handelt es sich – war um die Mitte des 3. Jahrhunderts in Mittelägypten geboren. Er machte schon als Knabe die Bekanntschaft der Einsiedler, die unweit der Besitzungen seiner recht begüterten Eltern in Felshöhlen lebten, wohin sich manche wegen der Christenverfolgungen zurückgezogen hatten und dort verblieben waren. Der Umgang mit ihnen brachte Antonius dazu, nach dem frühen Tod seiner Eltern auf die ererbten Reichtümer zu verzichten und sich dem Einsiedlerleben in der Wüste zu widmen. In späteren Jahren sammelte er eine Vereinigung von Eremiten um sich, als deren väterlicher Leiter er hochbetagt im Jahre 356 starb. So lautet auch sein kirchlicher Titel zu seinem Fest am 17. Januar „Antonius Abbas“.

Aus seinem Grab in der Wüste kamen seine Gebeine erst nach Alexandria, dann nach Konstantinopel. Nach der Überlieferung wurden sie von einem byzantinischen Herrscher einem französischen Ritter geschenkt und gelangten gegen 1070 nach Frankreich in die Kirche eines kleinen Dorfes der Landschaft Dauphine, das schon bald darauf den Namen Sainte-Antoine erhielt, im heutigen Departement Tsere gelegen. Damals bedeutete eine solche „Translation“ der Gebeine eines Heiligen ein geradezu epochales Ereignis im Hinblick auf die Verehrung, die man in jenen Zeiten den Reliquien der Heiligen entgegenbrachte. Wie man bereits im frühen Christentum die Gräber der Märtyrer zum Gebet besuchte, so kamen bald viele Hilfesuchende zum Grab des Mönchsvaters Antonius, der schon früh große Verehrung genossen hatte und zu seinen Lebzeiten als weiser Ratgeber von bedeutenden Personen seiner Zeit aufgesucht worden war. Der Zustrom mehrte sich, als der Sohn des französischen Adligen Gaston Guerin am Grab des Heiligen Genesung von der Krankheit des Antoniusfeuers gefunden haben sollte.

Foto: Kreisbildstelle
St. Antonius Eremita (Hemmesscner Kapelle)

„Antoniusfeuer“

Selten sieht man noch heutzutage zur Erntezeit aus den Roggenähren jene unheimlichen braunviolett-schwarzen Mutterkörner herausragen, die Mutterkornpilze (claviceps purpurea), die auf Mensch und Tier sehr schädlich wirken können, wenn sie mit dem Getreide gemahlen und genossen werden. Dies hat in alten Zeiten häufig zu schlimmen Massenerkrankungen geführt. Sie gingen einher mit Gefäßkrämpfen der Beugemuskeln, mit Rötungen an den Extremitäten, besonders an Fingern und Zehen, die oft in fressende Geschwüre ausarteten und die befallenen Glieder durch Zersetzungen und Umwandlungen des Blutfarbstoffs bräunlich-schwarz, wie verbrannt, erscheinen und gar verfaulen ließen. „Ignis sacer“ – „Heiliges Feuer“ nannten die Römer diese Krankheit, „Antoniusfeuer“ hieß sie bei unseren Altvorderen. Diese Namengebung deutet auf eine auch anderweitig zu beobachtende Erscheinung: Man pflegte mit der Krankheit den Namen des Heiligen zu verbinden, der als Fürbitter gegen sie angerufen wurde. So nannte man Fallsucht und ähnliche krampfartige Anfälle „Veitstanz“ oder „St.-Veltens-Plag“, weil St. Veit und St. Valentin dagegen helfen sollten, „Urbans-Plag“ hieß aus ähnlichem Grunde die Gicht. Und da St. Antonius als Helfer gegen die oben angeführte Krankheit galt, bekam sie den Namen „Antoniusfeuer“.

Heute ist sie, von der Medizin „Ergotismus gangraenosus“ benannt, fast unbekannt. Erkenntnis ihrer Ursachen und verbesserte Reinigung des Saatgutes haben ihr den Garaus gemacht.

Bevor es im 17. Jh. dem französischen Arzt Tuillier gelungen war, im Mutterkornpilz die Ursache der Krankheit zu finden, stand man ihrer rätselhaften Ursache und ihren Auswirkungen recht hilflos gegenüber. Immer wieder flackerte die Krankheit in den Roggen anbauenden Gebieten Europas auf, besonders dann, wenn in schlechten Jahren die Brotfrucht zu frisch gemahlen und genossen wurde, bevor das Mutterkorngift durch längere Lagerung seine Wirksamkeit weitgehend verloren hatte. Von einer erfolgreichen ärztlichen Therapie weiß man nur wenig. Ein Straßburger Arzt berichtet um 1517 von über 100 Amputationen, die er an Erkrankten vorgenommen habe. Man hat herausgefunden, daß auf dem Tafelbild des Isenheimer Altars, das den Besuch des hl. Antonius bei dem Einsiedler Paulus darstellt, eine Reihe von Heilpflanzen abgebildet ist, von denen man annimmt, daß sie zur Bereitung von Heilmitteln gegen die Krankheit des Antoniusfeuers Verwendung gefunden haben: Breiter Wegerich (Plantago major), Spitzwegerich (Plantago lanceolata), Klatschmohn (Papaver rhoeas), Eisenkraut (Verbena officinalis), Knolliger Hahnenfuß (Ranunculus bulbosus) = St.-Antoni-Röslein, Drüsenwurz = herba Divi Antonii (Scrophularia aquatica), Taubnessel (Lamium album), Quecke (Triticum repens). Man weiß von einem Antoniusbalsam, Antoniuswasser und Antoniuswein, der den Kranken gereicht wurde, nachdem er den kirchlichen Segen – oft durch Hineintauchen einer Antoniusreliquie – erhalten hatte. Dies alles zeigt, daß die geplagten Menschen wirksamen Trost und Hoffnung auf Genesung kaum anders als im Gebet finden konnten. Man pilgerte von nah und fern zum Grab des Heiligen nach Sainte-Antoine, um auf seine Fürsprache Heilung zu erbitten:

O Heiliger Herr Antoni gross
Erwirb uns gnad on underlass
Aplass der Sund Gots huld und gunst
Behuf uns vor deim schweren prunsst!

Die Antoniter

Der gewaltige Zustrom von Pilgern ließ bald das Problem der Beherbergung und sonstigen Betreuung der vielen Kranken entstehen. Unter Beteiligung des oben genannten französischen Edelmanns gründete man eine Bruderschaft von Laien, welche sich dieser Aufgaben annahm. Nach päpstlicher Bestätigung von 1095 entstand aus der Laienvereinigung der „Antoniusbrüder“ nach und nach ein geistlicher Orden, der die Augustiner-Regel annahm. Die furchtbaren Wirkungen und die Verbreitung der Krankheit spiegeln sich in der Tatsache, daß die Bruderschaft in verhältnismäßig kurzer Zeit bereits hunderte von Außenstellen hatte, alle dem Kloster in Sainte-Antoine unterstellt: von Portugal bis zur Düna, von Schottland bis nach Ungarn und darüber hinaus. Noch vor 1200 entstand die erste deutsche Niederlassung in Roßdorf bei Hanau, später in Höchst am Main; Alzey, Isenheim (Elsaß), Memmingen, Grünberg (Oberhessen), Köln u. a. m. hatten größere Niederlassungen, Präzeptoreien genannt, zu denen zahlreiche andere „Antoniushäuser“ gehörten. Vielfach wurden bei ihnen zur Beherbergung von Kranken auf dem Wege nach Sainte-Antoine oder zu deren Pflege am jeweiligen Ort Hospitäler gegründet, denen die Ordensregel die Aufnahme der am Antoniusfeuer Erkrankten ausdrücklich vorschrieb. Die Erstellung dieser Häuser, der Unterhalt der Kranken und des Pflegepersonals erforderten naturgemäß namhafte Mittel. So dienten diese Häuser auch als Ausgangs- und Stützpunkt der „Terminierer“ (Almosensammler). Kenntlich an dem blauen T-förmigen Antoniuskreuz, das sie an ihrem schwarzen Gewand trugen, durchstreiften sie mit päpstlichen Empfehlungen, oft eine Reliquie (ein „Heiltumb“) mit sich führend, alljährlich terminierend

ihr Gebiet und trugen viel zu dem späteren großen Reichtum des Antoniterordens bei. Auch in der Eifel erschienen sie; für den Kreis Bitburg-Prüm z. B. überliefert von Wetteldorf (wo auch ein Antoniuskapellchen stand) und von Feuerscheid. Die Einwohner hatten sich z. T. mit Haus und Hof der Antoniterniederlassung in Roßdorf bzw. Höchst zinspflichtig gemacht. Wenn von dort alljährlich der Terminierer mit dem „löblichen Heiltumb des gutten St. Antonius“ erschien, entrichteten sie einen Zins, damit der Heilige sie behüte vor Leiden, Krankheit und Betrübnis, insbesondere vor der jämmerlichen St.-Antonius-Plag. Die Wohlhabenheit des Ordens gründete sich noch auf ein weiteres, 1298 den Antonitern gewährtes Privileg: Die Haltung und Verwertung der „Antoniusschweine“, die überall bekannt waren. Sie kamen dem Orden zum großen Teil als milde Gaben zu, indem mancher Haushalt jährlich oder von jedem Wurf ein Schwein spendete. Aus vor-reformatorischer Zeit sind uns viele Bilder, oft in Einblattdrucken, erhalten, aus denen wir sehen, daß die vom Antoniusfeuer Befallenen oder Bedrohten Schweine spendeten.

Da sieht man vor St. Antonius einen Kranken knien, dem aus einer Hand das böse Feuer hervorflammt, während die andere auf ein zu opferndes Schwein hinweist. Daß man bei dieser Krankheit mit ihren gangraenösen Formen das Schwein wählte, mag abgesehen von seiner uralten Eigenschaft als Opfertier – auch mit einem aus antiker Zeit überkommenen Glauben zusammenhängen: Dämonen galten als Verursacher der Krankheit, und man sah das Schwein mit seinem beliebten Wühlen in Erde und Morast (dem Sitz gewisser Dämonen) als ein mit dämonischen Wesen in Verbindung stehendes Tier an, in welches ein Dämon sogar gebannt werden konnte. Dies vielleicht auch in Erinnerung an Matthäus 8,28 ff., wo die von Christus im Gebiet der Gerasener ausgetriebenen bösen Geister in eine „Herde Sau“ fuhren, die sich dann „ins Meer stürtzte und ersoffen“. Soweit die Antoniusschweine nicht die Stallungen und Weiden des Ordens bevölkerten, liefen sie vielfach in den Ortschaften frei umher, kenntlich an einem Glöckchen, das sie um den Hals trugen. Sie standen gleichsam unter „öffentlich-rechtlichem“ Schutz. Von den auf die Straße geworfenen Abfällen ernährten sie sich und leisteten auf ihre Weise einen Beitrag zur „Straßenreinigung“. Als sich im späteren Mittelalter die städtischen Behörden aus gesundheitlichen Gründen diesem Problem mehr zuwandten, unterlag das muntere Treiben der Antoniusschweine gewissen Einschränkungen. Immerhin durften in Städten wie Würzburg noch 14 Schweine in gewohnter Weise umherlaufen, in München deren 2, in Bamberg 6 (1481), in Lübeck gar noch 20 – dank der anerkannten caritativen Tätigkeit des Ordens. Die Bedeutung der Antoniter ging im späteren Mittelalter zurück. Das epidemische Wüten des Antoniusfeuers hatte nachgelassen, der Bauernkrieg den Schweinebestand dezimiert, und die Säkularisierungen der Reformationszeit beendeten die Existenz zahlreicher Ordensniederlassungen. Die Generalpräzeptorei Isenheim, die für ihre Antoniterkirche in den Jahren 1512 bis 1516 den „Isenheimer Altar“, eines der bedeutendsten deutschen Kunstwerke, durch den Meister Matthias Grünewald malen ließ, wurde mit ihren Besitzungen gegen Ende des 18. Jhs. dem Malteserorden zugewiesen. Die Niederlassung in Köln von 1298 endete bald nach 1800 durch die Säkularisation ; von ihr steht heute noch in der Schildergasse die Antoniterkirche der evangelischen Gemeinde, unweit vom „Antoniterhof“.

St. Antonius, Beschützer des Viehs

Geblieben ist dem hl. Antonius Eremita aber das Schwein. Auf zahllosen Bildern des Heiligen, auf denen er mit seinem T-förmigen Kreuzstab, an dem oft zwei Glöckchen hängen, zu sehen ist, schmiegt es sich vertrauensvoll an ihn, unter seinem schwarzen Abtsmantel hervorschauend. Aus dem oben Ausgeführten geht die Herkunft dieses Heiligenattributes hervor. Der T-förmige Stab, ursprünglich wohl der Wanderstab des Heiligen, war in Form eines stilisierten Krückstocks Wahrzeichen und Wappen des Antoniterordens – gleichsam als Bild der Hilfe, die den Erkrankten und durch das „Feuer“ Verstümmelten geleistet wurde. Wie er den meisten Darstellungen St. Antons beigegeben ist, führten ihn auch die terminierenden Brüder mit sich und machten sich bei ihren Kollekten mit den anhängenden Glöckchen bemerkbar.

Das Antoniusschwein ließ seinen Herrn im Lauf der Jahrhunderte über dessen Rolle als Helfer in schlimmer Krankheit hinaus zum Beschützer des Viehs, vor allem der Schweine werden. Auch in dieser Beziehung schrieb man dem Heiligen große Macht zu. Er wurde besonders bei Erkrankungen und bei operativen Eingriffen wie der Ferkelkastration angerufen. Gern wurde ihm ein Ferkel geweiht, das man mit den ändern im eigenen Stall aufzog und später einem guten Zweck zuführte, sei es realiter oder indem man es „zurückkaufte“, d. h. den Kaufpreis dem Heiligen opferte. Ihm zu Ehren wurden auch geräucherte Schweinsköpfe gespendet, die man in einer Opferkiste sammelte und dann verkaufte. Der besondere Wert des Schweines für den Haushalt steigerte die Bedeutung seines Beschützers und macht es verständlich, daß er in den ländlichen Gegenden auch unserer Heimat besondere Verehrung genoß.

Es entstanden örtliche St.-Antonius-Bruderschaften, die sich die Feier seines Tages besonders angelegen sein ließen, der vielfach mit Hochamt und Predigt begangen wurde. Alte Missalien (Meßbücher) weisen sogar eine „missa contra ignem“ und eine eigene Sequenz zu seiner Ehre auf, was z. B. vom ehemaligen Kanonikerstift Münstereifel überliefert ist. Im alten Herschbach gab es tags nach seinem Fest eine Spende für die Armen. Von Eckendorf heißt es 1666, daß man ihm zu Ehren an seinem Festtag nach Adendorf pilgerte. In Altenahr wird eine Antonius-Bruderschaft 1428 erwähnt; 1506 wurde eine solche in Ahrweiler gegründet. Man wird nicht fehlgehen in der Annahme, daß der im 17. Jh. noch bezeugte, für fünf Meßfeiern dotierte Antoniusaltar der St-Laurentius-Pfarrkirche zu jener Bruderschaft in Beziehung stand, desgleichen die alte Tonfigur des Heiligen, die Dr. Joerres ins Ahrgaumuseum hinübergerettet und uns so erhalten hat.

Foto: Kreisarchiv
Kapelle in Kreuzberg

Kirchenpatron St. Antonius Eremita

Es kann uns auch nicht wundern, daß St. Antonius Er., hierzulande meist kurzerhand „De Säu-Tünn“ geheißen, Patron vieler Kirchen und Kapellen geworden ist. Er ist neben St. Sebastian Patron der Hemmessener Kapelle, im Stadtteil Bad Neuenahr, wo nach beiden Heiligen Straßen benannt sind. In der Kapelle ist sein barockes Bildnis links auf dem Altar mit Kreuzstab, Glöckchen und Schwein zu sehen. Vor der Kapelle trägt der alte Bildstock Bild und Namen St. Antons mit der Inschrift: „Got ist die Ehr der Hemeser“.

Auch die kleine Kapelle an der Ernst-Thrasolt-Straße in Green, die heute an Stelle ihrer durch Hochwasser zerstörten Vorgängerin steht, ist ihm geweiht.

Er ist Mitpatron der Kapelle neben dem Gasthaus auf der Kalenbornerhöhe, deren Name „Siechenhauskapelle“ an seine Rolle als Fürbitter in schwerer Krankheit erinnert.

Die frühere, aus dem 14. Jh. stammende Kirche in Ramersbach war neben St. Barbara, der heutigen Patronin, St. Anton geweiht.

Als Patron vieler Burg- und Schloßkirchen ist er auch Schutzher der Kapelle zu Kreuzberg, deren geschmackvolle Einrichtung den kunstverständigen Sinn ihres Besitzers erkennen läßt. Sie trägt oben an ihrer Fassade hoch über dem Portal auf einem Volutensockel das Steinbild des Heiligen, besitzt eine ihm geweihte Glocke von 1420, eine Monstranz mit seinen Reliquien sowie seine Darstellung auf einem Gemälde und als große Skulptur mit Kreuzstab und Schwein. Weiter ahraufwärts finden wir ihn neben St. Cyriakus als Patron der alten Kirche in Dümpelfeld. Die beiden Patrone erscheinen als gute Bildwerke von 1772 auf dem barocken Altar; der Diakon Cyriakus, dem ein Drache zu Füßen liegt und Antonius, von seinem Schwein begleitet. Die Kapelle des zur alten Pfarrei Vischel gehörigen Dorfes Berg hat ebenfalls St. Antonius Er. zum Patron.

Für die Kirche in Oberzissen, die gleichfalls unter St. Antons Titel steht, ist eine ihm geweihte Glocke von 1732 verzeichnet. Sein schönes Standbild aus dem 15. Jh. ist in dem Neubau unserer Tage nicht mehr zu sehen; immerhin erscheint er in einem der neuen Fenster mit den bekannten Beigaben. Im Untergeschoß des Turmes steht der ehemalige spätbarocke Hochaltar mit seinem Bild: ein Rabe bringt dem Heiligen ein Brot, während im Hintergrund die Teufel angedeutet sind, die ihn von seinem Einsiedlerleben abspenstig machen wollen durch die bekannten „Versuchungen“. (Dieses in der Malerei ohnehin beliebte Thema hat seinen stärksten Ausdruck in den teuflischen Schreckensvisionen des Isenheimer Altars gefunden.)

Fährt man von der Hohen Acht südöstlich durch die einsamen, reizvollen Waldtälchen über Siebenbach – Acht nach Welschenbach, so findet sich auch hier St. Anton als Patron der kleinen an der Straße in den Wiesen liegenden Kapelle von Niederwelschenbach. Zusammen mit St. Johannes Ev. steht er mit seinem Schwein oberhalb der mit Weinlaub und goldenen Trauben geschmückten Säulen des farblich ansprechend gefaßten Altars. Weiter südwestlich in Drees finden wir ein Kuriosum: Als Bekrönung des Kreuzes grüßt vom Turm der Kapelle an Stelle des gewohnten Turmhahns das Bild unseres Heiligen, der hier zusammen mit St. Bernhard Hausherr ist. Am flachen oberen Hang des Trierbachs, nahe der Kreisgrenze, liegt Meisen thal mit seiner Kapelle. Neben St. Quirin in Ritterrüstung mit Schwert und Lanze schaut hier St. Anton mit etwas bekümmerter Miene vom Altar herab. Er ist von seinem Schweinchen begleitet, das hier sogar das schon erwähnte Glöckchen der Antoniterschweine am Halse trägt.

Im Schatten von drei uralten Linden steht in Kottenborn an einem Wicsenhang die St.-Antonius-Kapelle. Von ihr spricht im Jahre 1403 eine Urkunde des Komturs der Johanniter-Kommende Adenau. 1525, als in anderen Gegenden Deutschlands der Bauernkrieg tobte, wurde der Kapelle ein besonderer Schmuck zuteil: das hochaufgestockte, spätgotische Chor mit zierlichem Sterngewölbe. Einer der mit Wappenschilden und Rosetten geschmückten Schlußsteine trägt, genau über dem Altar, das Bild des Heiligen mit dem Schwein.

Auf dem vom Nohnerbach und dem Trierbach eingefaßten Höhenzug, von dem man eine prächtige Aussicht weit ins Land genießt, liegt Tierscheid, das seinen Namen von der ehemals hier verlaufenden Grenze des alten Kurstaates Trier hat. Mitten im Dorf steht seine dem hl. Antonius geweihte Kapelle. Auf ihre Ursprünge aus alter Zeit deutet ein gotisches Fensterchen über dem Portal. Bemerkenswert sind die Rokokoschnitzereien der Bänke von 1760. Gut gelungen ist hier das sehr naturgetreue, freundlich-friedfertige Schweinsgesicht zu Füßen des Heiligen.

Eine besondere Anziehungskraft hatte ein Altar des hl. Antonius Er. in der Kirche des ehemaligen Klosters Niederehe. Er zog Pilger von nah und fern herbei, und erfreute sich stets namhafter Zuwendungen; dies besonders, als dem Kloster im Jahre 1322 besondere geistliche Privilegien zuteil geworden waren. Schenkungen begüterter Familien und der große Zustrom der Pilger brachten dem Kloster, das auch in Ahrweiler Besitz hatte, namhaften Reichtum. St. Antonius ist jetzt nur noch durch eine barocke Statue vertreten, die nichts mehr von seiner Bedeutung in alter Zeit ahnen läßt. Doch zeugt von ihr die offensichtlich unter klösterlichem Einfluß ausgestattete, reizvolle Filialkapelle im benachbarten Heyroth. Dort ist das Bild des Heiligen gleich fünfmal zu sehen. An seiner Statue über dem Portal erscheint auf dem Mantelkragen das T-Zeichen der Antonitermönche. Weltverachtend setzt der Eremit seinen Fuß auf eine Erdkugel. Auf dem Ölgemälde des barocken Altars zertritt er den teuflischen Drachen – im Hintergrund Palmen und die Einsiedlerhöhle. Hier ist er in Gesellschaft eines Negerknaben und des Schweins. Das Schwein ist ihm auch auf zwei weiteren Darstellungen beigegeben, von besonders grimmigem Ausdruck mit gebleckten Hauern in einem Chorfenster.

Schließlich verdankt auch der weitbekannte Tönissteiner Sprudel dem hl. Antonius Eremita seinen Namen, ebenso das benachbarte Bad Tönisstein. Der Name geht zurück auf das ehemalige Karmeliter-Kloster Tönisstein, in dem von Wassenach zum Brohltal ziehenden Tälchen gelegen. Nachdem seine Gebäude in der Franzosenzeit säkularisiert und von der preußischen Regierung 1819 auf Abbruch veräußert worden waren, sind von ihm nur mehr spärliche Ruinen übrig. Auf der linken Talseite ragen sie empor aus einem Dschungel von Goldrauten, auf steilen Traßfelsen, die jäh in eine liebliche Partie des Tälchens abfallen, wo Pferd und Esel auf Wiesen mit alten Lärchen und Birken weiden; durch das Tal führt der Wanderweg Brohl – Monschau. Die Vorgeschichte des Klosters geht zurück in die Legende: Hirten aus dem benachbarten Dorfe Kell sahen wiederholt einen brennenden Dornbusch, vor dem sie erschreckt zurückwichen, bis sich einer Mut faßte, näher ging und dort ein Bild der Mater dolorosa erblickte, vor welchem St. Antonius und St. Wendelin verehrend knieten. In die Pfarrkirche nach Kell verbracht, verschwand das Bild wieder zur Stelle des Dornbuschs. Dies führte dort zum Bau einer 1390 geweihten Kapelle, „genant zu sente Anthonissteyn“. Der Zustrom von Pilgern ließ bald deren geistliche Betreuung notwendig erscheinen; ihrer nahmen sich Karmelitermönche an, die 1465 einen Konvent gründeten. Kurfürsten von Köln und Trier begünstigten den Ort; sie ließen sich auch den Ausbau des besonders im 17. und 18. Jh. bekannten und heute noch besuchten Bades Tönisstein angelegen sein. Das Gnadenbild der Mater dolorosa kam nach der Auflösung des Klosters nach Kell. Hier hat es heute als Mittelpunkt der Kriegergedächtnisstätte seinen Platz in der Pfarrkirche auf einem barocken Altar von 1660, der vielleicht auch aus dem Kloster stammt. Müßig zu sagen, daß man Antonius den Eremiten nicht verwechsle mit seinem heiligen Namensvetter Antonius von Padua, der fast 900 Jahre nach ihm als Zeit- und Ordensgenosse des hl. Franz von Assisi gelebt hat.

Foto: Kreisarchiv
Kapelle in Kottenborn

Die Verwechslung ist Wilhelm Busch unterlaufen in seinem kulturkämpferischen Eifer, die Heiligen Verehrung lächerlich zumachen („Der heilige Antonius von Padua“). Da sucht Busch, dem Paduaner ein Zerrbild der (im übrigen gänzlich mißverstandenen) „Versuchungen“ anzuhängen, die den Eremiten in der Wüste geplagt hatten; er macht den Franziskanermönch und eifrigen Volksprediger unsinnigerweise sogar zu einem „tief, tief im Wald“ sitzenden „Klausner“, um ihm schließlich, recht gewaltsam herbeigezogen, auch noch das Schwein zu applizieren, mit dem er nichts zu tun hat. Irrtümlich im Bilde eines „Franziskaners“ erscheint St. Anton Er. auch einmal bei Jakob Kneip in dem Gedicht „Die heilige Spinne“. Im übrigen aber bezeugt es in seinen Eingangsversen die dem im Hunsrück beheimateten Dichter wohlbekannte Verehrung des Landvolks für unseren Heiligen:

„Als der Nagelschmied Dusedam
Um Trinitatis zum Sterben kam,
Sprach er:
Für manche Ferkelzucht ein gut Gedeihn
Gab mir ,Sankt Anton mit dem Schwein‘.
Wir wollen ihm danken und ihn benedein,
Und die dreißig Taler dort im Buchsbaumschrein
Solln für ein Bildnis von Sankt Anton sein.“

J. H. Follmann, der stets heimatkundlich Interessierte und Mitarbeiter dieses Jahrbuches, wurde mitten aus einem reichen Leben gerissen. Vorstehender Aufsatz für das Heimatjahrbuch war seine letzte Arbeit.